Automobilzulieferer Liaison ohne Happy End

Bislang eine eher unglückliche Verbindung: Continental und Schaeffler
Foto: dapdÜber Monate hielten sie die Bundesrepublik in Atem, und beide gerieten in der Wirtschaftskrise an den Rand des Abgrunds: Rund vier Jahre sind seit der Übernahmeschlacht zwischen Continental und Schaeffler vergangen. Heute steht Continental vor einer Rückkehr in den Dax. Die Entscheidung darüber fällt am 5. September, Ende des Monats könnte Continental wieder zu den 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland gehören. Diesen Status verlor das Unternehmen im Jahr 2008. Just in jenem Jahr, als sich das Unternehmen mit Schaeffler einen beispiellosen Machtkampf lieferte.
Heute sorgt Continental wieder für positive Schlagzeilen. Erst vor wenigen Tagen weihte der Automobilzulieferer ein neues Technologiezentrum in Brasilien ein. Die Botschaft ist klar: Continental lässt sich von der abflauenden Auto-Konjunktur nicht beeindrucken und wächst weiter. Seit Jahresbeginn hat das Unternehmen weltweit rund 5000 neue Arbeitsplätze geschaffen, derzeit beschäftigt Continental fast 170.000 Menschen. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei rund 30,5 Milliarden Euro, erstmals schrieben alle Unternehmensdivisionen wieder schwarze Zahlen. "Die Produkte stimmen, die meisten Unternehmensdivisionen erzielen solide Margen", sagt Frank Schwope, Analyst bei der Nord LB. Für 2012 erwartet das Unternehmen ein Wachstum von sieben Prozent. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich der Aktienkurs des Unternehmens verdoppelt.
Grund für Optimismus
"Mit seinem Optimismus sticht Continental im Moment in der Branche heraus", sagt Schwope. Dazu habe das Unternehmen in den vergangenen Monaten seine Kostenstrukturen erheblich verbessert. Auch seine Verschuldung hat Continental zurückgeführt: Die Übernahme von Siemens VDO im Jahr 2007 hat Continental einen großen Schuldenberg beschert. Das Verhältnis von Nettoschulden zu Eigenkapital lag einmal bei 200 Prozent. Ende 2013 will Conti bei unter 60 Prozent sein. "Continental hat seine Verschuldung aus der VDO-Übernahme im Griff, das ist kaum ein Problem mehr", sagt Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe.
Das Unternehmen hat Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. "Continental ist für die nächsten zwei bis drei Jahre sehr gut aufgestellt", sagt Ludwig. Das Unternehmen profitiere in der Automotive-Sparte davon, dass seine Produkte - wie zum Beispiel moderne Fahrassistenzsysteme - immer stärker auch in der Mittelklasse eingesetzt würden. "Dieser Volumeneffekt ist stark und würde auch eine stärker einbrechende Autokonjunktur überkompensieren", sagt Ludwig. Bedenklich würde es nur, wenn die Gesamtwirtschaft stärker als erwartet abdrehen würde. "Langfristig kann sich auch Continental nicht von der Marktentwicklung abkoppeln, wenn die Konjunktur einbricht", sagt Schwope.
Derzeit hält Schaeffler gut 60 Prozent der Continental-Anteile. 49,9 Prozent liegen direkt bei Schaeffler, der Rest hat das Unternehmen an Banken weitergereicht. Der Spezialist für Kugel- und Wälzlager hat ein Rekordjahr hinter sich: 2011 lag der Umsatz bei 10,7 Milliarden Euro. Auch für 2012 strebt das Unternehmen ein Wachstum von 5 Prozent an. Zuletzt schrumpfte der operative Gewinn aber um etwa ein Fünftel auf 505 Millionen Euro. Schaeffler investierte allerdings im selben Zeitraum insgesamt 465 Millionen Euro in neue Fabriken und Erweiterungen bestehender Einrichtungen. Insgesamt stieg der Umsatz im ersten Halbjahr 2012 um fünf Prozent. Dabei legten die Umsätze in den Regionen Nordamerika, Asien/Pazifik und Deutschland deutlich zu, während sie in Europa und Südamerika zurückgingen.
Schaefflers großes Problem
Wegen der abflauenden Autokonjunktur rechnet Schaeffler mit schwächeren Geschäften in den nächsten Monaten und schließt selbst Kurzarbeit nicht aus. Der Vorstandsvorsitzende von Schaeffler Jürgen M. Geißinger sieht die Konjunktur in nahezu allen Regionen von Unsicherheit und Risiken geprägt, ist aber optimistisch für die nächsten Monate: "Gleichwohl sehen wir weltweit weiter solide Wachstumschancen für unser Geschäft", sagt Geißinger. Er ist zuversichtlich, dass Schaeffler die am Jahresanfang gesteckten Ziele - ein Umsatzwachstum von mehr als fünf Prozent und eine operative Ergebnis-Marge von mehr als 13 Prozent - erreichen wird.
Ein großes Problem ist immer noch die Verschuldung, die aus der Übernahme von Continental resultiert. Zuletzt gelang es Schaeffler zwar, seine Zinsbelastung pro Quartal zu senken. Das Unternehmen hat Anleihen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro ausgegeben, um Bankschulden abzulösen. Doch immer noch ächzt der Autozulieferer unter der Schuldenbelastung. Die Hoffnungen, mit denen Schaeffler die Übernahme von Continental einst verband, sind unerfüllt geblieben.
Rückblende: Anfang 2008 sind die Zukunftsaussichten gut, die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal um 1,5 Prozent gewachsen. Schaeffler beschäftigt rund 66.000 Mitarbeiter, Continental hat mit rund 150.000 Beschäftigten weltweit fast dreimal so viele Mitarbeiter und ist der zweitgrößte deutsche Automobilzulieferer. Auch finanziell sind die Unterschiede groß: Im Vorjahr hat Schaeffler einen Umsatz von rund neun Milliarden Euro erzielt, bei Continental sind 16,6 Milliarden. Zusammen mit Siemens VDO, das Continental kurz zuvor übernommen hat, sind es sogar fast 24 Milliarden Euro. Für die Übernahme hat Continental Schulden in Höhe von rund 10,8 Milliarden Euro aufgenommen.
Ein einmaliger Vorgang
Im Juli startet Schaeffler überraschend den Angriff auf Continental. Es ist ein einmaliger Vorgang: Erstmals greift ein nicht-börsennotiertes, familiengeführtes Unternehmen nach einem Dax-Konzern.
Das Conti-Management geht in Abwehrstellung und lehnt das Schaeffler Angebot von rund 70 Euro pro Aktie zunächst ab. Nach Medienberichten sucht Continental in dieser Zeit sogar nach Finanzinvestoren, um der Übernahme durch Schaeffler zuvor zu kommen. Gewerkschaften befürchten, Schaefflers Ziel könnte die Zerschlagung Continentals sein. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff trifft sich mit der Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler. Dabei soll die Schaeffler-Führung Garantien für alle Sparten und Arbeitsplätze im Fall der Übernahme abgegeben haben. Continental lässt erklären, es sei nur an Investoren interessiert, die das Unternehmen intakt lassen und die eigene Strategie mittragen würden. Weitere Gespräche folgen. Schließlich erzielen beide Seiten eine Einigung: Schaeffler soll nicht mehr als 49,99 Prozent der Conti-Anteile übernehmen.
Dann bringt die Lehman-Pleite die Weltwirtschaft in Wanken, was beide Unternehmen hart trifft. Allein bei Schaeffler gehen die Umsätze im Autogeschäft, das etwa 60 Prozent des Konzernumsatzes ausmacht, um ein Drittel zurück. Die Aktienkurse rauschen in den Keller. Das Übernahmeangebot von 75 Euro pro Aktie bleibt bestehen, und ist für die Anteilseigner attraktiv. Schaeffler hat nun fast 90 Prozent der Conti-Papiere - und einen milliardenschweren Schuldenberg. Hat sich Schaeffler an der Übernahme verhoben? Zusammen sind beide Unternehmen mit 22 Milliarden Euro verschuldet.
Geringe Synergien zwischen beiden Unternehmen
Die Spekulationen reißen nicht ab, dass Schaeffler die Kredite nicht bedienen kann. Tatsächlich erwägt das Unternehmen in dieser Zeit, bei Land und Bund um Hilfen zu bitten. Ein offizieller Antrag bleibt jedoch aus. Im Februar 2009 muss das Unternehmen an mehreren Standorten Kurzarbeit anmelden und bittet seine Mitarbeiter um Lohnverzicht. Auch Continental hat immer mehr Schwierigkeiten und macht im ersten Quartal 2009 Verluste. Im April 2009 erhält Schaeffler von den Banken einen Überbrückungskredit. Beide Seiten einigen sich schließlich über ein Finanzierungskonzept von etwa zwölf Milliarden Euro. Auch die Auto-Konjunktur zieht wieder an, was beiden Unternehmen zugute kommt. In der Folgezeit gibt es immer wieder Gerüchte um eine mögliche Fusion. Doch Schaeffler hält am Modell einer strategischen Beteiligung fest.
Heute sind beide Unternehmen rechtlich eigenständig. Sie bilden eine Einkaufsgemeinschaft und arbeiten bei einzelnen Entwicklungsprojekten zusammen.
Kein Happy End zu erwarten
"Bislang scheinen die Synergien zwischen beiden Unternehmen noch sehr limitiert zu sein", sagt Analyst Schwope. Solche Kooperationen hätten die Unternehmen auch einfacher vereinbaren können, meint Ludwig.
Während es Continental gelungen ist, die eigene Verschuldung nach unten zu schrauben, ist die Kapitaldecke bei Schaeffler immer noch sehr dünn: "Schaeffler ist immer noch in einer existenzgefährdenden Situation", sagt Ludwig. Der Schuldenstand sei so hoch, dass es gefährlich für das Unternehmen werden könnte, wenn die Konjunktur einbreche. Mittelfristig werde für das Unternehmen nichts anderes übrig bleiben, als seinen Anteil an Continental wieder zu verringern, um seinen Schuldenstand zu reduzieren. Um welchen Umfang dies erfolgen könnte, ist die große Frage. "Schaeffler wird versuchen, eine Mehrheit der Continental-Anteile zu behalten", glaubt Schwope. Ob dies allerdings reicht, um den Schuldenstand deutlich zu senken, ist fraglich.
Von den Zielen, mit denen die Übernahmeschlacht einst begann, ist wenig übrig geblieben. "Noch einmal würde das die Familie Schaeffler wohl nicht machen", sagt Ludwig.
Ein Happy End für die Liaison zwischen Schaeffler und Continental ist kaum mehr zu erwarten: "Es geht jetzt nur noch darum, wie man gesichtswahrend auseinandergeht", sagt Ludwig. Vielleicht ist die Rückkehr Continentals in den Dax Ende September ein guter Zeitpunkt für Schaeffler, sich von einem Teil seiner Conti-Anteile zu trennen.