
AB Inbev Der Feldzug des Bierpaten
Hamburg - Die Genugtuung ist Carlos Brito ins Gesicht geschrieben. Immer wieder gleitet für einige Sekunden ein breites Grinsen über die scharfen Gesichtszüge des sonst so kontrollierten Brasilianers, als er im Fernsehinterview seinen neuen Coup erläutert. Die Übernahme des mexikanischen Bierbrauers Modelo - weltweit bekannt durch sein Corona-Bier.
Etwas mehr als 20 Milliarden Dollar lässt Brito sich die Übernahme kosten. Die teuerste im Verbrauchsgütersektor in diesem Jahr. Im Gegenzug dafür erhält AB InBev eine der weltweit größten Biermarken und noch mehr Einfluss in Süd- und Lateinamerika.
Für Brito keine ungewöhnliche Größenordnung. 2004 stand er an der Spitze des brasilianischen AmBev-Konzerns, als dieser mit dem belgischen Konkurrenten Interbew zum Biergiganten InBev fusionierte. Und das Zusammengehen mit dem US-Wettbewerber Anheuser Busch 2008 kostete mit 52 Milliarden US-Dollar mehr als das Doppelte.
Jedes fünfte Bier stammt aus den Braukesseln der Brasilianer
Die Übernahme von Modelo sei nur ein "natürlicher nächsten Schritt", erklärt Brito. Ein Schritt auf dem Weg noch weiter nach oben. Dabei ist AB InBev längst an der Spitze angekommen. Fast jedes fünfte Bier, das in der Welt getrunken wird, stammt bereits aus den Braukesseln der Brasilianer.
Und mit Modelo werden es bald noch mehr sein. Sieben der zehn weltweit wertvollsten Biermarken befinden sich laut einer Erhebung von Millward Brown in den Händen der Brasilianer. Unterm Strich verdiente der Konzern 2011 mit 5,86 Milliarden Dollar rund 45 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Kurs hat sich seit 2008 fast verdreifacht. Kein Wunder, dass AB InBev ein Liebling der Analysten ist.
Doch Brito will noch mehr.
"Höher, weiter, besser"
Sein Ehrgeiz treibt den in Rio de Janeiro geborenen Brito weiter. "Höher, weiter, besser als die Konkurrenz" ist das Motto des durchtrainierten Brasilianers mit der hohen Stirn, der stets leger mit offenem Hemdkragen und farbigem Gummiband am Handgelenk auftritt.
Dass er dort ist, wo er ist, verdankt er dem brasilianischen Multi-Milliardär und Kopf hinter AB InBev, Jorge Paulo Lemann. Ihn, so heißt es, hat der junge Brito in jungen Jahren um Hilfe gebeten, als er zwar die Zulassung für die Eliteuni Stanford bekam, die Gebühren aber nicht selbst aufbringen konnte. Leman zahlte - und gab Brito nach ersten Erfahrungen bei Shell und Daimler schließlich Ende der achtziger Jahre eine Chance bei Brahma, dem zweitgrößten Bierkonzern Brasiliens.
Den hatte die brasilianische Investmentlegende zusammen mit zwei Vertrauten, Carlos Alberto Sicupira und Marcel Herrmann Telles, gekauft, nachdem er 1998 seine Investmentbank Garantia, die "Goldman Sachs Brasiliens", an die Credit Suisse verkauft hatte.
"Meine Neider glaubten, dass ich falle. Ich aber fiel auf einen Haufen Geld", soll Lemann danach gesagt haben. Und der ist seitdem beachtlich gewachsen. Auf 12 Milliarden Dollar taxierte das Forbes-Magazon Lemann in diesem Jahr. Damit belegt der Sohn Schweizer Auswanderer Platz 69 der reichsten Menschen der Welt.
Strippenzieher im Hintergrund
Lemann kauft Brahma und übernimmt 2000 dann dessen brasilianischen Konkurrenten Antarctica. Von da an geht es Schlag auf Schlag.
Wie groß der Anteil Lemans derzeit am verschachtelten Bierimperium ist, weiß keiner. Angaben über die Anteile Lemanns, der nach einem Entführungsversuch seiner Kinder die Öffentlichkeit scheut und zwischen verschiedenen Ländern pendelt, macht AB InBev nicht.
Dass der ehemalige Tennischampion, der erst spät seine Begeisterung fürs Geschäftemachen entdeckte, noch immer die Fäden in dem Konzern zieht, daran hegt in der Branche kaum jemand Zweifel. "Leman ist der einzige, der wirklich etwas vom Geschäft versteht", sagt Bierexperte Germain Hansmaennel, der für den Hopfenproduzenten Bart-Haas jährlich einen Überblick über die weltweite Bierbranche erstellt.
Zwar könne Brito das Unternehmen mittlerweile "vom Bett aus leiten", bewertet er die Kompenzen des CEOs, der seit mittlerweile acht Jahren die Geschicke des Braukonzerns leitet. "Aber er ist Lemanns Angestellter."
"Man muss Risiken eingehen"
Wenn es ums Management geht, liegen allerdings beide auf der gleichen Wellenlänge. "Um Außergewöhnliches zu schaffen, muss man Risken eingehen" - das Credo Lemanns hat sich auch der studierte Ingenieur Brito zu Eigen gemacht.
Um das zu erreichen, fordert Brito, der selbst den Ruf eines Workaholic hat, von seinen Mitarbeitern Leistung. "Man muss Druck ausüben, immer", fasste Brito vor einiger Zeit bei einem Auftritt vor Studenten seiner alten Stanford-Fakultät seine Führungsüberzeugung zusammen. "Wir sind am besten, wenn wir unter Druck sind."
"Er ist ein echter Manager amerikanischen Stils", fasste Kris Kippers, Analyst bei der belgischen Investmentfirma Petercam, Britos Führungsstil bei einer der letzten Fusionen zusammen. Pragmatisch, ehergeizig, ein entschiedener Vertreter der Meriokratie. Was sich nicht rechnet oder überflüsig ist, wird abgeschafft, zusammengestrichen, gekündigt. Wer außergewöhnliche Leistungen bringt, wird belohnt.
Ein "Corporate Vampire"
Das gilt auch für Brito selbst. Nicht nur, dass er weltweit massiv Stellen strich. Auch Prunkbüros und die Flugzeugflotte fürs Direktorium kamen auf die Streichliste.
Brito profitiert aber auch von den Kürzungen: Weil er die Schulden von AB InBev nach der Interbew Übernahme schneller als erwartet heruntergefahren hat, hat Brito laut Medienberichten nun Anspruch auf einen dreistelligen Millionenbonus.
Bei den Gewerkschaften stößt Brito mit seinem Ansatz nicht auf Gegenliebe. Sie sehen in ihm einen "Corporate Vampire", den mit dem Brauereigeschäft an sich nichts verbindet. Bier, lästerte der Gewerkschafter Alex Vancauwenbergh 2010 bei einem Streik der belgischen Belegschaft gegen neuerliche Stelenstreichungen, mag er eigentlich gar nicht. "Der tut immer nur so, als ob er trinkt", behauptet Vancauwenbergh.
Preiskrieg in Deutschland
Dass die Übernahme von Modelo das letzte Husarenstück des Brasilaners ist, glaubt in der Branche niemand. Längst machen Gerüchte über eine Übernahme von SAB Miller die Runde, die neben Carlsberg und Heineken einen der wenigen größeren Konkurrenten stellen. Bislang wird jedoch noch dementiert. Und nach der milliardenschweren Übernahme von Modelo ist derzeit auch das Geld dazu nicht da. Doch dass der Schritt kommen wird, daran hat kaum jemand in der Branche Zweifel.
"Das wäre eine strategische Notwendigkeit", ist Branchenexperte Hansmaennel überzeugt. "Derzeit können sie es sich nicht leisten. Aber sie werden es sich leisten." Dass AB InBev noch von anderen Wettbewerbern Gefahr droht, glaubt er nicht. "Die haben nicht das gleiche Format."
Dass AB InBev sich Deutschland für eine weitere Expansion aussuchen wird, sei indes kaum zu erwarten. Zwar sind die Deutschen im internationalen Vergleich trotz sinkender Verkäufe noch immer eher trinkfreudig und belegen auf der Rangliste der bierproduzierenden Nationen hinter China, den USA, Brasilien und Russland Platz fünf.
Extrem dünne Gewinnspanne
Doch "Geld verdienen kann man mit Bier in Deutschland nicht", ist Hansmaennel überzeugt. Es gebe zwar erstklassiges Bier und die besten Maschinen zur Herstellung und Abfüllung. Doch angesichts massiver Überkapazitäten bei gleichzeitig schwindendem Absatz herrsche in Deutschland besonders unter den großen Brauereien ein ruinöser Preiskrieg. Um im Wettbewerb nicht unterzugehen, traue sich niemand, gestiegene Rohstoff- und Energiekosten an die Konsumenten weitergeben. "Die Gewinnspanne ist in Deutschland extrem dünn", sagt Hansmaennl.
"Jeder lauert auf jeden", ergänzt der Sprecher des Deutschen Brauer-Bundes Marc-Oliver Huhnholz. Und der aktuell verregnete Sommer, der den Bierkonsum schwächeln lässt, machte die Situation nicht leichter.
Programmierte Pleiten
Angesichts dieser Situation rechnet auch der Deutsche Brauer-Bund damit, dass einige in der Branche den Druck nicht auf Dauer aushalten können. Vor allem im "mittleren Marktsegment" bei überregionalen Anbietern könnte es Ausfälle geben, heißt es in der Branche. "Da muss nur der Preis für Malz ein bisschen zu stark steigen."
Zwar suchen einige Unternehmen ihr Heil mittlerweile auch im Ausland und erzielen dort als Nischenanbieter zuweilen attraktive Margen. Doch dabei gehe es "um homöopathische Mengen", wie Branchensprecher Hunhholz einräumt. Die Zeit für den großen Sprung ins Ausland sei längst abgelaufen.
Da die Europäer schon seit Jahren immer weniger Bier trinken, spielt die Musik ohnehin längst in Südamerika, Afrika und mit Einschränkungen auch in China. In der Volksrepublik, dem mittlerweile weltweit größten Bierproduzenten, tun sich die Konzerne angesichts nationaler Produzenten und niedriger Preise mit dem Geldverdienen aber noch schwer. Vor allem in Süd- und Lateinamerika sieht die Sache allerdings anders aus. "Das sind die Länder, wo man richtig Geld verdient", sagt Hansmaennel.
Jorge Paulo Lemann hat das längst erkannt.