ThyssenKrupp Der Ruhrkonzern kämpft ums Überleben

Stahlriese: Allein seit 1945 ist Krupp fünf Mal dem Untergang entkommen
Foto: INA FASSBENDER/ REUTERSHamburg - Im November vergangenen Jahres feierte Krupp, die Industrielegende aus Essen, 200-jährigen Geburtstag. Christian Wulff, zu der Zeit noch Bundespräsident, hielt eine höfliche Rede. Und die Honoratioren des Ruhrgebiets machten ihre Aufwartung. Doch so richtige Freude mochte bei dem Festakt auf der Villa Hügel nicht aufkommen.
Denn ThyssenKrupp, das Nachfolgeunternehmen der Essener Stahl-Dynastie, steckt in argen Schwierigkeiten. Gigantische Fehlinvestitionen in neue Stahlwerke färben das Konzernergebnis tiefrot. Der Stahl- und Technikkonzern zehrt von der Substanz. Im aktuellen manager magazin wird die Situation eines kränkelnden Industrieriesen analysiert - und erklärt, wie ThyssenKrupp in eine solche Lage kommen konnte.
Der Cashflow ist nun schon seit Jahren negativ. Deshalb steigen seit längerem auch die Schulden stetig. Jetzt fehlt das Geld, um eine rasche Wende zum Besseren herbeizuführen, um in aussichtsreichere Geschäfte als den Stahl zu investieren.
Die Not ist groß - aber wahrlich keine neue Erfahrung für das Traditionsunternehmen. Die Geschichte von Krupp ist ein ständiges Auf und Nieder. Wirtschaft- und Stahlkrisen, Kriege und auch Missmanagement haben dem Unternehmen, das durch Geschütze wie die "dicke Bertha" oder die Erfindung des rostfreien Stahls berühmt und berüchtigt wurde, immer wieder zugesetzt.
Oft genug schien das Ende nah. Doch mit der gleichen Regelmäßigkeit konnten sich die jeweiligen Herren auf der Villa Hügel aus den Krisen herauswinden. Allein seit dem Zweiten Weltkrieg ist Krupp fünf Mal dem Untergang entkommen.
1945 am Boden - Ende der 50er Jahre schon wieder obenauf
Nach 1945 war die einstige Waffenschmiede des Dritten Reiches am Boden. Fast ein Drittel der Anlagen waren zerstört. Was unversehrt geblieben war, wurde größtenteils von den Alliierten demontiert. Firmen-Patriarch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wurde als Kriegsverbrecher und wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern ins Gefängnis geschickt. Und obendrein verlangten die Alliierten, dass sich Krupp von den Zechenbetrieben und Stahlhütten trennt.
Ende der 50er Jahre aber war Krupp schon wieder obenauf. 1958 war Krupp kurzzeitig gar das umsatzstärkste deutsche Unternehmen. Die Waffenproduktion war aufgegeben worden. Stattdessen produzierten die Essener nun mit Hingabe vor allem Brücken und Kräne, Lastwagen und Lokomotiven, Schiffe und Turbinen. Und auch in der Stahlfrage hatte man die Alliierten zum Einlenken bewegt.
Durch geschicktes Taktieren eines Managers namens Berthold Beitz, der 1953 aus Hamburg zu Krupp gestoßen und zweiter Mann hinter Alfried Krupp geworden war, durfte Krupp die Hütten Jahr um Jahr behalten. Denn Beitz meinte, ein Unternehmen ohne eigene Stahlbasis sei wie eine Frau ohne Unterleib.
Bürgschaft von Karl Schiller, Petro-Dollars vom Schah
Bürgschaft von Schiller
Nach 1965 geriet Krupp in den Abwärtsstrudel der ersten deutschen Nachkriegsrezession. Das ohnehin geringe Eigenkapital der Firma war durch eine rasante Expansion im Ausland aufgezehrt. Im Dezember 1966 drehten die Banken Krupp den Geldhahn zu. Die deutsche Ausfuhrkreditgesellschaft - ein Zusammenschluss deutscher Banken zur Exportfinanzierung - lehnte einen 360-Millionen-Mark-Kredit, mit dem ein Auftrag aus Polen bezahlt werden sollte, ab.
In der Not wandte sich Beitz an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller und an Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank. Am Ende schnürte der Bund gemeinsam mit 28 Banken ein Rettungspaket. Der Inhalt: eine Bürgschaft von 300 Millionen Mark. Dazu sollten 100 Millionen Mark vom Land Nordrhein-Westfalen kommen und ein Exportkredit. Allerdings musste Krupp die Bürgschaft am Ende gar nicht in Anspruch nehmen.
Petro-Dollars vom Schah
Doch auch in der Folgezeit verdiente Krupp meist zu wenig, manchmal entstanden sogar Verluste. Oft genug lebte der Konzern von der Substanz. Als 1974 die Not erneut besonders groß war, mochte sich Beitz nicht ein weiteres Mal auf die Banken als Retter einlassen. Zu sehr hatte er sich bei der vorangegangenen Aktion von Abs & Co. durch deren harte Bedingungen gedemütigt gefühlt.
Deshalb suchte der Chef der Krupp-Stiftung, die zu dem Zeitpunkt 100 Prozent des Krupp-Kapital besaß, Hilfe beim Schah von Persien. Der beteiligte sich nach einem Besuch von Beitz in Teheran mit 25 Prozent an Krupp. Dadurch floss dem Konzern frisches Geld in Höhe von 1,3 Milliarden Mark zu.
Räuberische Fusion, Projekt Hammer und Thor
Räuberische Fusion
1989 übernahm nach etlichen Wechseln an der Firmenspitze Gerhard Cromme den Chefstuhl bei Krupp. Auch der konnte Krupp zwar nicht in eine Rendite-Turbo verwandeln. Aber er sicherte das Überleben von Krupp durch zwei spektakuläre Coups. 1991 - wieder mal hatte eine Stahlkrise die deutschen Hüttenkonzerne, vor allem aber Krupp zermürbt - wagte Cromme als erster Konzernchef an der Ruhr eine feindliche Übernahme.
Das Objekt: der Dortmunder Hoesch-Konzern. Zunächst sicherte sich Cromme heimlich ein knappes Viertel der Hoesch-Aktien. Dann zwang er dem Konkurrenten seinen Willen auf. Im Dezember 1992 verschmolzen beide Unternehmen zur Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp.
Hammer und Thor
Im März 1997 setzte Cromme den nächsten Hieb an. Diesmal startete er eine Attacke auf den viel besser dastehenden und doppelt so großen Düsseldorfer Konkurrenten Thyssen. Motto: Der Lahme schluckt den Großen. Die viel näher liegende Lösung zur notwendigen Konsolidierung der deutschen Stahlindustrie, die Übernahme von Krupp durch Thyssen, war nicht möglich. Die Krupp-Stiftung, die damals die Hälfte der Krupp-Anteile hielt, machte Krupp-Hoesch zu einer uneinnehmbaren Festung.
Zwei Banken räumten Cromme Kreditlinien in Höhe von 18 Milliarden Mark ein. Doch das Geheimprojekt (Codename: "Hammer und Thor") wurde vorzeitig bekannt. Der damalige NRW-Finanzminister Heinz Schleußer steckte Thyssen-Aufsichtsratschef Heinz Kriwet den Plan. So kam es erst 1999 durch einen zweiten, friedlichen Anlauf zur Fusion von Thyssen und Krupp.
Überblick: Wie ThyssenKrupp immer wieder dem Untergang entkam