
Kaffeehauskette: Starbucks neue "Roastery" in Seattle
Abgebrüht Wie Starbucks seinen Kaffee noch teurer macht
Hamburg - Um seinen neuesten Laden zu bewerben, greift Howard Schultz auf einen Klassiker der Kinderliteratur zurück: Die "Roastery" in Seattle sei die "Willy-Wonka-Fabrik des Kaffee", sagte der Starbucks -CEO jüngst in Anspielung auf "Charlie und die Schokoladenfabrik", einen vor allem in den USA beliebten Klassiker von Roald Dahl. Mit der Analogie zeigt Schultz: Im Handel zählen längst nicht mehr die reinen Produkte - sondern das Erlebnis.
"Charlie und die Schokoladenfabrik" schildert die Reise eines Jungen durch eine magische - und ganz sicher nicht von der Gewerbeaufsicht abgesegnete - Produktionsanlage für Süßigkeiten. Charlie fährt über Schokoflüsse, wandert über essbare Wiesen und bricht Lollis von Bäumen. Schultz mag es mangels magischem Personal nicht ganz so weit treiben können, doch auch bei Starbucks soll künftig der Verzehr noch stärker zum Erlebnis werden.
Das Pilotprojekt dazu steht in Seattles Trend- und Ausgehviertel Capitol Hill: Auf fast 1400 Quadratmetern können Kunden hier ihren Kaffeebohnen beim Rösten zusehen, Gourmet-Gebräue sowie lokale Spezialitäten kaufen und diese dann in lounge-artiger Atmosphäre verzehren.
Der Lohn der Mühe: Höhere Preise
Die Annehmlichkeiten lässt sich Starbucks teuer bezahlen: Bis zu 6 Dollar könne ein frisch gerösteter Latte in der "Roastery" kosten, berichtet das "Time Magazine" - und vermutet, dass die Kette ihre Preise sogar noch deutlich höher ansetzen könnte: Die vermögendere Kundenschaft, die Starbucks mit dem Flagship Store und ähnlichen "Reserve"-Läden ansprechen wolle, gucke nicht so sehr aufs Geld.
"Roastery" und "Reserve" sind Teil eines größeren Strategieprogramms. Wie alle Handelsunternehmen sei auch Starbucks "nicht immun" gegen den grundlegenden Wandel der Branche, hatte CEO Schultz schon im Januar gesagt: Mehr und mehr Kunden nutzten Internet-Technologien, um Güter und Dienstleistungen zu beziehen und zu konsumieren. Das mache sich auch in den Einkaufszentren und Fußgängerzonen bemerkbar, in denen die meisten Starbucks-Filialen angesiedelt sind. Immer weniger Menschen seien in diesem Jahr durch sie hindurchspaziert.
Die neue Leitlinie lässt sich entsprechend etwa so umschreiben: Wenn die Menschen nicht mehr wegen der Fußgängerzone zu Starbucks kommen, müssen sie in Zukunft eben wegen Starbucks in die Fußgängerzone kommen. Die Läden sollen zu wichtigen Treffpunkten im Leben ihrer Kunden werden - das soll auch eine neue Werbekampagne vermitteln.
"Außerordentlich" erfolgreiches Jahr 2014
"Meet me at Starbucks", "Triff mich bei Starbucks", heißt der gut fünf Minuten lange Film, der einen durchschnittlichen Tag in 59 Filialen rund um die Welt abbilden soll. Freunde treffen sich, Paare küssen sich, Menschen gehen ihren Hobbies nach - und trinken dabei glücklicherweise auch noch Kaffee.
Vorherige Kampagnen hatten stets auf die neuen Produkte abgezielt, die das Unternehmen regelmäßig auf den Markt wirft. Trotz des neuen Ladenkonzepts wird sich daran wohl auch in den kommenden Jahren nichts ändern: Starbucks werde auch 2015 auf eine "robuste Pipeline von Innovationen" zurückgreifen können, sagte Unternehmens-CFO Scott Maw jüngst bei der Präsentation der Jahresergebnisse.
Beim Blick auf die Zahlen für 2014 mag man stutzen, dass die Kette derzeit so stark an ihren Strategieschrauben dreht: Bislang scheint die andernorts so stark zu spürende Krise des stationären Handels an Starbucks vorbeizuziehen. Im nun ablaufenden Jahr konnte das Unternehmen sowohl Umsatz wie auch Ergebnis im zweistelligen Prozentbereich steigern - den Nettoumsatz um 11 Prozent auf 16,4 Milliarden, das operative Ergebnis um 25 Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar. CEO Schultz nannte das Jahr "außerordentlich" erfolgreich.
Dass der Konzern nun trotzdem neue Konzepte einführt, dürfte der restlichen Handelswelt zusätzlich zu denken geben.