Blick in eine Poco-Filiale
Foto: Steinhoff InternationalDer oberösterreichische Möbelhändler XXXLutz übernimmt vom Krisenkonzern Steinhoff die Anteile an der deutschen Möbelkette Poco. Die XXXLutz-Gruppe freue sich über den Zuwachs von 123 Einrichtungshäusern mit fast 8000 Mitarbeitern in Deutschland mit einem Gesamtumsatz von 1,6 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen mit Sitz in Wels am Mittwochabend mit.
XXXLutz bestätigte damit entsprechende Medienberichte des "Handelsblatt" und der "Oberösterreichischen Nachrichten". Mit dem Deal sei auch der Rechtsstreit über Poco mit Steinhoff beigelegt worden, teilte XXXLutz weiter mit. In den nächsten Tagen sollen die Verträge erstellt und der Kauf der Anteile bei den Wettbewerbsbehörden angemeldet werden.
Laut "Handelsblatt" beträgt der Kaufpreis 266 Millionen Euro. Die Übernahme ist Teil eines Vergleichs zwischen den zerstrittenen Möbelkonzernen. In der juristischen Auseinandersetzung um die Poco-Anteile hätten sich die Vertreter des angeschlagenen Steinhoff-Konzerns und Andreas Seifert, Eigentümer der XXXLutz-Kette, bereits am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht Dortmund auf einen Vergleich geeinigt, so die Wirtschaftszeitung.
"Geeinigt wie die Pferdehändler"
Der Deal sieht vor, dass Steinhoff seinen 50-Prozent-Anteil an Poco für 266 Millionen Euro an den Konkurrenten Seifert veräußert. Steinhoff hatte Poco zuvor mit 650 Millionen Euro bewertet, Seifert mit 472 Millionen. Poco-Firmengründer Peter Pohlmann sagte dem "Handelsblatt" zufolge: "Wir haben uns geeinigt wie die Pferdehändler: Wir treffen uns in der Mitte." Laut Pohlmann muss seine Familienstiftung noch zustimmen.
Dies gilt aber offenbar als Formsache, denn: "Bei XXXLutz ist Poco besser aufgehoben, XXXLutz hat bessere Möglichkeiten als wir", wird Pohlmann zitiert. Ursprünglich hatten sich Steinhoff und die XXXLutz-Gruppe gemeinsam an Poco beteiligt. In der Folge machten sich Seifert und Steinhoff laut "OÖN" aber die Anteile streitig und warfen dem jeweils anderen schwere Vertragsverletzungen vor.
Der Kauf gelte vorbehaltlich der Genehmigung durch die Kartellbehörden, teilte XXXLutz weiter mit. Der Umsatz der XXXLutz-Gruppe steige mit der Übernahme auf 5,6 Milliarden Euro, die Mitarbeiteranzahl betrage nunmehr mehr als 30.000. Die Filialanzahl erhöht sich auf insgesamt 380. Poco werde weiter als eigenständige Einheit innerhalb der XXXLutz-Gruppe mit eigenem Management geführt. Die Zentrale bleibe in Bergkamen in Nordrhein-Westfalen.
Steinhoff steckt derzeit wegen eines Bilanzskandals, bei dem auch Poco ein Rolle spielt, in einer schweren Krise und kämpft ums Überleben. Der Konzern hatte sich in den vergangenen Monaten auch mit dem Verkauf von Aktienpaketen an Beteiligungen Liquidität verschafft. In Österreich wurde eine Leiner-Immobilie an Rene Benko notverkauft. Die Steinhoff-Aktien waren seit Bekanntwerden des Bilanzskandals um mehr als 90 Prozent abgestürzt.
Turbulente Zeiten beim Möbelriesen Steinhoff, Mutterfirma des Einrichtungsdiscounters Poco: Der Aktienkurs ist eingebrochen, Staatsanwälte untersuchen Unregelmäßigkeiten in der Bilanz. Eine mehr als 50 Jahre alte Erfolgsgeschichte gerät damit ins Wanken.
Der Chef ist schon weg: Nach 20 Jahren an der Spitze des Managements hat Markus Jooste den Posten abgeben müssen.
Noch vor drei Jahren war die Welt für Steinhoff in Ordnung: Firmengründer Bruno Steinhoff beim Börsengang in Frankfurt am Main.
Der Börsen-Umzug von Johannesburg (Südafrika) nach Frankfurt trug der Tatsache Rechnung, dass Steinhoff den Großteil seines Umsatzes und seiner Gewinne in Europa erwirtschaftete. An der Börse zeigte sich auch Chefaufseher Christoffel "Christo" Wiese (zweiter von rechts). Der südafrikanische Multimilliardär, der Jooste als Interimschef beerbte, musste inzwischen auch gehen. Die Gläubigerbanken verkauften sogar Aktien des bisherigen Großaktionärs.
Die Geschichte des mysteriösen Unternehmens begann im idyllischen Ammerland (im Bild: Badesee in Nethen).
Dort gründete Bruno Steinhoff 1964 das Vorgängerunternehmen des heutigen Konzerns, die "Bruno Steinhoff Möbelvertretungen und -vertrieb".
Schon bald strebte das Unternehmen danach, ein zweites Ikea zu werden. Ein Erfolgsrezept: Importe billiger Möbel aus dem Ostblock.
Die Schweden machten es ähnlich: Billy-Regale ließ der Konzern beispielsweise in der DDR fertigen - auch von Zwangsarbeitern.
Nach und nach baute Steinhoff ein Imperium mit Fertigungsstätten in Osteuropa, Afrika, Australien und Großbritannien auf.
Stars wie Daniela Katzenberg befeuerten das Wachstum in Kampagnen für Poco und andere Steinhoff-Marken.
Bayern-Star David Alaba gab sich für eine Werbeoffensive zugunsten der österreichischen Tochter Kika her. "I bin a Kika" sagt er in einem Werbesport.
Das Steinhoff-Portfolio wirkt seltsam heterogen: Zahlreiche Marken wie Puris, Conforama oder Abra Mele kamen in den vergangenen Jahren hinzu.
Synergieeffekte sind für Branchenkenner in weit geringerem Maße zu erkennen als bei Ikea. Die Schweden haben ihre Produkte weltweit hochskaliert und vertreiben es weitgehend unter einer Marke.
So unklar der operative Nutzen des Steinhoff-Sammelsuriums ist, desto klarer wird nach und nach der Nutzen für Bilanz und Steuerstrategie. Dubiose Transaktionen haben die Geschäftszahlen aufgebläht und zugleich Gewinne schmelzen lassen - zumindest dort, wo sie hoch zu versteuern wären.
Auch um die hohe Bewertung von Poco in der Bilanz gibt es juristischen Streit. Das operative Geschäft läuft indes offenbar auch nicht rund. Vom Gewinn blieb nach Steuern zuletzt kaum echtes Geld übrig - der Netto-Cashflow sackte auf 13 Millionen Euro. Gestiegen sind indes die Nettoschulden - von 2,9 auf 6,5 Milliarden Euro. Der Vertrauensverlust an der Börse erwischt Steinhoff somit in einer denkbar ungünstigen Lage.
In der Not versilbert: Der hoch verschuldete und wankende Möbelriese Steinhoff braucht dringend Geld - jeder Dollar, jeder Euro zählt. Um die Liquidität für das laufende Geschäft zu verbessern, hat der Konzern jetzt einen Jet des Typs Gulfstream 550 verkauft. Ausgestattet ...
... mit feinsten Ledersitzen, goldfarben schimmernden Wasserhähnen und Marmor im Bad sowie hochglanzlackierten Holzinnenausbauten bietet der Luxus-Flieger dieses Typs Platz für 16 Personen, heißt es. Die edle Ausstattung sollte Managern des Steinhoff-Konzerns die Zeit auf ihren Flügen zwischen Europa und Kapstadt in Südafrika möglichst angenehmen gestalten.
Welchen Preis der Makler erzielte, ist nicht bekannt. Die Maschine soll angeblich für knapp 25 Millionen Dollar zum Verkauf angeboten worden sein. Die Gulfstream sei ausgelegt für 12-Stunden-Flüge ohne Zwischenlandung - also ausreichend Zeit, um von Europa nach Südafrika zu gelangen. Die Steinhoff-Holding hat ihren Rechtssitz im niederländischen Amsterdam, ihr operatives Hauptquartier aber in Südafrika. Ihren vorerst letzten Flug ...
... ins wunderschöne Kapstadt (Bild) soll die Maschine am 3. Dezember 2017 angetreten haben. Kurz darauf brach über dem Steinhoff-Konzern alles zusammen, stürzte die Aktie nach Berichten über mögliche Bilanzfälschungen ins Bodenlose. Die Maschine selbst soll aber sicher nach Europa zurückkehrt sein. Ob auch ...
... Konzernchef Markus Jooste mit an Bord war, ist nicht bekannt. Nach 20 Jahren an der Spitze des Möbelhändlers, den er in atemberaubender Geschwindigkeit hinter Ikea zum weltweit zweitgrößten Möbelkonzern aufgebaut hatte, trat er 5. Dezember mit sofortiger Wirkung zurück.