Singles' Day 2019: Die japanische Sängerin Hanazawa Kana trat bei der großen Show in Shanghai auf
Foto: STR/ AFPAllen Anzeichen einer langsamer wachsenden chinesischen Konjunktur zum Trotz hat auch der diesjährige Shopping-Aktionstag Singles' Day in China wieder einen Rekord aufgestellt: Wie der Online-Konzern Alibaba am Montag mitteilte, wurde die Umsatzschwelle von einer Milliarde Dollar (907 Millionen Euro) bereits nach 68 Sekunden geknackt. In den ersten zwölf Stunden des Tages kamen dann über 27 Milliarden Dollar an Umsätzen zusammen.
Am Montagvormittag knackten die Erlöse dann den Wert vom Vorjahr von 30,7 Milliarden Dollar. Gegen 11.30 Uhr lag der Wert bei knapp 32 Milliarden Dollar. Der Shoppingtag wurde diesmal mit einer großen Show in Shanghai eingeläutet, bei der US-Star Taylor Swift auftrat. Zum Schluss wurde der Countdown zum Schnäppchentag heruntergezählt.
Der Singles' Day war 2009 von Chinas Online-Händlern als Gegenstück zum Valentinstag und nach dem Vorbild des sogenannten Black Friday der US-Internetwirtschaft ins Leben gerufen worden. Er liegt wegen der vier Einsen in Folge auf dem 11. 11. jedes Jahres. Mit Sonderangeboten sollen die vielen Unverheirateten des Landes über ihre Einsamkeit hinweggetröstet werden. Der Singles' Day ist der umsatzstärkste Einkaufstag in China - und mittlerweile der ganzen Welt. Er stellt auch den in den USA gehypten Verkaufstag Cyber Monday in den Schatten. An ihm wurden im vergangenen Jahr 7,9 Milliarden Dollar umgesetzt.
Erster Singles' Day seit dem Rückzug von Jack Ma
Für Alibaba dient der große Erfolg seines Verkaufstags, an dem in diesem Jahr zu ersten Mal auch Aliexpress und Lazada in Südostasien teilnahmen auch als Werbung: Schließlich will das Unternehmen noch in diesem Monat Aktien im Wert von 15 Milliarden Dollar an der Hongkonger Börse verkaufen.
Für Alibaba ist der diesjährige Singles' Day der erste seit dem Rücktritt von Gründer Jack Ma von der Unternehmensspitze. Viele Unternehmen begleiteten das Shopping-Event mit live Verkaufsübertragungen. Nachdem sich die Verkaufsveranstaltung in den vergangenen Jahren vor allem in Großstädten beworben wurde, hat der Onlinehändler dieses Jahr vermehrt auch die Bewohner kleinerer Städte und ländlicher Gebiete ins Visier genommen. Ein Klientel, dem sich bislang vor allem der Alibaba-Konkurrent Pinduoduo gewidmet hate.
2018 hatte Alibaba bei der mit dem "Black Friday" oder "Cyber Monday" vergleichbaren Aktion binnen 24 Stunden insgesamt rund 30 Milliarden Dollar umgesetzt. Das war zwar ein Plus von 27 Prozent zum Vorjahr, aber gleichwohl der prozentual geringste Anstieg in der zehnjährigen Geschichte des "Singles' Day".
Als "Herr der Blasen" hat das manager magazin Masayoshi Son beschrieben. Niemand hat so viel dazu beigetragen, die Firmenwerte auch verlustreicher Tech-Unternehmen nach oben zu treiben, wie Sons Softbank-Konzern - einst als Computerteilehandel gestartet. Doch inzwischen wachsen die Zweifel, ob der Meister der Finanzakrobatik seine vielen Milliardenrisiken noch im Griff hat.
Die Hauptquelle des Softbank-Vermögens liegt im chinesischen Internetkonzern Alibaba, in den die Japaner schon 2000 billig einstiegen. Mit Aktienkäufen machen sie immer wieder Kasse, allein im Juni verbuchten sie 11 Milliarden Dollar Gewinn - und blieben immer noch größter Alibaba-Anteilseigner mit 26 Prozent, weit vor Konzerngründer Jack Ma, der nun als Rockstar seinen Abschied gab. Zur Jahresmitte 2019 war das Alibaba-Paket von Softbank 105 Milliarden Dollar wert. Son lässt die Aktien verpfänden, für immer irrsinnigere Finanzwetten.
Mitte September 2019 präsentierte Son seinen neuesten Deal: Für 3,7 Milliarden Dollar übernimmt die Softbank-Tochter Yahoo Japan die Kontrolle über den Online-Modehändler Zozo. Dessen Gründer Yusaku Maezawa, ohnehin Milliardär, kann sich jetzt stärker der Punk-Musik, der Kunstsammlung und seiner geplanten Weltraumreise widmen. Die börsennotierte Holding Softbank KK, zu der auch die Anteilsmehrheit an Yahoo Japan gehört, stand zuletzt mit 44 Milliarden Dollar in den Softbank-Büchern.
Knapp 17 Milliarden Dollar hat Softbank 2016 und 2017 in den von Jean Liu geführten Fahrdienst Didi Chuxing investiert. Didi hat es mit dem Geld der Japaner zwar geschafft, sich in Chinas Städten zu etablieren. Um den für 2019 angedachten Börsengang wurde es jedoch still. Vorteil für Softbank: So muss der bislang immer nur gestiegene Didi-Firmenwert nicht nach unten korrigiert werden, wie es in den schon an die Börse gebrachten Beteiligungen geschah.
Bei der Büroplattform Wework musste Softbank die Notbremse ziehen. Der für September geplante Börsengang des Unternehmens, in den Softbak eine zweitstelligen Milliardenbetrag investiert hatte, wurde kurzfristig verschoben, nachdem sich der angepeilte Erlös mehr als halbiert hatte. Wework-Chef Adam Neumann musste seinen Posten räumen.
Wework ist eines der Aushängeschilder des Softbank Vision Fund, der auf fast 99 Milliarden Dollar angeschwollen ist - vor allem dank externer Geldgeber wie Saudi-Arabien. Die lassen sich den Einsatz jedoch mit 7 Prozent Garantiezinsen vergüten. Das Risiko tragen vor allem Softbank und deren Beschäftigte. Ihr Anteil am Fonds wird auf 32,5 Milliarden Dollar beziffert. Und im nun geplanten, noch größeren Vision Fund 2 war eigentlich noch mehr Einsatz von ihnen geplant.
Eine enorme Menge Geld hat der Vision Fund auch in Uber gesteckt: neun 1Milliarden Dollar. Dem US-Fahrdienst gelang der Börsengang im Mai, doch statt der ursprünglich erwarteten Bewertung von 120 Milliarden kamen nur 82 Milliarden Dollar heraus - zuletzt machte das Unternehmen vor allem mit Stellenstreichungen von sich reden.
Noch größer ist der Abschlag für Slack nach dem IPO im Juni. Hier stehen für den Vision Fund nur vergleichsweise überschaubare 413 Millionen Dollar im Feuer. Trotzdem nährt die Häufung schwächelnder Softbank-Investments die Sorge, dass bald im großen Stil Abschreibungen drohen. Viele der Beteiligungen haben die Japaner zu Höchstpreisen gekauft.
Neben dem Vision Fund ist der US-Mobilfunker Sprint mit einem Wert von 27 Milliarden Dollar eine der größten Softbank-Beteiligungen - und könnte durch die geplante Fusion mit der Telekom-Tochter T-Mobile neuen Wert heben. In Japan gehört Mobilfunk zum traditionellen Kerngeschäft des Konzerns, der solch profanen Dingen aber längst entwachsen ist.
Der britische Chiphersteller ARM ist eine der großen strategischen Investitionen von Softbank, mit Blick auf die Entwicklung künstlicher Intelligenz. 2016 nahm Masayoshi Son das Unternehmen für 32 Milliarden Dollar von der Börse.
Die Show muss weitergehen - vor allem auf Kredit. In der indischen Hotelkette Oyo finanzierten Softbanks japanische Hausbanken dem Gründer Ritesh Agarwal Anfang 2019 Aktienkäufe. Die von Agarwal angeführte Finanzierungsrunde verdoppelte Oyos Bewertung auf zehn Milliarden Dollar. Allein für den Softbank Vision Fund brachte das einen Buchgewinn von vier Milliarden Dollar. Zuletzt standen allerdings auch hier Stellenstreichungen an.
Noch sind die Kassen gut gefüllt, um weitere radikale Wetten abzuschließen. Dem in Südostasien aktiven Fahrdienst Grab hat Softbank 3,5 Milliarden Dollar spendiert, zwei Milliarden davon im Juli für die Expansion in Indonesien.
In Deutschland ist der Zahlungsdienstleister Wirecard prominentester Empfänger des Geldsegens aus Japan. Im April 2019 verkündete der Dax-Konzern, der gute Nachrichten wegen Zweifeln an seiner Bilanz gerade gebrauchen konnte, eine Finanzspritze von 900 Millionen Euro in Form einer von Softbank gezeichneten Wandelanleihe. Wirecard-Chef Markus Braun hofft vor allem darauf, dass unzählige Unternehmen mit Softbank-Beteiligung jetzt auf Wirecard-Dienste setzen.
Auch Auto1 hat Masayoshi Son zu einem der am höchsten bewerteten jungen Unternehmen der Welt gemacht. 460 Millionen Euro pumpte Sons Vision Fund Anfang 2018 in die Berliner Mutter von "wirkaufendeinauto.de" - und erhielt dafür ein Fünftel am Unternehmen.
Noch größer ist der Abschlag für Slack nach dem IPO im Juni. Hier stehen für den Vision Fund nur vergleichsweise überschaubare 413 Millionen Dollar im Feuer. Trotzdem nährt die Häufung schwächelnder Softbank-Investments die Sorge, dass bald im großen Stil Abschreibungen drohen. Viele der Beteiligungen haben die Japaner zu Höchstpreisen gekauft.
Foto: Richard Drew / AP