Bagger & Carrera-Bahn After Work im Spielzeugladen

So stark ist die Sehnsucht mancher Männer nach der Carrera-Bahn, dass es sie abends in die Spielzeugläden zieht
Foto: CorbisHannover - Vielleicht liegt es daran, dass sie nur noch selten Gelegenheit haben, mit einer Carrera-Bahn oder ferngesteuerten Hubschraubern zu spielen. Bei den Männerabenden in seinem Spielwarengeschäft blickt Heinz Lehmann ausnahmslos in glückliche Gesichter.
Mittlerweile bis zu fünfmal in der Woche stürmen 52 Erwachsene den Laden in Hannover, um sich zwischen Plüschtieren und Playmobil am Kicker, Billardtisch oder im Funkauto-Parcours zu beweisen. "Spiel, Spannung und ein paar Bier - mehr brauchen wir Männer nicht", beschreibt der 63-Jährige sein Erfolgskonzept.
Vor knapp vier Jahren gab es den ersten Männerabend, gedacht als einmalige Aktion für einen guten Zweck. Doch die begeisterte Resonanz ermutigte Lehmann, die Rallye für große Jungs regelmäßig anzubieten. Inzwischen haben etwa ein Dutzend Spielwarenhäuser in Deutschland die Idee übernommen, Lehmann wurde mit einem Innovationspreis ausgezeichnet.
In Großstädten hat es das klassische Spielwarengeschäft schwer
Das Konzept sei eine große Chance für Einzelhändler, meint der Geschäftsmann. Er selbst spürt die Konkurrenz durch das Internet enorm und will deshalb den Laden nach einem Ausverkauf zu einem Spielwaren-Eventhaus umgestalten.
Besonders in Großstädten hat es das klassische Spielwarengeschäft inzwischen schwer. Das Internet und große Ketten in Einkaufszentren graben den Familienunternehmen das Wasser ab. Die Händler müssten vielerorts neue Wege suchen, berichtet Willy Fischel, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels.
Männerabende seien eine tolle Idee, die Kundenbindung zu stärken. "Die Spielwarenwelt wird durch solche Events wieder trendy", meint Fischel. "Erwachsene sind ja nichts anderes als groß gewordene Kinder."
Die Stimmung beim Männerabend in Hannover liegt irgendwo zwischen Kindergeburtstag, Fußballstadion und Junggesellenabschied. Die meisten Teilnehmer sind im Alter von 30 bis 50 Jahren. An vielen Stationen wird gegrölt und sich abgeklatscht, beim Pokern herrscht dagegen angespannte Ruhe. Spielleiter Lehmann verteilt nach einer Stunde ofenwarme Brezeln, Bier gibt's von Beginn an.
Bagger, Tower Bridge, Star-Wars-Raumschiff
Urs Natzschka hat die Nacht im Spielwarenladen von seiner Frau zum 45. Geburtstag geschenkt bekommen. "Ich bin positiv überrascht von der lockeren, angenehmen Atmosphäre", sagt der vierfache Vater. "Hier wird das Kind im Manne wach." Ralph Sander ist gleich mit elf Freunden zusammen gekommen. "Es ist besser als jedes Computerspiel", lobt der Automobilkaufmann bei einer kurzen Verschnaufpause vor den Stationen Boccia und Knobeln.
Obwohl weniger Kinder geboren werden, sind die Umsätze des deutschen Spielwarenmarktes auf etwa 2,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gestiegen. Bei 38 Prozent liegt der Marktanteil der Fachgeschäfte, ein Viertel der Spielwaren wird aber bereits über das Internet umgesetzt. Erwachsene - insbesondere Männer - sind eine wichtige Zielgruppe.
Vom Bagger über die Tower Bridge bis hin zum Star-Wars-Raumschiff: Unter den Käufern von Lego Technic sind nach Unternehmensangaben bereits 15 Prozent erwachsene Männer, die die Sets für sich selbst kaufen. Seit 2010 spricht Lego Männer gezielt mit einer speziellen Internet-Seite an.
Die Männerabende sind zwar keine Tupper-Partys, doch es lässt sich mit ihnen Geld verdienen. Wenn der eine oder andere Helikopter gekauft werde, sei dies ein schöner Nebeneffekt, sagt Matthias Wiedmann vom Spielwarengeschäft Wiedmann in Backnang. In der Kleinstadt in der Nähe von Stuttgart gibt es seit knapp einem Jahr ein- bis zweimal im Monat eine Spielenacht. "Für uns ist es das Schönste zu erleben, wie Männer das Kind in sich entdecken", sagt der Junior-Chef.