

Jet.com-Chef Marc Lore ist dafür bekannt, keine kleinen Brötchen zu backen. Das war so beim 545-Millionen Dollar Verkauf seines Ecommerce-Startups Quidsi (diapers.com, soap.com) an Amazon. Und es ist auch diesmal bei der Übernahme von Jet.com durch Walmart der Fall,. Satte 3,3 Miliarden Dollar lässt sich der noch immer weltgrößte Einzelhändler den als Amazon-Schreck gestarteten Onlinehändler kosten.
Für Jet.com-Gründer Marc Lore keine schlechte Bilanz: Von Null auf 3,3 Milliarden Dollar in drei Jahren. Von denen Schätzungen zufolge rund 750 Millionen Dollar in Lores eigene Tasche fließen dürften. Hinzu kommt ein Job für Lore als E-Commerce-Verantwortlicher bei dem größten US-Einzelhändler.
Hinter den eigenen Zielen ist der Manager damit allerdings vorerst zurückgeblieben. Hatte er Jet.com-Investoren wie Accel, Bain Capital Ventures oder Goldman Sachs, die Berichten zufolge zwischen 500 und 800 Millionen in Jet.com gesteckt haben sollen, doch laut "Wall Street Journal" noch im Sommer eine Bewertung von 40 Milliarden binnen fünf Jahren zugesagt.
Es sind deutlich weniger geworden - allerdings in kürzerer Zeit. Und dass das mit den 40 Milliarden nicht so einfach werden würde, dürften sich die Investoren wohl schon gedacht haben, angesichts der Schwierigkeiten, mit denen sich der Amazon-Angreifer von Beginn an konfrontiert war.
Seine Pläne für ein Mitgliedschaftsmodell nach der Art von Amazon-Prime, das Kunden Zugang zu besonderen Schnäppchen 10 bis 15 Prozent unter Amazon-Preisen bieten sollte, zerschlugen sich bereits vor Monaten. Zu groß war vielen Investoren offenbar das Risiko, potenzielle Kunden zu verschrecken.
Und auch die Niedrigpreise, mit denen Jet.com Amazon Kunden abspenstig machen wollte, kamen das Start-up teuer zu stehen. Mangels Verfügbarkeit bestimmter Marken sah sich Jet.com offenbar gezwungen, Produkte über Drittseiten einzukaufen und dann deutlich unter dem Einkaufspreis an die eigenen Kunden weiter zu geben. Eine Vorgehensweise, die Jet.com teuer zu stehen kam - und dem Händler darüber hinaus offenbar Ärger mit einigen Händlern bescherte.
Auch nahm Jet.com dem Marktführer Amazon.com trotz durchaus vorhandener Kampfpreise nicht wirklich viele Kunden weg. Zwar kann der deutlich kleinere Wettbewerber nach eigenen Angaben mittlerweile monatlich rund 400.000 neue vorwiegend jüngere Kunden vorweisen. Doch eBay und Amazon werden diese deswegen offenbar noch lange nicht untreu. Für Amazon läuft es auch weiterhin glänzend.
Alleine 2015 verkaufte Amazon in den USA Produkte im Wert von annähernd 80 Milliarden Dollar. Rund 60 Prozent des gesamten Online-Wachstums in den Vereinigten Staaten gingen damit auf das Konto des Konzerns aus Seattle.
Dennoch kann der US-Handelsgigant eine Menge vom smarten Angreifer Lore lernen. Denn auch wenn Walmart Amazon bislang noch in den USA an Umsatz übertrifft, hat der Händler im E-Eommerce eine klare Schwäche.
Nur 2,5 Prozent der gesamten Verkäufe des Traditionshändlers finden bislang online statt. Und das Online-Wachstum hat sich in den vergangenen zwei Jahren sogar noch verlangsamt.
Kein Wunder, dass der Walton-Clan, der immer noch größter Anteilseigner an dem Handelskonzern ist, dringenden Handelsbedarf sieht - und sich von Lore einiges verspricht.
Zwar sollen die beiden Unternehmen auch in Zukunft getrennt voneinander geführt werden. Doch wie es heißt, soll Lore die Führung über die Online-Aktivitäten des Handelsgiganten bekommen.
Neben 400.000 vorwiegend jüngeren Kunden, von denen viele nicht zum klassischen Walmart-Klientel gehören dürften, bringt Lore jede Menge technisches Know-How mit.
So verfügt Jet.com über hochentwickelte Pricing-Instrumente, die unter anderem auch logistische Gesichtspunkte wie lokale Verfügbarkeit berücksichtigen und darauf ausgelegt sind, den Warenkorb auf Größe zu trimmen. Technisches Know-How, das sicher auch Walmart zu Gute kommen soll.
Zudem gilt Lore als kreativer Querdenker im Onlinehandel, der die Interessen der Kunden versteht und diese umzusetzen weiß.
Amazon jedenfalls hat wohl allen Grund, Lore jetzt noch besser als früher genauestens im Auge zu behalten.
Jet.com: 3,3 Milliarden Dollar zahlt der US-Handelsriese Walmart für den Amazon-Angreifer Jet.com um gegenüber der Marktmacht von Amazon auf Dauer bestehen zu können. Alleine hat der größte US-Einzelhändler das bislang nicht geschafft. Seit zwei Jahren ist das Online-Wachstum sogar rückläufig. Jetzt soll der gleich mitgekaufte Jet.com-Gründer Marc Lore es richten.
Dollar Shave Club: : Auch der britisch-niederländische Konsumgüterriese Unilever hat sich Digitalkompetenz für viel Geld eingekauft. Für geschätzt eine Milliarde Dollar kaufte Unilever erst kürzlich das Rasierer-Start-up Dollar Shave Club aus Kalifornien. Dollar Shave Club vertreibt mit einem "no-frills"-Modell Rasierklingen und Pflegeprodukte im Abo. Für Unilever bringt die Übernahme nicht nur Digitalkompetenz und 3,2 Millionen Kunden, sondern auch den Einstieg in ein neues, potenziell gewinnträchtiges Geschäftssegment.
Gett Auch Volkswagen , dessen Chef Matthias Müller noch im Sommer 2015 autonomes Fahren als einen durch nichts zu rechtfertigenden Hype bezeichnete, hat mittlerweile sein Herz für digitale Vermittlungsdienste entdeckt und will offenbar dazu lernen. Zu diesem Zweck steckte VW im Mai 300 Millionen in den Taxi-Vermittler Gett.
GM: Auch der US-Autobauer GM kaufte sich externe Digitalkompetenz ein - für 500 Millionen Dollar mit einem Investment in den Uber-Konkurrenten Lyft.
Daimler hat anders als viele andere Autobauer schon recht früh die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Branche erkannt und investiert - und gibt trotzdem weiter Millionen aus. So beispielsweise 2014 mit der Komplettübernahme der Taxivermittlungs-App MyTaxi, die gerade über einen Aktientausch mit dem Konkurrenten Hailo fusioniert wurde.
Continental Auch der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental hat sich in der Vergangenheit teuer Digitalkompetenz eingekauft. 2015 mit der intern extrem umstrittenen Übernahme des Erlanger Software-Spezialisten Elektrobit . Mit 600 Millionen Euro kostete der Zukauf immerhin mehr als doppelt soviel wie VWs Engagement bei Gett.
21 Jahre nach seiner Gründung ist Amazon heute einer der beherrschenden Akteure in internationalen E-Commerce. Rund ein Viertel aller Onlinebestellungen laufen in Deutschland über die Seite des Onlinehändlers. Und mit immer neuen Diensten und Geräten sorgt Amazon-Chef Jeff Bezos dafür, dass Amazon diese dominierende Position behält und weiter ausbauen kann. Innovationen, die Ergebnis einer ganz speziellen Unternehmenskultur sind, die der 52-Jährige in Seattle geschaffen hat und die nicht nur in Deutschland schon oft Objekt massiver Kritik war. Ohne ein fähiges Führungsteam, das es schafft, aus den möglichen Innovationen die besten heraus zu sieben und erfolgreich neue Geschäftsfelder zu erschließen, wäre Amazon allerdings nicht dort, wo es heute ist. Wer zu Bezos engstem Führungszirkel gehört und womöglich das Zeug zum Nachfolger hat (- auch wenn es derzeit keine Anzeichen für einen Wechsel gibt): Ein Überblick.
Werner Vogels - Amazons Technik-Gehirn Chief Technology Officer Werner Vogels ist einer der engsten Vertrauten von Bezos und einer seiner wichtigsten Botschafter. Der Niederländer, den Bezos bereits 2004 anwarb und den er ein Jahr später zum Technologiechef und Vizepräsidenten machte, gilt als einer der Väter der Amazon-Datenwolke, mit denen Amazon seit 2005 auch kleineren Unternehmen Zugriff auf flexible Rechenleistung gibt. Der hochintellligente und dennoch nahbare Manager mit einem Faible für niederländischen Fußball und Start-ups, nimmt für Amazon viele öffentliche Auftritte wahr und repräsentiert das Unternehmen nach außen. Als potenzieller Nachfolger kommt der mit einer Musikerin verheiratete zweifache Familienvater aber wohl eher nicht in Frage. Mit seinen 57 Jahren ist er älter als sein Chef Jeff Bezos.
Jeff Blackburn - der Dealmaker Jeffrey (Jeff) Blackburn verantwortet seit mittlerweile fast zehn Jahren die Entwicklung neuer Geschäftsfelder bei Amazon und ist damit ein entscheidender Dealmaker des Konzerns. 1998 nach einem Job bei der Deutschen Bank bei Amazon eingestiegen, hat der 45-Jährige Stanford-Absolvent bereits die unterschiedlichsten Jobs bei dem Onlineversender innegehabt und Erfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen gesammelt. So tütete er 2009 die vielbeachtete Akquisition des Online-Schuhhändlers Zappos ein, verantwortete zeitweise den europäischen Kundendienst, die Produktentwicklung und war für das operative Geschäft tätig. Für Bezos ist der bewährte Allrounder laut Insidern ein langjähriger Vertrauter, dessen Urteil er schätzt. Nachfolgepotenzial: durchaus vorhanden.
David Limp der Hardware-König Als Verantwortlicher für das Hardware-Geschäft war der Amerikaner für den grandiosen Flop des Fire Phone mitverantwortlich. Bei Amazon aber keinen Grund, den Hut zu nehmen. Schließlich glaubt Amazon-Chef Jeff Bezos fest an das Prinzip 'Trial and Error'. Limps letzte Vorstöße wie der interaktive Lautsprecher Echo, der Dash-Bestell-Button oder der neue Kindle scheinen da deutlich mehr Aussicht auf Erfolg zu haben. Als potenzieller Nachfolger für Bezos dürfte Limp, der vor seinem Amazon-Karrierestart vor sechs Jahren unter anderem bei Palm gearbeitet hat, aber wohl aufgrund seiner klaren Hardware-Ausrichtung weniger in Frage kommen.
Andy Jassy - Herr über die Wolke Der Harvard Absolvent führt mit der AWS einen der wichtigsten Geschäftsbereiche von Amazon, für den sich auch Jeff Bezos sehr interessiert. Wenig erstaunlich: Mit dem eher aus der Not heraus geborenen Amazon Web Services Geschäft hat Amazon eine viel beachtete Wachstumsgeschichte geschrieben. Und hängt mit einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent selbst Konkurrenten wie Microsoft, IBM, Salesforce und Google ab. Jassy selbst, der ursprünglich von Marketing kommt und bereits 2002 bei dem Onlinehändler anheuerte, hat die Erfolgsgeschichte AWS von Beginn an mitentwickelt. Und der 47-Jährige hat Bezos` Innovationsmanagement absolut verinnerlicht. Gute Voraussetzungen für eine potenzielle Nachfolge.
Jeff Wilke - der Chefhändler Vom Kundendienst über das Geschäft in Nordamerika bis hin zum kompletten internationalen "Consumer Business" Segment. Der 48-Jähige Wilke hat in seiner mehr als 16-jährigen Karriere bei Amazon bereits die unterschiedlichsten Jobs gemacht und den Onlinehändler bei seiner Entwicklung zum Handelsriesen begleitet. In Branchenkreisen gilt er daher als einer der unersetzlichsten Männer in Bezos Führungsteam. Und als einer mit den besten Aussichten Bezos womöglich einmal zu beerben.
Diego Piacentini - der Digitalstratege Als Vize-Präsident von Amazons internationalem Endkundengeschäft hat Piacentini in seinen 16 Jahren bei Amazon diverse Marketing- und Handelspositionen bekleidet. Und war lange - dank der anfänglichen Bezahlung mit Aktienotionen - einer der größten Aktionäre von Amazon. Dabei war Piacentini, den Bezos zuletzt mit dem Aufbau des Indien-Geschäftes betraute, nicht immer unfehlbar. Den Kindle, erzählte der ehemalige Apple-Manager einmal, habe er zunächst für keine gute Idee gehalten. Bezos habe ihn eines Besseren belehrt. Jetzt will Piacentini erst einmal andere eines Besseren belehren, nämlich die italienische Regierung. Ab Sommer 2016 nimmt er sich bei Amazon eine zweijährige Auszeit, um die italienische Regierung als Digitalberater zu unterstützen.