Nach CEO-Abschied Was Karstadt nach dem Abgang Sjöstedts droht

Geht nach fünf Monaten: Karstadt-Chefin Sjöstedt
Foto: Karstadt/ dpaHamburg - Sie wurde präsentiert als Hoffnungsträgerin, schwedisch, dynamisch und dann auch noch weiblich. Und dynamisch und voller neuer Ideen, so schien es, wollte sie ihren Job auch angehen. Nicht nur dass sie die Filialen abklapperte, um die Mitarbeiter kennenzulernen und sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Sie stellte sich auch selbst an die Kasse und gab freimütig Interviews zu ihrem Familienleben.
Doch mit der Hoffnung auf einen Rest heiler Welt ist es bei Karstadt nun offenbar vorbei. Nach nur fünf Monaten hat Sjöstedt hingeworfen. Von jetzt auf gleich.
Die Gründe dafür kommunizierte die Schwedin ungewöhnlich deutlich. Sie habe den Job in Essen in fester Annahme angetreten, "ein angeschlagenes, in einer sehr schwierigen Situation befindliches Unternehmen übernehmen und entwickeln zu dürfen", begründete Sjöstedt am Montag ihren Schritt. Dafür seien ihr von Seiten der Berggruen Holding "volle Unterstützung für meine Strategie und meine Investitionspläne für die 83 Warenhäuser zugesagt" worden. Nun habe sich jedoch herausgestellt, dass die Voraussetzungen für den von ihr "angestrebten Weg nicht mehr gegeben" seien.
Dass Anklagen wie die von Sjöstedt auf direktem Weg in die Öffentlichkeit gelangen, ist ungewöhnlich. "Das ist ziemlich bemerkenswert. Es scheint, dass sich die verschiedenen Interessengruppen im Konzern zumindest darüber einig sind, dass Berggruen sich jetzt erheblich stärker - auch und gerade finanziell - engagieren muss als bisher", sagt Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Berggruen wurde vom Retter zur Belastung für Karstadt
Entsprechend forderte auch der Verdi-Bundesvorstand Stefanie Nutzenberger angesichts des "bedauerlichen" Rücktritts von Sjöstedt dringend finanzielle Mittel für den anschlagenen Konzern. "Investitionen sind dringend nötig", sagte Nutzenberger.
Wirklich überraschend kommt der Rückzug Sjöstedts für die Branche allerdings nicht. Wetten, wie lange die Schwedin bei dem Warenhauskonzern durchhalten würde, liefen seit länger. Selbst einige Insolvenzverwalter sollen sich bereits in Stellung bringen.
Denn die Spielraum der Schwedin war schon bei ihrem Start minimal. Zwar verkündete sie wenige Wochen nach ihrem Jobantritt, den Filialen mehr Eigenverantwortung geben zu wollen. Auf finanzielle Hilfe von Eigentümer Nicolas Berggruen wartet man in Essen jedoch bislang vergeblich. Er zieht stattdessen Millionenbeträge aus der Firma, wie manager magazin bereits berichtete.
17 Millionen Euro pro Monat verbrannt
Unterdessen schrumpft der Umsatz des Warenhauses weiter. Zwar etwas langsamer als zuvor, wie es scheint. Doch alleine im Mai soll das Ergebnis laut "Bild" um 1,7 Prozent unter Plan gelegen haben, nach einem Umsatzminus von rund 10 Prozent im Vorjahr. Dass 2014 neuerliche Verluste zu verkraften sein werden, gilt als ausgemacht.
2012/2013 lag das Minus allein bei 127 Millionen Euro. Die Barmittel schmolzen bereits im September auf unter 100 Millionen zusammen - 200 Millionen Euro weniger als ein Jahr zuvor - was bedeutet, dass Karstadt in jedem Monat des abgelaufenen Geschäftsjahres durchschnittlich etwa 17 Millionen Euro verbrannt hat.
Und schon in wenigen Monaten - im Herbst - könnte sich die Situation finanziell noch weiter zuspitzen. Dann stehen nämlich die Einkäufe für das Weihnachtsgeschäft an - was mit hohen Zahlungsverpflichtungen verbunden ist. Der vom Vermieter Benko im Zuge der Luxushaus-Übernahme zugesagte Millionenbetrag wird allerdings nicht vor November eintreffen.
Ob Berggruen, der den insolventen Karstadt-Konzern im Juni 2010 für einen Euro übernommen hatte, tatsächlich Geld locker machen wird, ist äußerst unsicher.
Berggruen hält sich für "zu weich"
Schließlich hat er sich nach seinen Worten bislang eher "zu weich" als zu hart verhalten. "Ein normaler Investor hätte sich ganz anders benommen, viel härter, er hätte einen Teil der Läden geschlossen oder verkauft", erklärte er erst im Februar der "Süddeutschen Zeitung". Bislang hätten alle Änderungen nichts gebracht, fügte er damals hinzu. "Die Häuser, die wir saniert haben, funktionieren nicht besser als die Häuser, die wir nicht saniert haben."
Hinzu kommt die ständige Gefahr, dass Karstadt-Großvermieter Rene Benko Berggruen für einen Euro 75 Prozent der Anteile abnehmen und seinen Willen bei der Karstadt Warenhaus GmbH durchsetzen kann.
Schlechte Aussichten also. Ob es überhaupt eine Rettung für Karstadt geben kann, ist auch unter Handelsexperten umstritten.
In Essen übernehmen nach Sjöstedts Abgang kommissarisch nun erst einmal Finanzvorstand Miguel Müllenbach und Personalchef Kai-Uwe Weitz das Ruder. Ziel sei es nun, "mit dem erfahrenen Management die Sanierung von Karstadt entschlossen und unverzüglich anzugehen", heißt es dort.
Dass der Abschied der einstigen Hoffnungsträgerin Sjöstedt kein gutes Zeichen ist, ist den Beschäftigten klar. Ihr Rücktritt "ist keine gute Nachricht", erklärte Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt. "Weder für die Beschäftigten noch für das Unternehmen."