
Ausverkaufte Cebit-Eröffnung (2015 in Hannover mit Kanzlerin Merkel): Anfangs sprach Ma vor nicht mal einer Handvoll Zuhörern
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Berlin, Messezentrum. Dort findet im Jahr 2000 die Internet World statt. Ein kleiner, schmächtiger Chinese namens Jack Ma will dort sein soeben gegründetes Unternehmen namens Alibaba vorstellen. Der Raum bietet Platz für 500 Zuhörer, doch nur drei sitzen da. Ma hält trotzdem seine Rede. Danach sagt er zu seinen zwei begleitenden Mitarbeitern: "Macht euch keine Sorgen. Wenn ich hierher zurückkomme, wird die Bude voll sein."
15 Jahre später kommt er zurück nach Deutschland - zwar nicht nach Berlin, aber nach Hannover. Dort hält er im März 2015 zu Beginn der CeBit die Eröffnungsrede. Der Saal mit 2800 Gästen ist ausgebucht, selbst die Kanzlerin gibt sich die Ehre. Alle lauschen sie Ma, dessen Alibaba-Konzern inzwischen zu einem der größten Online-Unternehmen der Welt aufgestiegen ist. Alibabas gigantischer Börsengang in New York, der rund 25 Milliarden Dollar in die Kassen spülte, ist legendär.
Von Mister Nobody zum Weltstar in 15 Jahren - wer ist dieser dünne Mann, in dem so viel Energie steckt? Wie schaffte es dieser nur scheinbar unscheinbare Chinese, den amerikanischen Giganten Ebay zu besiegen?
Bislang wusste man relativ wenig über einen der reichsten Chinesen (geschätztes Vermögen: 22 Milliarden Dollar). Es kursieren ein paar witzige Videos über ihn, auf denen er zum Beispiel vor 20.000 Beschäftigten als singende Rockstar-Imitation auftritt. Aber wie gibt er den Ton im Unternehmen an, wenn er nicht singt? Wie managt er, wie führt er?
Asiatische Weisheiten und westliches Knowhow
Einblicke in Mas Führungsstil und Gedankenwelt gibt erstmals ausführlich Porter Erisman in seinem soeben erschienen Buch "Alibaba's World" mit dem ambitionierten Untertitel "How a remarkable Chinese company is changing the face of global business."
Der amerikanische Marketing- und PR-Experte Erisman war in der Gründungsphase einer der ersten Ausländer bei Alibaba. Das Einstellungsgespräch mit Ma dauerte damals fünf Minuten, dann bekam er den Job und ein Gehalt von 100.000 Dollar. Eine irre Zahl, denn die Gründer begnügten sich anfangs mit 60 Dollar im Monat. Aber Ma war von an Anfang an klar, dass er (teure) westliche Expertise braucht: "Wir kombinieren asiatische Weisheiten mit westlichem Knowhow."
Ma: "Wir starten einen Krieg mit Ebay"
In dieser Kombination fühlt er sich den US-Internetkonzernen überlegen, vor allem seinem Lieblingsfeind Ebay. Im Sommer 2003 hörte er, dass Ebay auf den chinesischen Markt kommen wolle. Ma fackelte nicht lange und stürmte in Porter Erismans Büro mit der Parole: "Wir starten einen Krieg mit Ebay."
Ma steckte sechs seiner besten Leute in Quarantäne. Wochenlang brüteten sie in Mas Apartment in Hangzhou aus, wie sie Ebay attackieren könnten. Sie erfanden die Plattform Taobao, die einiges anders machen sollte als Ebay, zum Beispiel beim Bezahlsystem. Zudem wurde ein Chat zwischen Käufern und Verkäufern ermöglicht. Taobao war viel besser auf den chinesischen Kunden zugeschnitten, während Ebay glaubte, sein US-Modell ohne große Adaptionen auf den chinesischen Markt übertragen zu können.
Die Folge: Taobao war viel erfolgreicher als Ebay. Das wurmte die damalige Ebay-Chefin Meg Whitmann. Typisch amerikanisch dachte sie: Wenn ich Taobao nicht besiegen kann, kaufe ich die Chinesen eben. Mehrmals trafen sich Whitman und Ma, dem aber die Überheblichkeit der amerikanischen Möchtegern-Aufkäufer missfiel. Ein Deal kam nicht zustande. Ende 2006 verabschiedete sich Ebay aus China.
103 Jahre alt soll Alibaba werden
Ma hatte nie die Absicht, zu verkaufen. Er will selber groß werden. Er denkt - typisch chinesisch - in ganz anderen Zeiträumen. Mindestens 80 Jahre - das war anfangs die Vorgabe - soll Alibaba überleben. Später korrigierte er diese Zahl nach oben - auf 103 Jahre. Wie kommt er auf diese krumme Zahl? Alibaba wurde 1999 gegründet. Wenn es mindestens 103 Jahre alte werden würde, würde es also auch noch im 22. Jahrhundert bestehen, also über drei Jahrhunderte hinweg existieren. So denkt kein Westler, aber eben ein Chinese, ein Jack Ma.
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Und Ma träumt von Größe. Der 50-Jährige, der das Unternehmen "nur" noch als Chairman führt, will den Alibaba-Konzern mit seinen vielen Töchtern (unter anderen Taobao, Tmall, Alipay) zu einem globalen Online-Konzern ausbauen. Auf den legendären jährlichen Kick-Off-Meetings, die aufgrund der großen Beschäftigtenzahl mittlerweile im Stadion von Hangzhou stattfinden müssen, schwört er stets seine Mitarbeiter ein. Es fallen Sätze wie: "Wir wollen mit Taobao nicht nur der größte Marktplatz Chinas schaffen, sondern den größten der Welt." Oder: "Eines Tages werden wir größer als Walmart sein. Einige werden denken, wir sind verrückt."

Erisman erinnert sich, dass Ma in den Anfangsjahren oft den legendären Intel-Mitgründer Andy Grove zitierte: "Nur die Paranoiden überleben." Geht es danach, haben Ma und Alibaba große Überlebenschancen.
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