Adidas neue Strategie Kasper Rorsteds große Wette

Höher, schneller, weiter: Adidas-Chef Kasper Rorsted hat seinen neuen Fünf-Jahres-Plan vorgestellt. Von dessen Erfolg hängt ab, ob der Däne als Held in die Konzerngeschichte eingeht – oder als Verlierer.
Plan mit drei Streifen: Bis 2025 hat Adidas-Chef Kasper Rorsted große Ziele

Plan mit drei Streifen: Bis 2025 hat Adidas-Chef Kasper Rorsted große Ziele

Foto: Sepp Spiegl / imago images/sepp spiegl

Ein bisschen gespenstisch mutet es an, wie Kasper Rorsted (59) da mutterseelenallein in der riesigen Eingangshalle der Adidas-Konzernzentrale in Herzogenaurach steht, wo sonst tagtäglich tausende Mitarbeiter hin- und her eilen. Das Setting ist natürlich Pandemie-bedingt, aber es ist auch ein hübscher Showeffekt für den großen Auftritt des CEO. Denn der erläutert in dem Webcast nicht nur die Geschäftszahlen des Corona-Jahres 2020, er präsentiert auch seinen neuen Strategieplan, mit dem er Adidas bis 2025 nach vorne bringen will.

Der Däne weiß: Alle gucken ihm zu - Investoren, Mitarbeiter, Konkurrenten. Zuletzt war Adidas gegenüber Wettbewerbern wie Nike und Puma zurückgefallen. Sneaker und Shorts von Adidas erschienen nicht mehr cool genug. Und im Corona-Jahr leistete sich der Adidas-Chef den einen oder anderen Patzer. So wuchsen Zweifel, ob Rorsted der richtige Vorstandschef ist, um Adidas zu neuem Wachstum zu führen. Vor allem intern gilt der CEO mit seinem kompromisslosen Shareholder-Value-Ansatz zunehmend als umstritten; eine Reihe von langjährigen Leistungsträgern verließ zuletzt den Drei-Streifen-Konzern .

Von der neuen Strategie hängt deshalb entscheidend ab, ob dem Dänen in seiner zweiten CEO-Amtszeit beim Sportartikler ähnliche Triumphe gelingen wie in seinen ersten Jahren 2017 und 2018 – oder ob die schwächeren Jahre 2019 und 2020 sein Leistungsbild prägen. Der Plan ist Rorsteds bisher größte Wette als Adidas-Chef.

Die erste Reaktion auf seinen Auftritt dürfte den CEO erfreut haben: An der Börse schnellte die Adidas-Aktie  von 280 Euro am Morgen auf bis zu 302 Euro hoch - nicht mehr allzu weit entfernt von ihrem Allzeithoch von gut 317 Euro. Bei den Investoren wirkt der Charme des CEO also nach wie vor.

Sportliches Vokabular

"Own the game" hat Rorsted seine neue Strategie genannt - "Mach das Spiel". Das sportliche Vokabular klingt ebenso wenig überraschend wie die Felder, die der CEO bis 2025 besonders in den Fokus nehmen will: Nordamerika und China als dominierende Märkte, mehr Frauen als Kundinnen, höhere Investitionen in die Markenpflege, den direkten Zugang zum Kunden digital wie stationär ausbauen sowie mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. Und die Aktionäre will er über Ausschüttungen und Aktienrückkäufe mit acht bis neun Milliarden Euro beglücken.

Die finanziellen Ziele, die er ausgibt, sind angemessen ambitioniert, aber in einem Markt wie Sportartikel, der bis 2025 etwa doppelt so stark wachsen dürfte wie die Weltwirtschaft insgesamt, auch nicht übermäßig ehrgeizig. Das mag Kalkül sein, denn Investoren lieben es bekanntlich, wenn die gelieferten Zahlen dann noch besser sind als die avisierten. Und wenn es darum geht, den Aktienkurs zu pushen, macht Rorsted niemand so schnell etwas vor.

Konkret will der CEO das Wachstumstempo von Adidas in den kommenden vier Jahren deutlich steigern. Um 8 bis 10 Prozent sollen die Erlöse bis 2025 pro Jahr im Durchschnitt steigen. Der Schlüssel dazu ist der Umbau von Adidas von einem Hersteller zu einem "Direct-to-consumer"-Konzern.

So sollen Onlinehandel und der Verkauf über eigene Läden vier Fünftel zum geplanten Umsatzwachstum beisteuern. Die Hälfte des Umsatzes will Rorsted damit künftig ohne den Umweg über andere Einzelhändler erlösen. Allein im Internet will die Nummer 2 am Weltmarkt im Jahr 2025 acht bis neun Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaften, das wären etwa doppelt so viel wie 2020.

Der Ausbau im "Direct-to-comsumer"-Bereich könnte den ganzen Konzern beschleunigen. Weil Adidas seine Kunden immer besser kennenlernt, kann der Konzern seine Produkte schneller entwickeln, sie genauer auf sie zuschneiden und Mengen bei den Herstellern bestellen, die sich dann auch zu optimalen Preisen verkaufen lassen. Bisher ist die Zeit von der Produktentwicklung über die Herstellung bis zum Kunden in der Sportartikelbranche noch relativ lang; Modehersteller etwa sind oft deutlich schneller. Adidas kämpft schon seit Jahren darum, schneller zu werden - mit überschaubarem Erfolg.

Konzentration auf Kernsegmente

Die neue Kundennähe soll natürlich auch den Gewinn pushen. Die operative Marge will Rorsted bis 2025 auf 12 bis 14 Prozent schrauben, den Gewinn im Schnitt um 16 bis 18 Prozent im Jahr steigern. Basis für diese Ziele ist 2021. Das Corona-Jahr 2020 mit seinem Umsatz- und Gewinneinbruch taugt hierfür nicht; zudem steht der Verkauf der seit Langem fußlahmen US-Tochter Reebok bevor.

Ein Element von Rorsteds Plan erscheint riskant. Der CEO will seine Marke komplett auf die fünf wichtigsten Produktkategorien ausrichten: Fußball, Running, Training, Outdoor und Lifestyle. In jedem Segment soll Adidas global die Nummer eins oder zwei sein. 95 Prozent des Umsatzwachstums sollen die fünf Kategorien bis 2025 einspielen. Damit setzt Rorsted zwar die Strategie seines Vorgängers Herbert Hainer (66) fort, der bereits den Verkauf des Golf- oder Eishockey-Geschäfts angeschoben hatte. Aber Rorsted schiebt so auch zahlreiche Nischenmärkte an den Rand, in denen Adidas seit Langem tätig ist und wo der Konzern gegen Weltmarktprimus Nike punkten konnte.

Riskante Attacke

Insofern ist die neue Priorisierung auch ein Frontalangriff auf den mächtigen Erzrivalen - mit dem Risiko, dass dessen Vorsprung noch weiter wächst, wenn Adidas in den fünf Märkten nicht genügend coole Produkte aufbieten kann.

Als Rorsteds Vorgänger, der heutige FC-Bayern-München-Präsident Hainer, vor genau sechs Jahren seinen letzten Strategieplan mit dem etwas sperrig klingenden Titel "Creating the New" vorstellte, kämpfte sich Adidas auch gerade aus einem Leistungsloch. Aber mit den neuen Zielen setzte Hainer seine Truppe noch mal so unter Strom, dass Adidas wieder voranstürmte und der Aktienkurs eine Rallye begann.

Auch sein Nachfolger Rorsted profitierte von dem Plan: Einen Gutteil seiner Erfolge in den ersten Amtsjahren verdankt er seinem Vorgänger (was er auch mehrfach eingeräumt hat). Ob es Rorsted nun selbst gelingt, seinem Nachfolger einen ähnlichen Dienst zu erweisen, hängt von seiner großen Wette ab.

An Rorsted soll es natürlich nicht liegen. "Das Wichtigste an einer Strategie ist, dass sie auch umgesetzt wird", hat er mal gesagt.

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