Kindle-Konkurrent "Der Tolino ist ein Zuschussgeschäft"

Die Hoffnung des deutschen Buchhandels: Der eBook-Reader Tolino
Foto: Weltbildmm: Herr Halff, der Tolino ist jetzt ungefähr seit zwei Monaten auf dem Markt. Wie läuft das Geschäft? Erfüllt die Zauberwaffe gegen Amazons Kindle die Erwartungen?
Halff: Wir sind sehr zufrieden. Die Zahlen, die wir bis jetzt erreicht haben, liegen deutlich über unseren ehrgeizigen Plänen.
mm: Was heißt das konkret? Bislang lag der Anteil von Weltbild, Hugendubel und Thalia bei den eBooks ja laut GfK bei rund 36 Prozent - und damit etwas niedriger als die 41 Prozent von Amazon . Glauben Sie, dass Sie gegenüber Amazon hier Boden gut machen können?
Halff: Wir gehen davon aus, dass wir gegenüber Amazon etwas zulegen konnten. Konkrete Zahlen soll es aber erst Anfang Mai geben.
mm: Die kleinen Buchhändler sind beim Tolino ja erst einmal nicht dabei. Es wird aber angeblich daran gearbeitet, auch ihnen eine Plattform zu bieten. Wie ist da der Stand?
Half: Wir sind ein offenes System und haben auch andere Partner eingeladen, sich anzuschließen. Der Anschluss ist aber technologisch aufwendig. Es finden Gespräche statt. Ich gehe davon aus, dass weitere Partner dazukommen. Aber zum Zeitplan kann ich heute noch nichts sagen.
mm: Es hat viele erstaunt, dass sie und die anderen beteiligten Unternehmen, von denen die meisten bislang ja schon mit begrenztem Erfolg eBooks vertrieben haben, jetzt zusammen ein System starten. Viele halten den Zug angesichts des Erfolges von Amazon längst für abgefahren. Und auch in den USA haben Kindle-Konkurrenten wie Nook von Barnes & Noble extrem zu kämpfen. Was hat Sie bewogen, jetzt noch einmal einen Neustart zu wagen?
Halff: Der eBook-Markt ist immer noch ein Nischenmarkt. Der Marktanteil lag 2012 laut Gfk bei 3 Prozent. Er entwickelt sich aber ab 2013/2014 zu einem Publikumsmarkt. Für eine Firma wie Weltbild ist jetzt der richtige Zeitpunkt, größer einzusteigen. Wir waren aber auch in den letzten Jahren schon mit Einstiegsgeräten unterwegs und haben auch einige Hunderttausend dieser Geräte verkauft. Und wir haben einige hunderttausend eBook-Kunden. Nein, da wurde noch nichts versäumt. Der große Markt liegt noch vor uns.
mm: Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie?
Halff: Das Wachstum im gesamten Markt, aber auch bei uns, ist enorm. Wir gehen davon aus, dass sich der Markt in Deutschland in diesem Jahr mindestens verdoppeln wird. Und eBooks bis zum Jahr 2015 etwa einen Marktanteil von 15 bis 25 Prozent haben werden.
mm: Wie sieht es mit den Geräten aus, die sie vor dem Tolino vertrieben haben. Werden die vom Markt verschwinden?
Halff: Wir werden im Schwerpunkt das Tolino-Gerät einsetzen. Und es wird ja nicht bei diesem einen Gerät bleiben. Und andere Geräte, die wir in der Vergangenheit vertrieben haben, verlieren zunehmend an Bedeutung. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir die ganz auslaufen lassen.
"Wir müssen standhalten"
mm: Denken sie, dass sie mit dem Tolino auch Kunden gewinnen können, die der Kindle nicht bekommt - eventuell wegen fehlender Beratung?
Halff: Am Ende reden wir natürlich über die gleichen Käufer. Aber bei der Anwendung einer neuen Technik gilt es natürlich immer, eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden. Ich denke, das geht jedem so. Da ist es hilfreich, wenn man mit einem Buchhändler drüber reden kann.
mm: Der Kindle an sich ist für Amazon bekanntermaßen ein Minusgeschäft. Der Tolino bewegt sich in einer ähnlichen Preisklasse. Ist er auch für sie erst einmal ein Verlustgeschäft?
Halff: Es ist ein Zuschussgeschäft. Aber wir müssen hier einfach standhalten. Wir müssen unsere Kunden gewinnen für unser System. Und dieser Marktpreis, der ist ja irgendwo gesetzt, den kann man jetzt auch nicht mehr groß überschreiten. Da arbeiten alle irgendwo preislich auf Augenhöhe.
mm: Abseits des Geschäfts mit elektronischen Büchern hat der Buchhandel auch mit der Amazon-Konkurrenz durch den Versand klassischer Bücher zu kämpfen. Sehen sie hier im Handel wirksame Strategien, der US-Konkurrenz irgendetwas entgegenzusetzen? Sind beispielsweise Joint-Ventures, wie sie Thalia in der Schweiz mit dem Zusammengehen mit Orell-Fuessli betreibt, die Zukunft?
Halff: In den einzelnen europäischen Ländern und insbesondere im deutschsprachigen Raum werden die nationalen Firmen in irgendeiner Form zusammenarbeiten oder zusammengehen. Außerdem glaube ich, dass die Zukunft in offenen Systemen liegt, bei denen Nutzer Inhalte auch von anderen Anbietern beziehen können.
mm: Das heißt, wir werden eine weitere Konsolidierung sehen?
Half: Ich gehe davon aus.
mm: Ist denn ein Ende des Buchhandelsterbens in Sicht?
Halff: Die Zukunft im Medienbereich ist digital und wird in Zukunft die dominierende Rolle einnehmen. Und da wir von gesättigten Märkten sprechen, geht das natürlich auf Kosten anderer Bereiche.Und das ist der stationäre Buchhandel. Über die genauen Zahlen kann man spekulieren. Aber die Tendenz ist absehbar.
Auch wir haben in den letzten Jahren viele Buchhandelsflächen geschlossen. Es gibt Mietverträge, es gibt Betreiberpflichten. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich dieser Prozess über einige Jahre hinziehen wird. Aber in fünf Jahren ist durchaus denkbar, dass die Verkaufsfläche um die Hälfte geschrumpft ist.
Test: Tolino und Kindle im Vergleich