Flucht vor Carly
Raus aus dem Hamsterrad. Die Zukunft selbstständig gestalten. Eine wirklich kreative Phase erleben. Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Die Argumente, mit denen Jörg Menno Harms (60) begründet, warum er frühzeitig seinen Posten als Deutschland-Chef der Computerfirma Hewlett-Packard (HP) räumt, klingen wie wohlfeile Formeln aus dem Handbuch der Selbstverwirklichung.
Dann plötzlich fällt er, der verräterische Nebensatz: "Ich wollte meinen Ausstieg nicht als Opfer erleiden." Mit anderen Worten: Wäre Harms nicht freiwillig gegangen, hätte die neue HP-Chefin, Carly Fiorina (45), wohl nachgeholfen.
Die Gelegenheit für einen geräusch- losen Abschied ist günstig: Weil Hewlett-Packard-Europa-Chef Franz Nawratil (62) regulär in den Ruhestand geht, wird der Aufsichtsratsvorsitz für die deutsche GmbH frei.
Ab Anfang Mai übernimmt Harms den bedeutungslosen Posten - obwohl er noch gut und gern zwei, drei Jahre die Deutschland-Tochter des US-Computerbauers hätte führen können.
Doch für Manager vom Schlage Harms, der das deutsche Tochterunternehmen leitet, als sei es ein selbstständiges Gebilde, ist kein Platz mehr bei Hewlett-Packard. Wie alle USamerikanischen Technologiekonzerne setzt mittlerweile auch das Traditionsunternehmen aus dem kalifornischen Palo Alto auf radikale Zentralisierung.
Will heißen: Bei den internationalen Ablegern von IBM, Compaq, Dell - und nun auch Hewlett Packard - regeln Anweisungen aus dem Headquarter bis ins kleinste Detail, welche Ziele die Landesorganisationen wie zu erreichen haben.
Klare Vorgaben für Wachstum, Marge oder Marketingstrategie lassen den Regionalchefs so viel Freiheit wie "eine Zwangsjacke", klagt ein Hewlett-Packard-Manager, der frustriert die Böblinger Zweigstelle verließ.
Zur Implementierung der Order von oben taugen Landesfürsten mit ganz eigenen Vorstellungen beim besten Willen nicht. Daher wird die Aufgaben des deutschen HP-Chefs in Zukunft einer der Geschäftsbereichsleiter nebenbei erledigen.
Die Führung bei HP-Frankreich mutiert ebenfalls zum Nebenjob. Lokalmatador Yves Couillard hat die Zeichen der Zeit erkannt und plant seinen Ausstieg.
Nicht einmal die Europa-Zentrale in Genf erhält einen neuen Vollzeitrepräsentanten. Der Nachfolger von Europa-Chef Nawratil - im Gespräch ist der mittlerweile beschäftigungslose Verantwortliche für das Jahr-2000-Problem, Bernard de Valence - muss ebenfalls hauptberuflich ein operatives Geschäftsfeld leiten.
Viel zu tun hätte ein Regionalmanager bei Hewlett-Packard sowieso nicht mehr. Die einzelnen Geschäftsbereiche berichten schon an ihre Chefs in der Zentrale. Nun werden auch interne Aufgaben wie Controlling, Recht oder Personal stärker als bisher international koordiniert.
Den Landesherren bleiben neben der Pflichterfüllung also nur ein paar Repräsentationsjobs. Da kümmert sich Jörg Menno Harms lieber um junge Hightech-Unternehmer.
Eva Müller