Deutschlands Top 100 Familienunternehmen Wer sich Sorgen machen muss – und wer nicht

Deutschlands große Familienunternehmen haben ihre Umsätze meist kräftig gesteigert und sitzen auf hohen Cash-Reserven. Allerdings hat sich vor der aktuellen Krise eine Zweiklassengesellschaft gebildet, wie die große Überblicks-Grafik zeigt.
Conti-Großaktionäre Maria und Georg Schaeffler: Mal wieder Ärger mit Conti

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Foto: Julian Stratenschulte/ picture alliance / dpa

"Wir verdienen so viel wie nie – trotz Halbleiter-Mangel und stockenden Lieferketten." Mit diesen Worten versuchte VW-Chef Herbert Diess (63) während einer Betriebsversammlung im Juli Bedenken zu zerstreuen, der Autoriese könne wegen Teilemangel und Energiekrise den Anschluss an die Weltspitze verlieren. Und die Zahlen von 2021 geben ihm recht: Der von den Familien Porsche und Piech kontrollierte Konzern mit rund 660.000 Mitarbeitern hat im Vorjahr nicht nur seinen Umsatz um 12 Prozent auf 250 Milliarden Euro gesteigert, sondern konnte wegen der langen Wartelisten auch überwiegend die renditestarken Modelle verkaufen. Unter Deutschlands großen Familienunternehmen steht er damit nicht allein da: Auch BMW (Familien Quandt und Klatten) verzeichnete 2021 ein Umsatzplus von 12 Prozent. Der Corona-Gewinner und Biotech-Zulieferer Sartorius schaffte sogar ein Umsatzplus von 50 Prozent .

Insgesamt erzielten die 100 größten von Familien und familiennahen Stiftungen kontrollierten Unternehmen Deutschlands im zweiten Corona-Jahr 2021 einen addierten Umsatz von 1,34 Billionen Euro. Dies sind rund 90 Milliarden Euro oder 7,1 Prozent mehr als 2020. Der Wert 2021 liegt außerdem deutlich über den Umsätzen des Vorkrisenjahrs 2019. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse von Binz & Partner, einer auf Familienunternehmen spezialisierten Stuttgarter Anwaltskanzlei, zu den 100 größten Familienunternehmen Deutschlands. "Die Mehrzahl der deutschen Familienunternehmen hat das Jahr 2021 gut genutzt, um das erste Corona-Jahr wieder wettzumachen", sagt Mark Binz, Seniorpartner der Kanzlei.

Allerdings gibt es unter den Top 100 Familienunternehmen  auch die andere Seite. Neben Gewinnern wie Sartorius, Wacker Chemie oder VW stehen große Unternehmen, die bereits im Jahr 2021 Schwäche und zweistellige Rückgänge beim Wachstum zeigten. Dazu gehört der Autozulieferer Continental (minus 10 Prozent), der zum Leidwesen des Großaktionärs Schaeffler durch einen zähen Streit über die Verantwortung beim Diesel-Skandal gelähmt wird.  Auch Großschlachter Tönnies (in Besitz der streiterprobten Familie Tönnies) musste 11 Prozent Umsatzrückgang hinnehmen, beim IT-Dienstleister Bechtle waren es 9 Prozent. Für Continental und Co dürfte das laufende Jahr mit den aktuellen Verwerfungen umso schwieriger werden.

Autoindustrie und Handel bestimmen die Top 10

Die Top 10 der Familienunternehmen in Deutschland kommen aus den Bereichen Autoindustrie, Handel und Gesundheit. VW bleibt mit 250 Milliarden Euro Umsatz unangefochten auf Platz 1 im Ranking, gefolgt von der Handelsgruppe Schwarz (Lidl, Kaufland) mit 125 Milliarden Euro Umsatz, dem Autobauer BMW (Familien Quandt/Klatten) mit 111 Milliarden Euro sowie dem Lebensmittel-Discounter Aldi Nord und Süd (Familien Albrecht) mit geschätzt 103 Milliarden Euro. Auf Platz 5 rangiert der Gesundheitskonzern Fresenius (kontrolliert von der Else Kröner-Fresenius Stiftung) mit 38 Milliarden Euro. Der Umsatzschwund von 10 Prozent auf 34 Milliarden Euro hat den Autozuliefer Continental (Familie Schaeffler) auch den Platz unter den Top 5 gekostet.

Bei den Top 50-Familienunternehmen, die den weitaus größten Teil der hier aggregierten Umsätze erzielen, lag das Wachstum im Jahr 2021 bei durchschnittlich 7,3 Prozent. Wachstumschampions waren 2021: Wieland (+36 Prozent), Wacker Chemie (+32 Prozent), Rhenus (+30 Prozent), Dachser (+27 Prozent), Altana (+22 Prozent), Viessmann Werke (+21 Prozent), Vaillant (+21 Prozent), Fuchs Petrolub (+21 Prozent), Knauf (+20 Prozent) und Carl Zeiss (+20 Prozent). Die absoluten Spitzenreiter beim Wachstum waren der Logistiker Hellmann (+61 Prozent) und Sartorius (+48 Prozent). Hellmann profitierte dabei vom Boom der Logistik-Branche und Sartorius konnte seine starke Position als Zulieferer für Corona-Impfstoffe nutzen. "Die Schere zwischen Über- und Unterperformern klaffte 2021 weiter auseinander als in den Jahren vor Corona", sagt Binz.

Weniger Beschäftigte als vor der Corona-Krise

Trotz des robusten Umsatzwachstums ist die Zahl der Mitarbeiter der 100 größten deutschen Familienunternehmen im Jahr 2021 lediglich um 1,3 Prozent auf nunmehr 4,57 Millionen Beschäftigte gestiegen. Im ersten Corona-Jahr 2020 war die Beschäftigtenzahl um 2 Prozent gesunken, der erste Rückgang seit 4 Jahren. Dies hat jedoch nicht nur mit Konjunktursorgen zu tun, sondern vor allem mit der schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt: "In vielen Bereichen haben auch die Familienunternehmen Probleme, geeignetes Personal zu rekrutieren, vor allem ausgewiesene Fachkräfte", erklärt Binz.

"Aktuell werden viele Veränderungsprozesse in den großen Familienunternehmen von den Auswirkungen des Ukrainekriegs überlagert. Dabei wird leicht übersehen, mit welchem Engagement die Familienunternehmen ihre Resilienz gesteigert haben, um gestärkt aus den Krisen hervorzugehen," erklärt Binz, der auch dem Aufsichtsrat der börsennotierten Optikerkette Fielmann vorsitzt. Zudem seien viele Familienunternehmen dabei, die Themen Nachhaltigkeit und ESG trotz der aktuell schwierigen Marktsituation voranzutreiben.

Nach Gewinnsprung: Mit ausreichend Eigenkapital die nächste Krise meistern

Knapp die Hälfte der Top 100 Familienunternehmen (43) hat für das Jahr 2021 ihr operatives Betriebs-Ergebnis ausgewiesen. Das addierte EBIT kletterte von 42 Milliarden Euro auf 77 Milliarden Euro, also um satte 84 Prozent. 38 von 43 Familienunternehmen verdienten mehr als im Jahr zuvor, keine einzige Gesellschaft wies Verluste aus. Binz wundert das nicht: "Die großen Familienunternehmen schöpften 2021 nach dem ersten Pandemie-Jahr finanziell wieder Kraft. Dies ist besonders wichtig, weil das Gros der Firmen damit mit Rückenwind in das schwierige Geschäftsjahr 2022 gestartet ist."

Die Einschätzung finanzieller Stabilität wird auch durch die Analyse der Eigenkapitalquoten bestätigt. Bei 46 Unternehmen liegen diese für 2021 vor. 36 von diesen 46 Unternehmen steigerten ihre EK-Quote. Nur zwei Unternehmen (Metro und Ceconomy) weisen 2021 eine EK-Quote von unter 20 Prozent aus. "Die hohen Eigenkapitalquoten zeigen, wie solide und damit resilient die großen Familienunternehmen in der letzten Dekade gewirtschaftet haben", sagt Binz. "Die Reserven sind als Puffer ein unschätzbarer Vorteil, sollte die Weltwirtschaft in eine Phase der Stagflation oder gar Rezession steuern."

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