Berliner Bär vor der Verwaltung der Stromnetzgesellschaft
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Der schwedische Energiekonzern Vattenfall bietet dem Land Berlin an, das Stromnetz der Hauptstadt komplett zu übernehmen. Vattenfall habe alle Anteile an seinem Tochterunternehmen Stromnetz Berlin GmbH zum Kauf angeboten, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Damit sollten die jahrelangen Auseinandersetzungen um die Stromkonzession beendet werden, begründete Vattenfall das Angebot.
Das Land will das Angebot annehmen. "Wir übernehmen ein gutes Unternehmen", sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (63, SPD) auf einer kurzfristig organisierten Pressekonferenz. Der Kaufpreis müsse noch geklärt werden, er sehe da aber kein großes Konfliktpotenzial. "Unserem Ziel einer Rekommunalisierung der Strominfrastruktur kommen wir damit einen entscheidenden Schritt näher", sagte Bürgermeister Michael Müller (55, SPD).
"Es war eine schwierige Entscheidung für Vattenfall, Stromnetz Berlin zum Verkauf zu stellen", erklärte der scheidende Konzernchef Magnus Hall (61). Doch die Aussicht auf weitere Jahre gerichtlicher Auseinandersetzung stellten nicht nur eine Belastung für das Unternehmen dar, sondern erschwerten auch Entscheidungen über die anstehenden Milliardeninvestitionen. "Daher möchten wir in einem großen Schritt die verfahrene Situation überwinden", erklärte Hall.
Vattenfall in Deutschland auf dem Rückzug
Der staatseigene schwedische Konzern hat sich einer beschleunigten Energiewende verschrieben. In Deutschland ist Vattenfall, vor wenigen Jahren noch einer der vier großen Stromproduzenten, auf dem Rückzug.
Das Kerngeschäft mit der ostdeutschen Braunkohle wurde 2016 an die tschechische EPH-Holding von Milliardär Daniel Křetínský (45) abgegeben - und die Schweden zahlten auch noch drauf. Das erst 2014 gestartete Steinkohlekraftwerk Hamburg-Moorburg ist noch in Betrieb, wurde aber jüngst bilanziell abgeschrieben, was einen schnellen Ausstieg erleichtern würde.
Das Geschäft mit Vertrieb, Verteilung und Management von Energie passt zum neuen grünen Modell - doch hier kollidieren Vattenfalls Interessen mit den Ambitionen der Städte Berlin und Hamburg sowie darüber hinaus gehenden Volksinitiativen für öffentliche Kontrolle der Netze.
Jahrelanger Rechtsstreit noch ungelöst
Um den Betrieb des Berliner Stromnetzes wird seit Längerem auch juristisch gerungen. Der Senat aus SPD, Grünen und Linken hat sich zum Ziel gesetzt, zwischenzeitlich privatisierte zentrale Infrastrukturen zu rekommunalisieren. Der 2012 zu diesem Zweck gegründete Landesbetrieb Energie Berlin setzte sich voriges Jahr in einem Verfahren zur Neuvergabe der Konzession für das Berliner Stromleitungsnetz für die kommende 20 Jahre durch.
Für die Vergabe ist ein spezielles Gremium bei der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen zuständig, der Auswahlprozess erfolgt nach den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes. Das Verfahren zog sich dabei über mehrere Jahre, formal lief die bisherige Konzession 2014 aus. Nach der Entscheidung ging der bisherige Konzessionsinhaber, die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin, aber erfolgreich vor Gericht gegen die Entscheidung vor.
Das betraf allerdings lediglich ein vorgeschaltetes sogenanntes Eilverfahren. Eine detailliertere und abschließende Klärung des Sachverhalts würde erst in einem mutmaßlich sehr langwierigen sogenannten späteren Hauptsacheverfahren vor Gericht erfolgen.
Milliardendeal noch vor der Berliner Wahl 2021
Vattenfall will nach eigenen Angaben dem Berliner Senat noch vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im kommenden Jahr die Möglichkeit geben, eine Rekommunalisierung der Stromnetze umzusetzen. "Mit dem Kaufangebot wollen wir den Weg für eine neue Qualität in der Kooperation mit dem Land Berlin ebnen", erklärte die designierte Konzernchefin Anna Borg (49).
Die Transaktion könnte dem Unternehmen zufolge im ersten Halbjahr 2021 erfolgen. Das Angebot steht demnach noch unter dem Vorbehalt der zuständigen Gremien und einer Zustimmung der Kartellbehörden. Einen Kaufpreis nannte Vattenfall nicht. Laut Finanzsenator Kollatz könnte er "irgendwo in der Mitte" zwischen einer und drei Milliarden Euro liegen.