Berger erwartet Dammbruch bei Solartechnik und Batterien "Das Geschäft der Versorger gerät in große Gefahr"

Solaranlage: "Der Weg zu erneuerbaren Energien kommt allen deutschen Unternehmen zugute"
Foto: DPAmm: Herr Henzelmann, die größten westlichen Industrienationen (G7) haben den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in diesem Jahrhundert beschlossen. Ein Grund zum Jubeln für die Solarindustrie?
Henzelmann: Der Beschluss ist keine Revolution, aber ein klares Signal. Er bestätigt die europäische Energiepolitik der vergangenen Jahre: Der Weg zu erneuerbaren Energien ist richtig. Das kommt allen deutschen Unternehmen zugute, nicht nur den Firmen aus der Solarindustrie. Denn es geht um Elektroautos, sparsame Heizsysteme, effiziente Maschinen. Viele Branchen werden also profitieren.
mm: Von noch mehr Staatshilfen im Stil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)?

Torsten Henzelmann ist Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Seine Schwerpunkte sind Energie und Infrastruktur.
Henzelmann: Staatliche Förderungen spielen eine immer marginalere Rolle. Viele Technologien wie die Photovoltaik sind in den vergangenen Jahren deutlich günstiger geworden. Das ist der wichtigste Grund, weshalb wir rasantes Wachstum im Solarsektor erwarten. Allein in Europa wird sich der Anteil von Solarstrom am Energiemarkt in den kommenden 15 Jahren vervierfachen - auf mindestens 12 Prozent.
mm: Das klingt gar nicht nach so besonders viel. Hierzulande sind es jetzt schon etwa 7 Prozent. Und Deutschland ist nicht eben sonnig.
Henzelmann: Der Trend reicht jedenfalls, um die traditionellen Energieversorger in eine schwierige Lage zu bringen. Vor allem das hochprofitable Geschäft mit Privat- und kleineren Gewerbekunden ist in großer Gefahr.

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mm: Ohne gesetzlichen Einspeisetarif wie im EEG lohnt sich eine Solaranlage aber in der Regel nur, wenn der Besitzer den Strom überwiegend selbst verbraucht.
Henzelmann: Batteriespeicher ermöglichen das inzwischen. Wer eine Solaranlage mit Batterie kauft, erwirbt ein System, das sich von selbst trägt. Eine solche Investition ist sehr sinnvoll.
mm: Batterien sind immer noch recht teuer. Selbst in den Kalkulationen der Hersteller ist gespeicherter Solarstrom nur wenige Cent günstiger als Strom vom Versorger. Und Elektrizität aus dem Netz ist zuletzt sogar wieder billiger geworden.

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Henzelmann: In unserer aktuellen Untersuchung zum Speichermarkt rechnen wir damit, dass die Batteriepreise in den kommenden Jahren weiter fallen werden. Heute kostet es noch etwa 12,4 Eurocent, eine Kilowattstunde Strom im Akku zu speichern. In fünf Jahren erwarten wir Kosten in Höhe von nur noch etwa 2 Cent.
mm: Dieser Preisverfall in der Batterieindustrie erinnert an die Solarbranche. Streichen die deutschen Hersteller bald die Segel, weil China und US-Elektroautobauer Tesla mit seiner Gigafactory viel billiger produzieren?

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Henzelmann: Die deutsche Industrie ist in verschiedenen Bereichen der Batterie-Wertschöpfung gut vertreten. Am Angang der Kette sind es große Chemiekonzerne, die stark in den Aufbau von Kathodenmaterial und Elektrolyte investieren. Die deutschen Autohersteller spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie brauchen Qualitätsprodukte in großer Zahl für ihre Elektroautos und haben etablierte Vertriebskanäle. Die deutsche Industrie nimmt sich des Themas entlang der Wertschöpfungskette auf breiter Front an. Die Chancen stehen gut, dass es nicht zu einer negativen Entwicklung wie bei der Solarindustrie kommt.