
Solarkraftwerk nahe der Stadt Xianning
Foto: Song Weixing / dpaIn den Überresten des "Solar Valley" von Bitterfeld könnte sich jetzt Schadenfreude ausbreiten - oder Sorge, dass nach der deutschen Solarindustrie nun auch die globale vor dem Kollaps steht. Denn die chinesischen Hersteller, einst die Sieger in einem brutalen Preiswettbewerb und Subventionswettlauf, fegt es nun selbst vom Markt.
Yingli, einst als "nationaler Champion" gefeiert und zur globalen Marke bis hin zum Sponsoring der Fußball-Weltmeisterschaften 2010 und 2014 aufgebaut, ist insolvent. Hanergy, dessen Aktienboom Gründer Li Hejun zeitweise zum reichsten Chinesen machte, wurde im Juni nach vier Jahren ausgesetztem Handel von der Börse Hongkong genommen. Die Rangliste der größten Modulhersteller dominieren weiterhin chinesische Firmen, aber sie kämpfen um Anteile auf einem schrumpfenden Weltmarkt.
Das liegt vor allem an einem abrupten Kurswechsel in der Heimat. Mitte 2018 stoppte der chinesische Staat plötzlich die Subventionen für neue Solaranlagen. Laut dem Branchendienst "Bloomberg New Energy Finance" brachen die Investitionen in erneuerbare Energien in China daraufhin von 122 Milliarden auf 86 Milliarden Dollar 2018 ein, in der ersten Jahreshälfte 2019 schrumpften sie um weitere 39 Prozent.
"Das ist wahrscheinlich ein Tiefstand", beruhigt der verantwortliche Politiker Li Junfeng vom Planungsministerium gegenüber der "Financial Times". "Die neue Politik ist noch nicht da, und die alte Politik wurde gestoppt." Die neue Politik der Planer heißt Netzparität: Solarprojekte sollen sich dort durchsetzen, wo sie auch ohne Einspeisevergütung mit den Produktionskosten von Strom aus fossilen Quellen mithalten können. Wegen des Preisverfalls für die Module ist das vielerorts schon heute möglich. Allerdings hat sich auch Kohlestrom erheblich verbilligt.
Vorbild Deutschland - Eine gute Zeit, um auf die Bremse zu treten?
Ein Motiv der Planer war wohl auch, die Staatskasse zu schonen. Denn der Solar- und Windkraftboom der vergangenen Jahre hat ein Defizit von 200 Milliarden Yuan (25,5 Milliarden Euro) in dem Fonds für die Einspeisevergütung hinterlassen. Zugleich konnte das Umweltministerium an diesem Mittwoch stolz melden, China habe das selbstgesetzte CO2-Sparziel für 2020 (gemessen an der CO2-Intensität der Wirtschaft) bereits jetzt vorzeitig erreicht.
Die grüne Industrie scheint reif, um ohne Staatshilfe am Markt zu bestehen, zugleich geraten die Kosten außer Kontrolle - wohl ein guter Zeitpunkt, um auf die Bremse zu treten; ganz ähnlich wie Deutschland sein Erneuerbare-Energien-Gesetz vor drei Jahren reformierte.
Zur laufenden Klimakonferenz in Madrid beteuert die Pekinger Führung, man halte an den Klimaschutzzielen fest. Die Entwicklung am Markt spreche aber eine andere Sprache, warnt Ted Nace, Leiter der Organisation Global Energy Monitor. China "ersäufe" den globalen Fortschritt im Klimaschutz "im Alleingang".
Hunderte Kohlekraftwerke, die seit 2016 gestoppt wurden, würden nun doch gebaut, mit einer Kapazität in Höhe des gesamten EU-Bestands. Oft stünden dahinter Provinzregierungen, die sich um Verluste ebenso wenig scherten wie um die Ziele aus Peking, sehr wohl aber um den drohenden Abschwung. Gegen diese Konkurrenz dürften die Erneuerbaren es in Zukunft schwer haben, so kostengünstig sie auch inzwischen sein mögen.
Was in der Solarindustrie begann, steht nun auch in anderen Greentech-Branchen an: bei Elektroautos und in der Windkraft.
Sogar die nationalen Champions sehen sich als Opfer
Für die E-Mobilität ist China unbestritten der Leitmarkt, mit einem Anteil von 56 Prozent an den Neuzulassungen aller Batteriefahrzeuge weltweit im ersten Halbjahr. Doch im Juni wurde nach kurzfristiger Ankündigung auch die Förderung für Elektroautos erheblich gekürzt. Für Autos mit weniger als 250 Kilometer Reichweite gibt es nun gar keinen Zuschuss mehr, für andere nur noch die Hälfte. Zugleich wurden Push-Faktoren wie geplante Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor in Metropolen abgeschaltet.
Seitdem schrumpft der bis dahin stark gewachsene Markt von Monat zu Monat stärker. Im Oktober betrug das Absatzminus gegenüber dem Vorjahr satte 46 Prozent. Selbst im Vergleich zum schon länger schrumpfenden gesamten Automarkt dürfte sich der Elektroanteil auf das Gesamtjahr 2019 gesehen gerade noch stabil halten. Die Zeiten der jährlichen Verdopplung sind vorerst vorbei.
Theoretisch könnte der Schnitt als Mittel der staatlichen Industriepolitik gesehen werden: um den Wildwuchs zu beenden und die Kraft der Branche auf einige starke Player zu konzentrieren. Bei Elektroautos haben die Chinesen es geschafft, heimische Marken zu etablieren, während die Top 5 des konventionellen Automarkts noch immer ausländische Konzerne sind, angeführt von Volkswagen. Auch hier heißt die Hoffnung, dass sinkende Batteriekosten E-Mobile bald ohne Subventionen preislich konkurrenzfähig machen.
Doch sogar die nationalen Champions sehen sich als Opfer. Man stehe "unter enormem Druck", sagte Ma Fanglie, Geschäftsführer der Elektroautosparte von BAIC, auf der Automesse Guangzhou im November. Mehr Unterstützung vom Staat werde gebraucht. Der staatliche Hersteller führt mit seinem Modell EU-Series bislang die Verkaufslisten für E-Autos an.
Last-Minute-Boom in der Windkraft - mit Verfallsdatum
Die Windkraftindustrie, in Deutschland gerade tief in Krisenstimmung, erlebt in China noch einen Boom - doch auch der trägt ein Verfallsdatum. Die Einspeisevergütung für neue Windräder wurde von der Planbehörde im Mai gesenkt. 2020 soll es nur noch 0,75 Yuan pro Kilowattstunde geben, 2021 für Anlagen an Land gar nichts mehr, zum Jahresende ist dann auch auf See Schluss mit Subventionen.
Solange das Geld noch fließt, werden jetzt so viele Neubauten realisiert wie möglich. Wegen des starken Heimatmarkts werden im kommenden Jahr zehn der 15 führenden Turbinenhersteller der Welt Chinesen sein, prophezeit der Branchendienst Wood Mackenzie.

Die Reihen lichten sich: Die größten Windradbauer der Welt
Goldwind, vor einigen Jahren kurzzeitig schon einmal an der Branchenspitze, werde sich immerhin wieder auf Platz zwei hinter der dänischen Vestas vorarbeiten. Der chinesische Konzern verdoppelt seine Produktionskapazität gerade auf Anlagen mit 14 Gigawatt Leistung jährlich - langfristig in der Hoffnung auf Exporterfolge, die sich bislang kaum einstellten. Es könnte jedoch auch die Überkapazität von morgen werden.
In zehn Jahren sieht Wood Mackenzie andere vorne: Der Markt werde dann zu 60 Prozent drei Westkonzernen gehören - Vestas, Siemens, General Electric -, die heute über "darwinistischen Verdrängungswettbewerb" klagen. Sie wären die Gewinner, wenn sich ab 2021 die von ihrem Staat verlassenen Chinesen wieder aus dem Wettbewerb abmelden. Laut Internationaler Energieagentur geht es dann leider auch global mit dem Windkraftmarkt abwärts.