Zu geringe Nachfrage Uniper stoppt Pläne für Flüssiggas

Kein Schiff wird kommen: Skizze für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven
Foto: Uniper / youtube
Kein Schiff wird kommen: Skizze für das LNG-Terminal in Wilhelmshaven
Foto: Uniper / youtubeIn Wilhelmshaven wird vorerst kein Terminal für verflüssigtes Erdgas (LNG) gebaut. Die Projektgesellschaft LTeW (LNG Terminalgesellschaft Wilhelmshaven) stelle die bisherigen Planungen auf den Prüfstand, da die Nachfrage für eine Fortsetzung des Projekts nicht ausreiche, teilte der Energiekonzern Uniper am Freitag mit. Die Gesellschaft, die zu 100 Prozent Uniper gehört, überlege nun neue Optionen, wie der Standort Wilhelmshaven als Importhafen für umweltfreundliches Gas genutzt werden könne. Langfristig sei auch der direkte Import von Wasserstoff eine Option.
Es gebe zu wenig konkretes Interesse von Partnern, dort Kapazitäten für Importe des Rohstoffes fest zu reservieren, erklärte Uniper. Die Absichten der Marktteilnehmer reichten für eine "Fortsetzung in bisheriger Form" nicht aus. Man prüfe nun eine geringere Dimension und kürzere Laufzeit.
Nach Uniper-Angaben wurde ein Verfahren zur Ermittlung des konkreten Interesses beendet. "Zahlreiche Unternehmen hatten teilgenommen und ihr allgemeines Interesse erklärt, aber zu wenige hatten verbindliche Buchungen vorgenommen", hieß es. "Die Projektgesellschaft überlegt nun mehrere neue Optionen, wie der Standort Wilhelmshaven als Importhafen für umweltfreundliches Gas genutzt werden kann." Dabei könne es langfristig auch um die Einfuhr von Wasserstoff gehen.
Verflüssigtes Erdgas gilt als Ersatz für Pipelinegas, mit dem Mitteleuropa derzeit den Großteil seines Energiebedarfs zum Heizen, für die Industrie und einen Teil der Stromproduktion deckt. Die Röhren liefern Gas zumeist aus russischen Quellen. Als LNG-Lieferant führt Katar weltweit, ist mit der Nachfrage zu hohen Preisen aus Ostasien aber gut ausgelastet. Auch die USA wollen ihr mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnenes Gas in großem Maßstab nach Europa exportieren und sind aus diesem Grund strikt gegen den Weiterbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland. An diesem Projekt ist Uniper ebenfalls beteiligt, hat sich wegen des politischen Drucks aber bereits darauf eingestellt, die fast fertige Milliardeninvestition womöglich abschreiben zu müssen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten hat Deutschland bislang kein LNG-Importterminal. Ohne Staatshilfe wäre ein solches Projekt kaum wirtschaftlich. Neben Wilhelmshaven laufen auch in Brunsbüttel, Stade und Rostock Planungen für LNG-Terminals. In Wilhelmshaven wurde bereits im Juli bekannt, dass der von Uniper gewählte Standort wegen eines Biotops in der Jademündung umweltrechtlich nicht infrage komme. Der Konzern wollte stattdessen eine schwimmende Plattform mit Unterseepipeline bauen, würde damit aber noch näher an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer rücken.
Uniper ist aus dem traditionellen Energiegeschäft des Dax-Konzerns Eon hervorgegangen und wird inzwischen vom finnischen Staatskonzern Fortum kontrolliert.
Diese Rohre sollen nicht umsonst liegen: In Lubmin an der deutschen Ostseeküste ist alles bereit für die aus Russland stammende Gaspipeline Nord Stream 2, die derzeit gebaut wird. Die EU sieht das 9,5-Milliarden-Euro-Projekt kritisch und hätte es fast mit einer neuen Gasrichtlinie torpediert - doch im Februar schlossen Deutschland und Frankreich noch einen Kompromiss. Nur noch ein kleines Teilstück in dänischen Gewässern fehlt, auch dieses ist genehmigt. Auf den letzten Kilometern drohen die USA mit Sanktionen gegen die am Bau beteiligten Firmen.
In Deutschland wird Nord Stream vor allem mit dem Einfluss des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (74) zugunsten des russischen Staatskonzerns Gazprom verknüpft. Schröder zog 2005 kurz nach seiner Abwahl als Vorsitzender in den Aktionärsausschuss der Schweizer Nord Stream AG ein - vertritt dort aber auch die Interessen mehrerer großer westlicher Konzerne.
Die BASF-Tochter Wintershall Dea ist mit 15,5 Prozent an der Nord Stream AG beteiligt, der die 2011 eröffnete erste Ostseepipeline gehört. Beim Nachfolgeprojekt Nord Stream 2 gilt Gazprom als Alleineigentümer und die westlichen Partner als Finanzinvestoren, die je ein Zehntel der Baukosten (derzeit geschätzt auf 950 Millionen Euro) tragen. Diese Struktur wurde als Reaktion auf EU-Kritik an der Röhre gewählt, die osteuropäische Länder wie Polen, Ukraine oder Weißrussland für den Gastransit entbehrlich macht.
Für Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren (49) steht mit Nord Stream einiges auf dem Spiel. "Russland ist für Wintershall die wichtigste Region! Und Russland bleibt für Wintershall die wichtigste Region", beteuerte der Manager 2018. "Im Interesse der europäischen Kunden" sei die auch von den USA betriebene Kritik "sicher nicht".
Wintershall arbeitet schon seit Jahrzehnten mit Gazprom zusammen. In Westsibirien ist das deutsche Unternehmen an zwei großen Erdgasfeldern beteiligt, aus denen der Stoff über Nord Stream in deutsche Heizungen, Industriebetriebe oder Kraftwerke strömt. 2015 tauschte Wintershall seine Anteile an der deutschen Gashandels und -speicherfirma Wingas gegen weitere Förderlizenzen in Russland.
Für den Mutterkonzern BASF - in der neuen Industriestrategie der Bundesregierung namentlich als schützenswerter "Champion" genannt - ist Wintershall nicht nur einer der wichtigsten Gewinnbringer. Das Erdgas aus Russland wird auch als Grundstock für die Chemieproduktion ebenso wie als Brennstoff für die werkseigenen Kraftwerke gebraucht.
Wintershall ist schon Deutschlands größter Öl- und Gasproduzent. Mit der Übernahme der bisher von Maria Moraeus Hanssen (53) geführten Hamburger Dea soll Mehrens Firma aber auch zu einem "europäischen Key Player" aufsteigen, der mit den globalen Multis mithalten kann. Der russische Vorbesitzer von Dea, Michail Fridman, ist nun als Partner von BASF Großaktionär von Wintershall Dea.
Neben Wintershall ist auch der österreichische Wettbewerber OMV, geführt von Ex-Wintershall-Chef Rainer Seele, mit einem Zehntel der Anteile an Nord Stream 2 beteiligt. Seele (59) sieht die US-Sanktionen als "Schlag gegen Europa und den engen Bündnispartner Deutschland" und fordert Gegensanktionen.
Ebenfalls ein Zehntel trägt der Energiekonzern Uniper. Erfolgreicher als in Deutschland, wo beispielsweise das moderne Gaskraftwerk Irsching nur noch als Netzreserve gebraucht wird, betreibt Uniper auch mehrere Gaskraftwerke in Russland selbst - ebenso wie der Uniper-Großaktionär Fortum aus Finnland, der deshalb auf russischen Druck vorerst nicht beim Düsseldorfer Konzern durchgreifen darf.
Die ehemalige Uniper-Mutterfirma Eon hat zwar ihre bis in die 70er Jahre zurückreichende strategische Russland- und Erdgasorientierung längst aufgegeben. An der Nord Stream AG verdient sie aber trotzdem weiter mit. Die PEG Infrastruktur, der 15,5 Prozent der ersten Ostseepipeline gehören, wurde 2016 von Uniper an Eon übertragen. Der Transaktionswert wurde damals auf eine Milliarde Euro beziffert.
Das Projekt ist aber nicht bloß deutsch-russisch. Der französische Konzern Engie unter Führung von Isabelle Kocher (53), einer der größten Betreiber von Gasinfrastruktur und Gaskraftwerken in Europa, trägt ebenfalls ein Zehntel zu Nord Stream 2 bei und hält 9 Prozent an der alten Nord Stream AG. Wegen des starken Interesses von Engie sorgte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Überraschung, als er die deutsch-französische Blockade gegen die EU-Gasdirektive vorübergehend auflöste.
Unbeirrt hinter Nord Stream stehen hingegen die Niederlande. Im gleichen Maß wie Engie ist der Konzern Gasunie an der alten Leitung beteiligt. Die Staatsfirma baut auch in Deutschland weiter die Verteilnetze aus. In der Heimat steht Gasunie wegen Erdbeben im Gasfördergebiet Groningen in der Kritik. Die Niederlande fahren ihre Produktion - die wichtigste heimische Erdgasquelle der EU - zurück. Auch deshalb werden russische Lieferungen wichtiger.
Der niederländisch-britische Multi Shell ist erst bei Nord Stream 2 eingestiegen, mit 10 Prozent wie die anderen westlichen Partner. Shell ist traditionell eher fürs Ölgeschäft bekannt, seit der Übernahme von British Gas 2016 aber auch der weltgrößte Produzent von verflüssigtem Erdgas. Dieses LNG wird von den Nord-Stream-Kritikern aus EU und USA als Alternative zu russischem Gas beworben. Der Transport per Pipeline ist jedoch erheblich billiger, sicherer und verlässlicher - und dieses Geschäft will sich auch Shell-Chef Ben van Beurden (60) nicht entgehen lassen.
Für all diese Konzerne könnte Nord Stream 2 zum Risiko werden, wenn die USA Sanktionen verhängen. Gestoppt wird das Projekt aber wohl kaum. Die Verlegearbeiten in der Ostsee sind bereits weit fortgeschritten. Mehr als 2100 Kilometer Röhren liegen bereits am Meeresgrund (nur 147 Kilometer fehlen), im wahren Wortsinn versenkte Kosten. Noch in diesem Jahr wollen die Projektpartner den Betrieb eröffnen.
Neben den langfristigen Interessen geht es auch um kurzfristige Aufträge für die deutsche Wirtschaft. 41 Prozent der 200.000 Rohre sollen von der Mülheimer Gesellschaft Europipe kommen, einem Gemeinschaftsbetrieb der Stahlkonzerne Salzgitter und Dillinger Hütte (hier bei einem Besuch der damaligen saarländischen Ministerpräsidentin und heutigen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer).
Am meisten auf dem Spiel steht allerdings für den russischen Staatskonzern Gazprom und seinen Chef Alexej Miller (57). Die Russen suchen zwar seit Jahren nach anderen Absatzmärkten vor allem in Ostasien, wo Erdgas auch zu deutlich höheren Preisen verkauft wird. Für große Gasmengen aus Westsibirien ist das jedoch zu weit entfernt. Russland ist vom Gasverkauf nach Westeuropa mindestens so abhängig wie Europa von Gaslieferungen aus Russland. Der direkte Weg zum Hauptabsatzmarkt Deutschland durch die Ostsee spart Transitgebühren - was die Pipeline zugleich zum wirtschaftlichen Vorteil und zum geopolitischen Instrument macht.
Ebenfalls ein Zehntel trägt der Energiekonzern Uniper. Erfolgreicher als in Deutschland, wo beispielsweise das moderne Gaskraftwerk Irsching nur noch als Netzreserve gebraucht wird, betreibt Uniper auch mehrere Gaskraftwerke in Russland selbst - ebenso wie der Uniper-Großaktionär Fortum aus Finnland, der deshalb auf russischen Druck vorerst nicht beim Düsseldorfer Konzern durchgreifen darf.
Foto: Tobias Hase/ dpaDer niederländisch-britische Multi Shell ist erst bei Nord Stream 2 eingestiegen, mit 10 Prozent wie die anderen westlichen Partner. Shell ist traditionell eher fürs Ölgeschäft bekannt, seit der Übernahme von British Gas 2016 aber auch der weltgrößte Produzent von verflüssigtem Erdgas. Dieses LNG wird von den Nord-Stream-Kritikern aus EU und USA als Alternative zu russischem Gas beworben. Der Transport per Pipeline ist jedoch erheblich billiger, sicherer und verlässlicher - und dieses Geschäft will sich auch Shell-Chef Ben van Beurden (60) nicht entgehen lassen.
Foto: AFPNeben den langfristigen Interessen geht es auch um kurzfristige Aufträge für die deutsche Wirtschaft. 41 Prozent der 200.000 Rohre sollen von der Mülheimer Gesellschaft Europipe kommen, einem Gemeinschaftsbetrieb der Stahlkonzerne Salzgitter und Dillinger Hütte (hier bei einem Besuch der damaligen saarländischen Ministerpräsidentin und heutigen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer).
Foto: Oliver Dietze/ dpaAm meisten auf dem Spiel steht allerdings für den russischen Staatskonzern Gazprom und seinen Chef Alexej Miller (57). Die Russen suchen zwar seit Jahren nach anderen Absatzmärkten vor allem in Ostasien, wo Erdgas auch zu deutlich höheren Preisen verkauft wird. Für große Gasmengen aus Westsibirien ist das jedoch zu weit entfernt. Russland ist vom Gasverkauf nach Westeuropa mindestens so abhängig wie Europa von Gaslieferungen aus Russland. Der direkte Weg zum Hauptabsatzmarkt Deutschland durch die Ostsee spart Transitgebühren - was die Pipeline zugleich zum wirtschaftlichen Vorteil und zum geopolitischen Instrument macht.
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