Großbritanniens bizarre Atom-Pläne Das teuerste Kraftwerk seit es Elektronen gibt

Bestehendes Atomkraftwerk Hinkley Point: Der benachbarte Neubau soll mindestens 31 Milliarden Euro kosten.
Foto: REUTERS


Bestehendes Atomkraftwerk Hinkley Point: Der benachbarte Neubau soll mindestens 31 Milliarden Euro kosten.
Foto: REUTERSAtomkraft? Ja bitte! In Großbritannien hält die Regierung eisern an der Stromerzeugung aus Kernbrennstäben fest - und gerät deshalb zusehends unter Druck.
Es geht dabei weniger um Ängste oder Umweltbedenken. Vielmehr stellt sich fünf Jahre nach dem Atomunglück von Fukushima immer deutlicher heraus, dass der geplante Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point technisch verdammt aufwändig ist. Und deshalb den Zeit- und Kostenrahmen zu sprengen droht.
Auf satte 31,1 Milliarden Euro taxiert die Europäische Kommission die Kosten für das 3260-Megawatt-Kraftwerk inklusive Finanzierungskosten, so weit schon länger bekannt. Das Geld für das wohl teuerste Kraftwerk aller Zeiten sollen die britischen Stromkunden mit Milliardensubventionen aufbringen, die die deutsche Ökostromförderung geradezu billig erscheinen lässt.
Selbst das Wohlfühl-Paket reicht nicht aus
Der Staat bittet dabei die Verbraucher über eine Umlage zu Kasse, die der deutschen EEG-Umlage ähnelt. Der französische Kraftwerksbetreiber EdF soll auf diese Weise etwa 11 Euro-Cent pro Kilowattstunde erhalten. Das ist nicht nur mehr, als für deutschen Solar- oder Windstrom anfällt. Der Satz wird zudem an die Inflation angepasst und über 35 Jahre gezahlt (Deutschland: maximal 20 Jahre).
Nun zeichnet sich jedoch ab, dass sogar dieses Wohlfühl-Paket nicht ausreicht. Das macht das Chaos deutlich, das innerhalb des EdF-Konzerns herrscht, der die Anlage einmal betreiben soll.
Der EdF-Vorstand hat sich über Hinkley Point tief zerstritten, Finanzchef Thomas Piquemal suchte Anfang März gar das Weite. Das englische Atomprojekt könne den Konzern in Existenznöte treiben, warnte er. Auch die Gewerkschaften fürchten, dass sich EdF an dem Projekt verhebt - trotz der Mega-Subventionen.
Indizien dafür, dass der Bau von Hinkley Point einem Himmelfahrtskommando gleicht, gibt es zuhauf. Vergleichbare Reaktoren in Finnland (Olkiluoto) und Frankreich (Flamanville) erweisen sich derzeit als gigantische Geldgräber.
Olkiluoto hat den Kostenrahmen (drei Milliarden Euro) um 5,2 Milliarden Euro überschritten und hinkt dem Zeitplan um neun Jahre hinterher. Flamanville hat zwar "nur" eine Verspätung von sechs Jahren, doch das Budget von 3,3 Milliarden Euro ist bereits um 7,2 Milliarden überschritten.
Der Knackpunkt ist die Sicherheit
Knackpunkt ist in beiden Fällen das Thema Sicherheit. Die Erbauer wollen und müssen beweisen, dass ihre Anlagen so widerstandsfähig sind wie keine andere Atomkraftwerke auf der Welt. Ansonsten würden Regierungen und Bevölkerungen dem Bau nicht zustimmen, nachdem in Tschernobyl und Fukushima zwei Meiler explodierten.
Ausgerechnet daheim in Flamanville hat EdF - zu 85 Prozent in Staatsbesitz - aber nur noch Ärger. Es drohen weitere, jahrelange Verzögerungen, wenn sich der verwendete Stahl als ungeeignet herausstellt. Genau dies befürchtet aber die französische Atom-Sicherheitsbehörde. "Es dauert sehr lange, die Komponenten noch einmal zu bauen", sagte der stellvertretende Behördenleiter, Julien Collet, der "Financial Times".
Das Problem hatte sich bereits 2014 angedeutet, doch EdF baute weiter. Das macht nun alles womöglich nur noch schlimmer.
Die Kritik an Hinkley Point wächst derweil. "Diese Subventionen verschlagen einem den Atem", sagte Energie-Experte Dominic Whittome der "Times". "Die Regierung wusste nicht, was sie tat. Es ist der schlechteste Deal, den ich je gesehen habe."
Hinzu kommt noch ein weiterer Sicherheits-Fallschirm für EdF: Falls die britische Regierung das Atomkraftwerk von dem Jahr 2060 vom Netz nehmen sollte, hat der französische Konzern Kompensationszahlungen von bis zu 22 Milliarden Pfund zusichern lassen, wie der "Guardian" jüngst enthüllte.
Fundamentaler Umbruch in der Energiewirtschaft
Dabei ist die Energiewirtschaft mitten in einem fundamentalen Umbruch. Erneuerbare Energien werden rasant billiger, Speicher ebenfalls. Zudem digitalisiert sich die Branche, was die Kombination verschiedener Energieträger ermöglicht, so dass unflexible Großkraftwerke im Stil von Hinkley bald womöglich gar nicht mehr nötig sind.
Doch um die ökonomisch beste Zukunftslösung geht es London offenbar gar nicht unbedingt. "Die Regierung unterstützt den Bau des Atomkraftwerks mehr aus politischen, denn aus wirtschaftlichen Gründen", urteilt die "Financial Times".
Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Präsident François Hollande hallten trotz allem Ärger unbeirrt an ihrem Prestigeprojekt fest. Wenn das Vorhaben EdF zur Strecke zu bringen drohe, so Hollande, werde der französische Staat den Konzern eben mit frischem Kapital retten.
Senvion wagt sich an die Börse: Der Kurzzeit-Besitzer des Hamburger Windradbauers, Centerbridge, will am 18. März 46 Prozent der Anteile zu 20 bis 23,50 Euro je Aktie an die Börse bringen. Damit würde die Firma mit bis zu 1,5 Milliarden Euro bewertet. Vor 15 Monaten hatte er eine Milliarde Euro für die Firma bezahlt. Doch Senvion ist und bleibt mit 1477 Megawatt installierter Leistung (2014) und einem Weltmarktanteil von 2,8 Prozent (2014) vergleichsweise klein, wie das Top-Ten-Ranking zeigt.
Platz 10: CSIC Haizhuang Windpower (China)
Die Tochter des staatlichen Schiffbau-Konglomerats CSIC hat im vergangenen Jahr vom starken Heimatmarkt profitiert. Zwar hat das Unternehmen unlängst seinen Markteintritt für die USA verkündet, doch nahezu 100 Prozent der CSIC-Anlagen wurden in China installiert. Das Unternehmen tauchte erstmals in der Top-Ten-Liste auf.
Installierte Leistung 2015: 2000 Megawatt
Quelle: Bloomberg New Energy Finance 2016
Platz 9: Envision (China)
Das Unternehmen mit Sitz in Shanghai verdankt seine Größe ebenfalls dem Windboom in China. Dort wurden allein im vergangenen Jahr Rotoren mit mehr als 32.000 Megawatt aufgestellt. Zum Vergleich: Der Bestand aller Windkraftanlagen in Deutschland liegt bei etwa 44.000 Megawatt.
Installierte Leistung 2015: 2700 Megawatt
Platz 8: Ming Yang (China)
Das Unternehmen ist der größte chinesische Windradhersteller in Privatbesitz. Obwohl China seit Jahren den mit Abstand größten Absatzmarkt darstellt, marschiert die dortige Industrie auf dem Weltmarkt nicht richtig durch. Auch Ming Yang ist fast ausschließlich auf dem Heimatmarkt aktiv.
Installierte Leistung 2015: 2700 Megawatt
Platz 7: Guodian (China)
Der staatliche Stromversorger ist selbst in den Bau von Windkraftanlagen eingestiegen, was in der Branche eher unüblich ist. Die wichtigste Anlage wurde vom Rendsburger Unternehmen Aerodyn entwickelt.
Installierte Leistung 2015: 2800 Megawatt
Platz 6: Enercon (Deutschland)
Einen eigenwilligen Weg geht Enercon aus dem ostfriesischen Aurich. Technisch grenzte sich der deutsche Marktführer früh von der Konkurrenz ab und setzte auf getriebelose Anlagen und Betontürme. Dem Offshore-Boom hielt sich Enercon ebenso fern wie von USA oder China. Die Ostfriesen setzen stark auf den fortgesetzten deutschen Bauboom.
Installierte Leistung 2015: 3000 Megawatt
Platz 5: Gamesa (Spanien)
In früheren Jahren standen die Spanier viel weiter vorn, doch dann brach der Heimatmarkt völlig zusammen. Der soll jetzt mit neuen Subventionen wiederbelebt werden - obwohl die dort gar nicht mehr für wirtschaftlichen Betrieb nötig sind.
Installierte Leistung 2015: 3100 Megawatt
Platz 4: Siemens (Deutschland)
Die Münchener haben die Schwäche von Gamesa ausgenutzt und wollen mit den Spaniern fusionieren. Besonders stark ist Siemens im Bereich Offshore - dort zieht der Technologiekonzern einsam seine Runden an der Weltspitze.
Installierte Leistung 2015: 3100 Megawatt
Platz 3: General Electric (USA)
Der Siemens-Rivale ist auch im Windkraftgeschäft groß. Zahlreiche Übernahmen (unter anderem Tacke Wind, Enrons Windsparte) haben die Amerikaner zu einer Wind-Weltmacht befördert.
Installierte Leistung 2015: 5900 Megawatt
Platz 2: Vestas (Dänemark)
Lange gehörte dem dänischen Pionier Vestas die Top-Position im Ranking. Doch die Dominanz hat im vergangenen Jahr einen Knacks bekommen.
Installierte Leistung 2015: 7300 Megawatt
Platz 1: Goldwind (China)
Historischer Wachwechsel in der Windbranche: Erstmals hat ein chinesischer Hersteller den Spitzenplatz im Ranking übernommen und somit Vestas verdrängt - dank der aggressiven chinesischen Energiewende-Politik. Und Goldwind ist zugleich der einzige namhafte Hersteller aus der Volksrepublik, der außerhalb des Heimatmarktes Fuß fasst (vor allem in Europa) - wenn auch erst in geringem Maße.
Installierte Leistung 2015: 7800 Megawatt
Kandidat für die Top Ten: Nordex
Die Mecklenburger haben die Übernahme des spanischen Konkurrenten Acciona Wind angekündigt - und setzen damit zum Sprung in die Top Ten an. Dann wären drei deutsche Hersteller vertreten. Als Maß aller Dinge in der Windwirtschaft scheint sich aber China zu etablieren.
Installierte Leistung 2015: 1700 Megawatt; Acciona meldete für 2014 1900 Megawatt. Zusammen könnten die beiden Hersteller sogar in die Top Five vorstoßen.
Kandidat für die Top Ten: Nordex
Die Mecklenburger haben die Übernahme des spanischen Konkurrenten Acciona Wind angekündigt - und setzen damit zum Sprung in die Top Ten an. Dann wären drei deutsche Hersteller vertreten. Als Maß aller Dinge in der Windwirtschaft scheint sich aber China zu etablieren.
Installierte Leistung 2015: 1700 Megawatt; Acciona meldete für 2014 1900 Megawatt. Zusammen könnten die beiden Hersteller sogar in die Top Five vorstoßen.
Aloys Wobben
Der Gründer (r., mit Ex-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg) des Windturbinenbauers Enercon (Aurich, Ostfriesland) verdankt seinen Aufstieg zum reichsten Niedersachsen nicht zuletzt dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es sieht vor, dass Strom aus Rotoren mit einem festen Tarif vergütet wird. Wobbens Unternehmen ist deutscher Marktführer. manager magazin schätzt sein Vermögen auf 6,2 Milliarden Euro.
Frank Asbeck
Der Sonnenkönig aus Bonn hat als Chef von Solarworld alle Höhen und Tiefen der deutschen Ökostrom-Förderung mitgemacht. Sie hat Asbeck zunächst reich werden lassen und - als der Aktienkurs seines Unternehmens einbrach - wieder um einiges ärmer.
Shi Zhengrong
Der Gründer von Asbecks Rivalen Suntech hatte an Asbecks Abstieg einen großen Anteil. Zunächst fertigte er Module in Solarworlds Auftrag, später stieg Zhengrong mit dem erworbenen Know-how selbst ins Geschäft ein. Er lieferte Billigmodule ins Ökostrom-Paradies Deutschland. So begründete er Chinas Dominanz im Solarsektor und wurde selbst sehr wohlhabend.
Gao Jifan
Nach Suntechs Abstieg im Jahr 2013 übernahmen andere Firmen aus der Volksrepublik die Führungsrolle - derzeit liegt Trina Solar mit Chef und Großaktionär Jifan vorn. Ihr Aufstieg gründet sich Experten zufolge zumindest mittelbar auf die deutschen Einspeisetarife.
Daniel Küblböck
Dem einstigen Star der RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar" hat das EEG ebenfalls Glück gebracht. Küblböck hat seine Gage von einer Million Euro eigenen Angaben zufolge in eine Solaranlage bei Passau investiert. Dadurch sei er zum Ökostrom-Multimillionär geworden, teilte er selbst mit.
Reinhard Christiansen
Vor allem in Norddeutschland haben viele Privatleute Geld in Windkraftanlagen gesteckt. So auch Christiansen, der fünf Bürgerwindgesellschaften im nordfriesischen Ellhöft leitet und dem Bundesverband Windenergie (BWE) in Schleswig-Holstein vorsitzt. Dort fällt die finanzielle Ernte dank starker Stürme besonders üppig aus. Christiansen und seine Mitstreiter legen Wert darauf, den Ertrag möglichst gleichmäßig unter allen Einwohner zu verteilen.
Hermann Albers
Der Präsident des BWE-Dachverbandes hat nahe dem heimischen Hof in Windkraftanlagen investiert - lange, bevor es das EEG überhaupt gab. Das Rauschen der Rotoren ist Musik in Albers' Ohren. Dass eine Anlage ganz in der Nähe seines Wohnhauses bei Husum steht, stört ihn nicht. Für Albers ist sein Windkraft-Engagement gleichbedeutend mit dem Schutz seiner Heimat: Der infolge der Erderwärmung steigende Meeresspiegel bedroht langfristig die norddeutsche Tiefebene.
Albert Büll
Der Hamburger Immobilienmanager hat eine etwas pragmatischere Einstellung zu den Ökostrom-Milliarden. Seine börsennotierte Firma Capital Stage investiert planmäßig in europäische Wind- und Solarparks - der Aktienmarkt und Büll schätzen die staatlich garantierten Geldflüsse. Bülls Vermögen wird auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt.
Siegfried Hofreiter
Hofreiter ist Chef und Mitinhaber von Deutschlands größtem Agrarkonzern KTG - und damit auch Mr. Biomasse. Sein Unternehmen verfügt über Biogasanlagen mit einer Anschlussleistung von 60 Megawatt an 21 Standorten. Der dort produzierte Strom wird gemäß EEG-Einspeisetarif vergütet.
Wendelin von Boch-Galhau
Auch alter deutscher Industrie-Adel findet Gefallen am Ökostrom, zumal das Geschäft so lukrativ ist. Boch-Galhau - Aufsichtsratschef des Keramikkonzerns Villeroy und Boch - investiert mit Vorliebe daheim in die Windkraft.
Udo Möhrstedt
Der Chef des Solarunternehmens IBC (r.) gehört zur Riege der deutschen Ökostrom-Vordenker. Angesichts der Ölkrise der 70er-Jahre wandte sich Möhrstedt den erneuerbaren Energien zu. Sein Unternehmen profitierte früh von der staatlichen Einspeisevergütung und setzte zeitweise eine Milliarde Euro im Jahr um.
Peter-Alexander Wacker und Familie
Zu den Industriellen, die vom Aufstieg der Solarenergie profitieren, gehört die Familie Wacker. Ihr Unternehmen, die Wacker Chemie, ist unter anderem weltweit zweitgrößter Hersteller von Polysilizium, aus dem Solarmodule hergestellt werden.
Georg Schaeffler und Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann
Die zweitreichste deutsche Familie kommt als Industriellen-Clan kaum an den erneuerbaren Energien vorbei, die in Deutschland und vielen anderen Ländern staatlich gefördert werden. Schaeffler produziert Lagerungen für Windkraftanlagen und ist im Service-Geschäft tätig.
Susanne Klatten
Auch die reichste deutsche Familie interessiert sich für erneuerbare Energien. Klatten ist über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion Großaktionärin beim Windkraftanlagenhersteller Nordex. Im Oktober 2015 kündigte sie an, einen großen Teil ihres Pakets an den spanischen Wettbewerber Acciona zu verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch der subventionsbefeuerte deutsche Windkraftboom den Wert des Unternehmens deutlich in die Höhe getrieben.
Siegfried Hofreiter
Hofreiter ist Chef und Mitinhaber von Deutschlands größtem Agrarkonzern KTG - und damit auch Mr. Biomasse. Sein Unternehmen verfügt über Biogasanlagen mit einer Anschlussleistung von 60 Megawatt an 21 Standorten. Der dort produzierte Strom wird gemäß EEG-Einspeisetarif vergütet.
Es ist eine Art Offenbarungseid vor den Aktionären: Für 2015 streicht RWE die Dividende radikal zusammen, hat RWE-Chef Peter Terium verkündet. Anleger fliehen in Scharen. Was für ein Absturz, was für ein neuer Tiefpunkt des Essener Energieversorgers, der sich zuvor zu einem der mächtigsten deutschen Konzerne überhaupt aufgeschwungen hatte.
In Essen 1898 gegründet, war die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG aufs Engste mit der Ruhrindustrie verbunden - die Grundlage für den beispiellosen Aufstieg des Unternehmens.
Das Erfolgsrezept: RWE förderte Kohle in eigenen Zechen und erzeugte vor Ort daraus günstigen Strom. So gewann das Unternehmen wichtige und zahlungskräftige Industriekunden. Schon vor mehr als 100 Jahren nutzte RWE nach der Stein- auch Braunkohle.
In den 20er-Jahren gelang RWE ein historischer Coup, der Bau von Europas erster langen 220-Kilovoltleitung. Die Leitung transportierte nachts überschüssigen Braunkohlestrom aus dem Ruhrgebiet in die Alpenregion und tagsüber...
...Elektrizität aus Wasserkraftwerken und Speichern zurück in die heimische Industrieregion. So konnte RWE seine Kohlekraftwerke und -Bergwerke optimal auslasten.
Dieses Geschäft funktionierte auch noch in der jungen Bundesrepublik, doch die Atomkraft änderte alles. RWE entschied sich 1969 für den Bau des Kernreaktors Biblis A. Damit begann auch die Zeit, in der der Konzern zur Zielscheibe für Umweltschützer wurde.
Unter Druck geriet RWE auch wegen seiner Braunkohlekraftwerke, die Umweltschützer für das so genannte Waldsterben verantwortlich machten.
Doch der Essener Konzern ließ Kritik abprallen. Als Dänemark Anfang der 80er-Jahre verstärkt auf Windkraft setzte, baute auch RWE eine Versuchsanlage namens Growian auf. Ziel des Vorhabens: "Zeigen, dass es nicht geht", wie ein damaliger RWE-Manager bemerkte. Eine historische Fehleinschätzung.
Auch für die Solarenergie hatten RWE-Topmanager lange nur Verachtung übrig. Noch etwa 2011, als Bürger bereits zu Hunderttausenden Fotovoltaikanlagen auf ihre Dächer schraubten, erklärte der damalige RWE-Chef Jürgen Großmann, Solaranlagen in Deutschland seien so sinnvoll wie die Ananaszucht in Alaska.
Statt auf saubere Energieträger zu setzen, hatte RWE schon länger versucht, sich als internationaler Allround-Versorger zu positionieren. Doch Ausflüge ins Geschäft mit der Telekommunikation (Telliance, später Otelo) und der Wasserversorgung blieben fruchtlos, der zugekaufte Versorger Essent (Niederlande) erwies sich als teuer.
Endgültig verspielte RWE seinen Reichtum mit einem milliardenschweren Großinvestitions-Programm für Kohlekraftwerke. Anlagen wie die in Hamm wurden später kaum benötigt.
Und dann auch noch Fukushima. Die Atomkatastrophe führte dazu, dass Deutschland den Ausstieg aus der Atomkraft beschleunigte.
Unter dem Druck der Straße ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zahlreiche Meiler sofort abschalten. Alle weiteren bekamen ein festes Laufzeitende vorgeschrieben. Für RWE ist am 31.12.2022 endgültig Schluss mit der Kernkraft - dann geht der Meiler Emsland vom Netz.
Ein weiterer Sargnagel für RWE: Etwa zu der Zeit des Atomunglücks von Fukushima begannen die Preise für Solaranlagen rapide zu sinken. Die Nachfrage explodierte in Deutschland, weil die festen Vergütungssätze nicht schnell genug gesenkt wurden. Der Börsenstrompreis brach wegen des Überangebots ein, Kraftwerke liefen immer seltener. Die Wirtschaftskrise dämpfte die Nachfrage nach RWE-Strom ebenfalls.
Inzwischen ist fraglich, ob die laufenden Einnahmen des Unternehmens noch für den kostpieligen Rückbau der Atomkraftwerke reichen.
Auch der klimaschädlichen Braunkohle geht es inzwischen an den Kragen: Demonstranten hielten zuletzt einen Tagebau besetzt, Politiker fordern einen Ausstiegsplan.
Rolf Martin Schmitz (l.) und Peter Terium: Diese zwei Herren sollen nun das unmöglich scheinende möglich machen - RWE retten. Dazu hat sich der Konzern aufgespalten und konventionelle Kraftwerke vom Geschäft mit Ökostrom und Netzen getrennt. Doch nach dem Dividenden-Schock muss sich zeigen, ob die kommunalen Großaktionäre noch zu den Topmanagern stehen.
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Foto: Rolf Vennenbernd/ dpa