Blackout-Gefahr - Atomkraftwerke schwächeln In Frankreich gehen die Lichter aus

Paris in der Dämmerung: Um Strom zu sparen, drosselt die Stadtverwaltung die Beleuchtung

Paris in der Dämmerung: Um Strom zu sparen, drosselt die Stadtverwaltung die Beleuchtung

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Firmen versorgen sich selbst mit Strom: Meine Leute, mein Fuhrpark, mein Kraftwerk

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Angesichts einer extremen Stromknappheit in Frankreich hat die Hauptstadt Paris zu einer ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen: An etwa 330 öffentlichen Gebäuden hat die Stadtverwaltung die Außenbeleuchtung ausschalten lassen. Eine unangenehme Situation für die stolze Nation, aber immerhin bleibt der Eiffelturm von der Maßnahme verschont.

Landauf, landab kämpft Frankreich mit den Folgen seiner lange Zeit einseitig auf Atomkraftwerke fixierten Energiepolitik. Schon ein etwas frischerer Winter bringt das System an seine Grenzen.

"Der französische Markt ist momentan stärker als sonst von äußeren Einflüssen betroffen", bestätigt Wolfram Vogel, Director Public & Regulatory Affairs bei der Strombörse Epexspot in Paris. Die ungewöhnlich niedrigen Temperaturen sowie die verminderten Kapazitäten aufgrund des Ausfalls mehrerer Kraftwerke könnten auch den Spotmarkt beeinflussen, so Vogel. Bislang sei die Preisentwicklung allerdings noch weniger drastisch als beispielsweise Mitte November 2016.

Der Hintergrund: Frankreichs Atomanlagen sind in die Jahre gekommen, und sechs von ihnen speisen aufgrund von außerplanmäßigen Sicherheitsüberprüfungen momentan keinen Strom ins Netz. Der Bau neuer Atomkraftwerke stockt derweil, weil die Kosten explodieren und Sicherheitsbedenken wachsen. Der geplante Teil-Umstieg auf andere Energieträger wie Gas und erneuerbare Energien kommt zudem nur schleppend voran.

Zahlen des Stromnetzbetreibers RTE  verdeutlichen die dramatische Lage. Für Donnerstag Morgen rechnete RTE mit einer Stromnachfrage von 95.100 Megawatt. Die maximale Produktion der Kraftwerke lag aber nur bei 90.150 Megawatt. Folglich musste Frankreich auf Elektrizität aus Nachbarländern wie Spanien, der Schweiz und Deutschland zurückgreifen.

Franzosen sollen dickere Pullis tragen und weniger Fahrstuhl fahren

Zudem wirbt die französische Regierung in einer groß angelegten Kampagne für radikale Stromsparmaßnahmen . So sollen Franzosen häufiger Treppen steigen anstatt den Fahrstuhl zu benutzen. Auf große Anhänge an E-Mails sollen sie nach Möglichkeit auch verzichten, um Serverleistung zu sparen. Wohnräume sollen nur auf 19 Grad geheizt werden, Bewohner dickere Pullover tragen und häufiger die Lichter ausmachen.

Als zunehmend problematisch erweist sich auch, dass 39 Prozent der Wohnungen in Frankreich mit Elektroheizungen gewärmt werden  - eine Folge der Atomenergie-Politik seit den 70er-Jahren. Deshalb ist das französische Stromsystem deutlich anfälliger für Wetterschwankungen als etwa das deutsche.

Für Donnerstag rechnete RTE mit einer Durchschnittstemperatur von minus 3,8 Grad. Das ist zwar knapp sechs Grad unter dem langjährigen Mittel, aber alles andere als rekordverdächtig. Jedes weitere Minusgrad zieht laut RTE eine um 2400 Megawatt stärkere Stromnachfrage nach sich. Das entspricht der Leistung von zwei Atomkraftwerken.

Notfalls hält sich der Netzbetreiber die Option offen, großen Industriebetrieben die Stromzufuhr zu kappen. Kandidaten sind beispielsweise die Aluminiumschmelze von Rio Tinto Alcan in Dünkirchen.

Traditionell exportieren deutsche Kraftwerke im Winter Strom ins westliche Nachbarland. Ob das künftig verlässlich und im selben Ausmaß möglich sein wird, ist fraglich. Denn Deutschland schaltet seinerseits Atom- und Kohlekraftwerke ab.

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"Es wird keinen Blackout geben", zeigte sich Frankreichs Energie- und Umweltministerin Ségolène Royal am Mittwoch mit Blick auf diesen Winter zuversichtlich. Sie sei unter anderem deshalb optimistisch, weil Wind- und Solaranlagen während der Kälte relativ viel Strom lieferten.

Experte Vogel von der Strombörse Epexspot stimmt zu: "Da der französische Markt mit den Nachbarländern Deutschland und Belgien gekoppelt ist, können sich Preisentwicklungen in mehreren Ländern angleichen", sagt er. "Dank dieser Marktkopplung muss Frankreich die aktuelle Situation nicht völlig isoliert bewältigen, sondern wird automatisch von den Nachbarmärkten unterstützt."

Der Verweis auf den Ausgleich durch grüne Energien ist bei genauer Betrachtung allerdings nicht wirklich beruhigend. Denn diese Öko-Energieträger sind bekanntlich besonders stark vom Wetter abhängig und müssen stets von regelbaren Backup-Kapazitäten oder Speichern unterstützt werden. So gesehen hatte Frankreich in dieser Woche womöglich einfach Glück, dass zwar viele - aber nicht alle Lichter ausgingen.

mit dpa-afx
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