
Ranking: Das waren 2015 Deutschlands wichtigste Stromquellen
Ende einer Energiewende-Absurdität in Sicht Totgesagte Gaskraftwerke sind wieder quicklebendig

Ranking: Das waren 2015 Deutschlands wichtigste Stromquellen
Die vielleicht größte Absurdität der deutschen Energiewende geht bisher so: Ausgerechnet relativ saubere Gaskraftwerke lassen sich nicht wirtschaftlich betreiben, weil immer mehr hoch subventionierter Ökostrom auf den Markt drängt. Der verdirbt den Börsenstrom-Preis. Gaskraftwerke stehen deshalb still - ihr Brennstoff ist zu teuer.
Die dreckigen, mit billiger Kohle befeuerten Kohlekraftwerke bollern dagegen munter weiter. Sie profitieren auch davon, dass Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte billig sind. Dieses Phänomen gilt weltweit als einer der größten Webfehler der deutschen Energiewende.
"Erdgas wird weiter aus dem Strommix verdrängt", heißt es noch in einer Analyse des Think Tanks "Agora Energiewende" im Rückblick auf das Jahr 2015. Selbst neue Gaskraftwerke seien "nicht konkurrenzfähig gegenüber alten Kohlekraftwerken".
Nun sieht es allerdings so aus, als kehre sich der Trend um. Gaskraftwerke in Deutschland sind plötzlich wieder profitabel, zumindest die effizientesten Anlagen in Zeiten starker Stromnachfrage. So berichtet es die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Für Gaskraftwerke "sieht momentan alles ziemlich gut aus"
Möglich macht dies der allgemeine Abwärtstaumel an den Rohstoffmärkten. Dort fällt der Gaspreis momentan noch drastischer als der für Kohle.
Auch die momentan etwas höheren CO2-Preise sind gut für Gaskraftwerke, die zwar ebenfalls das klimaschädliche Treibhausgas ausstoßen, aber deutlich weniger als die kohlebetriebene Konkurrenz. Aktuell sind die Zertifikate mit rund 6,50 Euro je Tonne immer noch billig, aber weit vom historischen Tief der Vorjahre entfernt.
"Es sind derzeit wieder mehr Gaskraftwerke im Geld", sagte Analyst Omar Ramdani von RheinEnergie Trading gegenüber Bloomberg. Für Gaskraftwerke, die schon mit einigen Stunden Arbeit am Tag profitabel arbeiten, "sieht momentan alles ziemlich gut aus".
In Frankreich macht Gas schon der Atomkraft Konkurrenz
So könnte die Idee vom Gas als "Brücke" in eine Zukunft mit 100 Prozent erneuerbarer Elektrizität doch noch funktionieren - und nicht ständig von billiger Kohle überschwemmt werden. Soll nach dem Atom- auch noch der Kohleausstieg gelingen - was nötig ist, damit die Energiewende überhaupt einen Nutzen für den Klimaschutz hat -, muss die Gaskraft wieder aus ihrer Nische herauskommen.
Zuletzt rutschte sie mit einem Anteil von 8,8 Prozent auf Platz fünf im deutschen Strommix. Vorn war 2015 die Braunkohle vor der Steinkohle, der Kernkraft und der Windenergie.
Doch seit Anfang Dezember sieht es besser für die Gaskraftwerke aus. Wenn Erneuerbare Energien sowie die verbleibenden Atom- und Braunkohlekraftwerke den Strombedarf allein nicht decken, kommen häufiger Gasanlagen mit geringeren Grenzkosten zum Zuge. Alte Steinkohlekraftwerke stehen mitunter still.
Am Donnerstag vergangener Woche ließen sich laut Bloomberg bis zu 8,45 Euro je Megawattstunde mit Gaskraftwerken verdienen - bei Strompreisen von bis zu 85 Euro pro Megawattstunde. Solche Bedingungen gab es lange nicht.
In Frankreich sind dem Bericht zufolge sogar manche Gaskraftwerke, die rund um die Uhr laufen, günstiger als die Atomkraft. Versorger Engie habe im vergangenen Jahr die Produktion von vier gasbetriebenen Anlagen verdoppelt und ein vorübergehend stillgelegtes Werk in Fos-sur-Mer nahe Marseille wieder hochgefahren.
Deutsche Versorger spüren den Trend ebenfalls. Gesunkene Gaspreise führten "trotz niedriger Strompreise zu einem höheren Einsatz der Gaskraftwerke in Dezember 2015", teilte eine RWE-Sprecherin manager-magazin.de mit.
Von ihrer Klage, dass der Preisverfall ausgerechnet ihre modernsten und vergleichsweise sauberen Anlagen unrentabel mache, möchten sich die Versorger aber nicht abwenden. Ihre Vollkosten würden die Anlagen immer noch nicht erwirtschaften.
Dass es sich aber überhaupt wieder lohnt, die Blöcke verstärkt anzuwerfen, ist bemerkenswert. Damit stellt sich auch die Frage, ob die Versorger bereits gebaute Gaskraftwerke tatsächlich wie geplant einmotten.
Besonders pikant ist die neue Lage am Strommarkt für die von Eon abgespaltene Firma Uniper, zuständig für das Geschäft mit konventionellen Kraftwerken. Ihr bayerisches Gaskraftwerk Irsching gilt als "Treppenwitz" der Energiewende, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte. Denn Irsching gilt als unprofitabel und steht meistens still.
Eon-Tochter Uniper verlangt Staatshilfen für Kraftwerke - zu Unrecht?
Dabei halten die beiden modernen Blöcke, 2010 und 2011 in Betrieb genommen, mit Wirkungsgraden von 60 Prozent laut Uniper den Weltrekord. Stolz benannte Eon einen der Blöcke sogar nach Konzern-Gründungschef Ulrich Hartmann.
Doch zuletzt fuhren die Mitarbeiter Irsching nur noch auf Anweisung von Netzbetreiber Tennet hoch, um einen Blackout zu vermeiden. In diesen Fällen erstattet Tennet Uniper die Kosten - und legt sie über die Netzgebühren auf alle Stromkunden um. Ende März läuft die Vereinbarung aus, Uniper will "Ulrich Hartmann" dann offiziell stilllegen.
So übt Uniper Druck auf Tennet, die Bundesnetzagentur und die bayerische Regierung aus. "Wir werden keine Kraftwerke betreiben, die dauerhaft unwirtschaftlich sind", sagt ein Unternehmenssprecher gegenüber manager-magazin.de. Die Blöcke müssten vorläufig stillgelegt werden. Sollten sie als Reserve zur Verfügung stehen, müsse mehr Geld fließen, als gesetzlich vorgesehen.
Unipers Drohpotenzial ist geschrumpft
Tennet hält das Kraftwerk für systemrelevant und müsste notfalls wieder Geld der Stromkunden hinblättern, um es zu retten."Aktuell sind wir mit dem Betreiber wegen eines neuen Netzreserve-Vertrags im Gespräch", teilte eine Tennet-Sprecherin gegenüber manager-magazin.de denn auch mit.
Unipers Drohpotenzial ist dank der niedrigen Gaspreise allerdings geschrumpft. Warum soll die Allgemeinheit ein modernes Kraftwerk alimentieren, das aus eigener Kraft überleben könnte? "Der Staat will keine Hängematte für Stromversorger", heißt es schon in Fachkreisen.
Der Versorger muss sich selbst gut überlegen, wie hoch er pokert. Wenn Uniper Irsching tatsächlich als gesetzlich finanziertes Notstromaggregat anbietet, darf die Anlage nämlich fünf Jahre lang nicht mehr Strom am freien Markt verkaufen. In Zeiten, da Gaskraftwerke wieder profitabel arbeiten, könnte sich das noch bitter rächen.