Importverbot für russisches Öl Was das Diesel-Embargo für Wirtschaft und Verbraucher bedeutet

Teurer Diesel: Aufgrund der hohen Dieselnachfrage ist Deutschland auf Importe angewiesen. Wichtigster Lieferant war bislang Russland – somit sind Preissprünge nicht ausgeschlossen
Foto: Michael Probst / APDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Am heutigen Sonntag ist es so weit: Der zweite Teil des Öl-Embargos tritt in Kraft. Als weitere Sanktion gegen Russland will die EU auch keine Raffinerieprodukte mehr aus dem Land abnehmen. Seit dem 5. Dezember gilt bereits ein Embargo gegen russisches Rohöl, das per Schiff geliefert wird. Das nun erweiterte Importverbot hat das Potenzial, das Angebote zu verknappen, die weltweiten Schifffahrtsrouten neu zu ordnen und die Preisvolatilität zu erhöhen.
An den Ölmärkten stellt man sich daher schon auf turbulente Zeiten ein. Schließlich war Russland bislang enorm wichtig für die Dieselversorgung in ganz Europa. Was dies für die deutsche Wirtschaft und Verbraucher bedeutet, haben wir kompakt zusammengefasst. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie funktioniert das Embargo?
Genau wie das bereits geltende Embargo gegen russisches Rohöl. Es verbietet EU-Staaten, russische Mineralölprodukte wie Benzin, Diesel und Kerosin zu importieren. Wie schon beim Rohöl wird das Embargo zudem mit einem internationalen Preisdeckel verknüpft. Der erlaubt europäischen Versicherern, Schiffseignern und anderen Dienstleistern, den Transport von russischem Erdöl in Drittstaaten zu ermöglichen, sofern der Preis für das russische Öl unterhalb des Preisdeckels liegt. Die EU- und G7-Staaten einigten sich dafür am Wochenende auf einen Preisdeckel von 100 US-Dollar pro Barrel (rund 93 Euro für 159 Liter) für Kraftstoffe wie Diesel, Kerosin und Benzin und 45 Dollar (rund 42 Euro) pro Barrel für Produkte wie Heizöl. Ziel ist, das Ölangebot aus Russland einerseits auf dem Weltmarkt stabil zu halten, um Preisspitzen zu vermeiden. Andererseits soll der Preisdeckel die Einnahmen des Kremls aus den Ölexporten begrenzen.
Bislang hielten sich die Verwerfungen infolge des Rohölembargos in Grenzen. Einige Analysten hatten vor dem Importverbot mit spürbaren Preissteigerungen infolge der Umstellung gerechnet. Doch der Ölpreis für die Nordsee-Sorte Brent ging zwischenzeitlich sogar leicht zurück, zuletzt hielt er sich relativ stabil bei rund 85 US-Dollar pro Fass. Russlands Exportmengen sind nämlich gleich geblieben, meldete die Datenanalysefirma Kpler. Manche Experten rechnen damit, dass die zweite Stufe des Embargos ab Sonntag größere Auswirkungen haben könnte.
Warum könnte das Embargo zu größeren Verwerfungen führen?
Der große Unterschied bei diesem Embargo ist die Rolle der asiatischen Abnehmer. Beim Rohölembargo waren Indien und China dem Kreml noch zur Seite gesprungen und hatten große Mengen Rohöl aufgekauft, nachdem Russlands wichtigster Kunde Europa weggefallen war.
Bei den Ölprodukten dagegen kann der russische Präsident Wladimir Putin (70) wohl kaum auf ihre Unterstützung hoffen, erwarten Experten. Die beiden Staaten sind selbst große Produzenten und Exporteure von Kraftstoffen. Damit kommen sie weniger als Abnehmer infrage, es sei denn, sie verlangen hohe Rabatte.
Neue Kunden könnte Russland in Westafrika oder Lateinamerika finden. Doch Analysten des Beratungshauses Energy Aspects gehen davon aus, dass Russland nur gut ein Drittel seiner bisherigen Diesellieferungen absetzen kann. Nach Angaben der Goldman Sachs Group stammen 15 Prozent der weltweiten Diesellieferungen aus Russland, wovon bis vor Kurzem 80 Prozent nach Europa ging. Insofern wird das kommende Embargo nach Einschätzung der Bank die Märkte wahrscheinlich stärker durcheinanderwürfeln als das Importverbot gegen Rohöl.
Welche Rolle spielte Russland bislang für die deutsche Kraftstoffversorgung?
Russland war über Jahrzehnte Deutschlands und auch Europas größter Diesellieferant. Gut ein Drittel der deutschen Dieselimporte stammten traditionell aus Russland. Da Deutschland mehr Diesel verbraucht als die inländischen Raffinerien produzieren, sind Importe nötig, um die hohe Nachfrage aus Verkehr, Bauindustrie und Landwirtschaft zu decken. Beim Benzin wird dagegen mehr exportiert, weil die deutsche Produktion die Nachfrage übersteigt. Darum steht bei dem Embargo insbesondere die Versorgung mit Diesel im Fokus. Die nötigen Dieselimporte dürften Deutschland bzw. Europa nach Einschätzung von Experten künftig mehr aus dem Nahen Osten, Indien und den USA beziehen. Bei Lieferungen aus Indien könnte es sich um Diesel handeln, der aus russischem Rohöl verarbeitet wurde. Indien ist kürzlich zu Russlands neuem Hauptkunden von per Schiff geliefertem Rohöl aufgestiegen.

Wird Diesel an den Zapfsäulen dadurch teurer?
Das ist schwer vorherzusehen und unter Marktbeobachtern umstritten. Entscheidend ist vor allem die Preisentwicklung an den Weltmärkten. Was für höhere Preise spricht, sind die längeren Transportwege. Wenn die EU nicht mehr in Russland, sondern in entfernteren Gegenden wie Saudi-Arabien einkauft, werden die Transporte teurer. Zudem ist Diesel auf dem Weltmarkt knapp und viele Industriebetriebe nutzen wegen der gestiegenen Erdgaspreise für ihre Anlagen vermehrt Heizöl, das im gleichen Raffinerieprozess wie Diesel hergestellt wird. Dies trug dazu bei, dass die Dieselpreise im vergangenen Jahr stark angestiegen sind.
Gegen höhere Preise spricht, dass das Embargo seit Längerem bekannt ist und am Handel beteiligte Unternehmen sich entsprechend darauf vorbereiten konnten. Aus diesem Grund rechnet etwa Ökonom Jens Südekum (47) nicht mit dramatischen Preissprüngen, zumal am wichtigsten europäischen Umschlagplatz für Öl – den Häfen Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam (kurz: ARA) – regelrecht gehamstert wurde. "Die Diesellager sind voll bis zum Anschlag. Das wird die Preisanstiege begrenzen." Einen gewissen Puffer hat Deutschland also noch – zumindest für die erste Zeit.
Steigen die Diesel-Preise in Ostdeutschland noch weiter, da die Region besonders vom russischen Öl abhängig ist?
Möglich ist das. Trotz einer Einigung zwischen Polen und Deutschland, sich gegenseitig bei der Öl-Versorgung zu unterstützen, ist die Produktion der ostdeutschen Raffinerien PCK und Leuna seit Anfang des Jahres gedrosselt. Die PCK im brandenburgischen Schwedt läuft auf einer Auslastung von nur rund 55 Prozent, seit sie nicht mehr mit russischem Rohöl über die Pipeline Druschba versorgt wird. Das ist zu wenig, um Ostdeutschland und Westpolen dauerhaft mit Benzin und Diesel beliefern zu können.
Die Produktion ließe sich steigern, wenn nicht-russisches Öl von Tankern im polnischen Hafen Danzig entladen und von dort in die Druschba-Pipeline eingespeist werden würde. Aber Polen stellt sich quer. Man wolle nicht mit den Russen zusammenarbeiten, heißt es. Die PCK-Raffinerie ist nämlich trotz Treuhandverwaltung immer noch mehrheitlich in russischer Hand über den Ölkonzern Rosneft.
Hinzu kommt, dass der polnische Ölkonzern Orlen gerne Anteile der PCK übernehmen würde. Das wiederum wird in Deutschland kritisch gesehen wegen möglicher Wassserstoff-Pläne für den Standort Schwedt. Abhilfe sollten zuletzt Lieferungen aus Kasachstan schaffen. Doch eine verlässliche Versorgung für Schwedt gibt es noch nicht.

Das Ölprodukte-Embargo ab Sonntag macht eine Lösung nun noch dringender. Der Mineralölwirtschaftsverband en2x erwartet zwar keine Versorgungslücke , da voraussichtlich mehr Diesel, Benzin und Heizöl über die Schiene nach Schwedt transportiert wird. Aber das hat seinen Preis, sagt Verbandssprecher Alexander von Gersdorff. "Die niedrigere Produktion im Osten wird durch zusätzliche Produkttransporte kompensiert, was einen Mehraufwand darstellt." Schon jetzt ist das Tanken in Ostdeutschland teurer als im Bundesdurchschnitt.
Wie hart haben die Ölsanktionen Russlands Wirtschaft bislang getroffen?
Die Ölsanktionen haben dazu beigetragen, dass russisches Öl massiv an Wert verloren hat und der Kreml Rabatte in Kauf nehmen muss. Russlands wichtigste Rohölsorte Urals, die hauptsächlich nach Europa exportiert wurde, wird laut Argus Media mit Abschlägen von rund 40 Dollar pro Barrel zu anderen Rohölsorten wie Brent gehandelt. Dadurch entgehen Russland wichtige Einnahmen. Aber aufgrund des generell hohen Preisniveaus für Öl und der geringen Beeinträchtigungen durch den Ölpreisdeckel konnte Russland dies bislang gut verkraften. Die russische Wirtschaft schrumpfte im Jahr 2022 laut IWF weniger als erwartet (BIP: -2,2 Prozent). Für 2023 rechnet der IWF sogar mit einem leichten positiven Wachstum (+0,3 Prozent).