Bundesverfassungsgericht kippt Gesetz
Vattenfall-Klage gegen Atomausstieg in Karlsruhe erfolgreich
Der Bund muss bei der Entschädigung für stillgelegte Atomkraftwerke nachbessern. Das Bundesverfassungsgericht hat einer Klage des schwedischen Vattenfall-Konzerns stattgegeben.
Noch gut für Geld vom Staat: Das Vattenfall-Kernkraftwerk Brunsbüttel ist seit 2007 heruntergefahren, mit dem Atomausstieg 2011 kam das endgültige Aus.
Foto: Carsten Rehder/ dpa
Die Ausgleichszahlungen, die Atomkonzerne aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs erhalten, müssen neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung verlangt und damit der Verfassungsbeschwerde des schwedischen Versorgers Vattenfall stattgegeben.
Die Vorgaben für die Entschädigungen, die das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil vom Dezember 2016 verlangt hatte, seien bisher nicht erfüllt, hieß es zur Begründung. Konkret geht es um Ausgleichszahlungen für die Vattenfall-Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Mülheim-Kärlich.
Der Konzern begrüßte die Entscheidung. Die bisherige Regelung habe massive Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Versorgern erzeugt. Auch der mit seinem nur kurz in Betrieb gewesenen Atommeiler Mülheim-Kärlich von der Entscheidung betroffene RWE-Konzern äußerte sich. "Nach erster Einschätzung wird sich unsere Rechtsposition definitiv nicht verschlechtern", sagte Finanzchef Markus Krebber. RWE rechne nach wie vor mit einer Entschädigung im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.
Atomkraftgegner: Steuergeld für ohnehin stillgelegte Kraftwerke
Die Atomkraftgegner von der Gruppe "Ausgestrahlt" kritisierten das Urteil. Die Entschädigungen würden für Atomkraftwerke bezahlt, die schon vor dem Ausstieg aus der Kernkraft wegen Sicherheitsmängeln jahrelang stillgestanden hätten, monierte die Organisation "Ausgestrahlt". Nun sollten noch mehr Steuergelder fließen.
Wegen des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima hatte die Bundesregierung 2011 für die 17 deutschen Kernkraftwerke eine nur wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Bis spätestens Ende 2022 müssen alle Meiler zu festen Terminen vom Netz gegangen sein. Dann ist Schluss mit der Atomkraft.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2016 nach Klagen von Eon, RWE und Vattenfall geurteilt, dass die Gesetzesnovelle, die diese Kehrtwende besiegelte, zwar im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar war. Den Energiekonzernen steht für sinnlos gewordene Investitionen und verfallene Produktionsrechte aber ein angemessener Ausgleich zu.
Regeln zur Entschädigung "unzumutbar"
Davon profitiert unter anderem Vattenfall. Der schwedische Konzern hatte wegen der 2011 festgelegten festen Abschalttermine keine Möglichkeit mehr, seinen beiden deutschen Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel ursprünglich einmal zugeteilte Strommengen noch konzernintern zu produzieren. Dafür soll der Konzern 2023 eine Ausgleichszahlung in Millionenhöhe verlangen können. Die genaue Summe wird sich laut Bundesumweltministerium erst dann bestimmen lassen.
Die gesetzlichen Regelungen dazu sind in Teilen aber "unzumutbar", wie es in der Karlsruher Entscheidung (AZ: 1 BvR 1550/19) heißt. Zum einen seien die Voraussetzungen für Entschädigungszahlungen unklar geregelt, beanstandet der Erste Senat. Zum anderen könne die bisherige Gesetzesnovelle zu einer doppelten Kürzung der Ansprüche führen.
Schließlich sei die Novelle aber auch wegen formaler Mängel bisher nicht in Kraft getreten. Es fehle an der verbindlichen Genehmigung der Regelung durch die EU-Kommission, so die Begründung. Der Gesetzgeber habe damit seine Pflicht noch nicht erfüllt, bis zum 30. Juni 2018 eine Neuregelung zu schaffen. "Der Gesetzgeber ist daher im Ergebnis weiterhin zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet", heißt es in dem Beschluss.
Wegen des Atomausstiegs ist auch noch eine Klage von Vattenfall beim internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) in Washington anhängig. Hier geht es um Forderungen von mehreren Milliarden Euro wegen der dauerhaften Stilllegung von Krümmel und Brunsbüttel.