Weltgrößter Atomkonzern Areva streicht jeden vierten Job in Deutschland

Afrikanische Uranmine von Areva: Aktivitäten werden bis 2016 auf Eis gelegt
Foto: ISSOUF SANOGO/ AFPParis/Erlangen - Beim weltgrößten Nuklearkonzern stehen die Zeichen auf Sturm. Der französische Atomriese Areva mit seinen weltweit 48.000 Mitarbeitern will nach dem Atomausstieg in Deutschland dort bis zu 1500 Stellen streichen, Investitionen in Milliardenhöhe weltweit aussetzen und sich von Geschäftsbereichen trennen. Der neue Chef Luc Oursel hat inmitten einer der schwersten Krisen der Kernenergie eine Phase der tiefgreifenden Umstrukturierung des Kernkraftwerksbauers eingeleitet - und die Gewerkschaften auf die Barrikaden gebracht.
Verschoben werden neben einem geplanten Werk in den USA für die Anreicherung von atomaren Brennstäben auch diverse andere Projekte in Afrika. Selbst ein Ausbau der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague steht nun in den Sternen. Die Sparpläne des Staatsunternehmens, das vom Uranbergbau über den Reaktorbau und die Herstellung und Aufbereitung von Kernbrennstoffen den ganzen Atomkreislauf beherrscht, gelten als Antwort auf die Folgen der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima.
Seit dem Unglück stornierten Kunden aus Ländern wie Japan und Deutschland Aufträge in dreistelliger Millionenhöhe. Obwohl Areva künftig auch stärker auf erneuerbare Energien setzen will, bleibt das Atomgeschäft dennoch Trumpf.
IG Metall befürchtet weitergehenden Jobabbau
Für Deutschland hat Areva den geplanten Stellenabbau bestätigt. "Die Entscheidung zum Atomausstieg der Regierung in Deutschland zwingt uns zum Abbau von 1200 bis 1500 Stellen von rund 6000", sagte Areva-Chef Luc Oursel der Zeitung "Le Figaro". Schon zuvor hatte der Betriebsrat über ähnliche Zahlen berichtet.
Darüber hinaus befürchtet die IG Metall, dass wegen eines auslaufenden Vertrages mit einem finnischen Geschäftspartner bis zu 1.000 weitere Stellen bald nicht mehr benötigt werden könnten. "Wenn dann keine neuen Aufträge ins Haus kommen, ist das Thema Arbeitsplatzabbau mit den jetzigen Zahlen mit Sicherheit nicht beendet und die Zukunft sieht da auch nicht sehr positiv aus", sagte der Geschäftsführer IG Metall Erlangen, Wolfgang Niclas, am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.
Die Gewerkschaft werde aber "ganz genau hinschauen, ob in Deutschland Arbeitsplätze abgebaut werden, um sie in Frankreich überproportional zu halten", sagte Niclas weiter.
Auf einer Pressekonferenz äußerte sich Oursel am Dienstag dann nicht mehr zu konkreten Zahlen. Er betonte aber vor allem mit Blick auf Frankreich, dass es im Verwaltungsbereich einen Einstellungsstopp geben werde. Die Zahl der so eingesparten Stellen werde im Bereich von "einigen hundert" liegen.
Afrikanische Minen kommen Areva teuer zu stehen
Bis 2016 soll der Atomriese wieder auf Kurs liegen, so sieht es der einschneidende Sparplan vor. Bis dahin will der Konzern jährlich mindestens zwei Europäische Druckwasserreaktoren (EPR) weltweit absetzen, verkündete Areva-Chef Oursel am Dienstag in Paris. Der Bergbauingenieur hatte erst vor sechs Monaten nach dem Abgang der langjährigen Chefin Anne Lauvergeon Platz im Areva-Chefsessel genommen. Bisher stehen erst vier derartige Reaktoren in den Auftragsbüchern - bis 2020 wollte Areva eigentlich 45 Stück verkaufen. Vier sind bereits im Bau, einer in Finnland, einer in Frankreich und zwei in China. Die ersten Modelle wurden wesentlich teurer als geplant, auch der Zeitplan geriet durcheinander.
Der EPR galt lange Zeit als Pilotprojekt für eine Renaissance der europäischen Atomindustrie nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986. Doch die Zeiten haben sich geändert, der Markt schrumpft. Der vom französischen Staat kontrollierte Areva-Konzern erwartet wegen außergewöhnlich hoher Wertberichtigungen vor allem im Minengeschäft 2011 einen operativen Verlust von 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro.
Hohe Wertberichtigungen für Uranminen
Der Marktführer in der Atomenergie tritt angesichts der ersten roten Zahlen seit der Gründung vor rund zehn Jahren daher hart auf die Kostenbremse. Das Unternehmen hatte 2007 noch Minenprojekte zu Höchstpreisen von der kanadischen UraMin in Namibia, Südafrika und der Zentralafrikanischen Republik erworben. Ihr Wert wurde nun um 1,46 Milliarden Euro gesenkt - nach Medienberichten etwa ein Fünftel des Kaufpreises. Vor allem in der namibischen Trekkopje-Mine versickerte das Geld offenbar nur so im Wüstensand.
Und nun ergaben neue Untersuchungen, dass die Lagerstätte kleiner als erwartet ist, während die Kosten steigen und die Uranpreise am Weltmarkt sinken. Alle Aktivitäten werden daher nun auf Eis gelegt - um eventuell nach 2016 wieder aufgenommen zu werden.
Bis 2016 werden die geplanten Investitionen um etwa ein Drittel auf 7,7 Milliarden Euro zurückgefahren. Zu den weiteren Maßnahmen gehören Verkäufe im Wert von 1,2 Milliarden Euro. Im neuen Bereich der erneuerbaren Energien soll der Umsatz von 750 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 1,25 Milliarden in 2015 steigen.