Klimagipfel "Der Preis konventioneller Energie ist beschönigt"
mm: Herr Töpfer, mit welchem Ergebnis rechnen Sie für den Klimagipfel in Kopenhagen?
Töpfer: Entgegen einer verbreiteten Skepsis war ich schon vor dem Beginn des Gipfels der Meinung, dass wichtige Fortschritte realistisch sind. Eine Einigung auf ambitionierte Ziele zur CO2-Reduktion ist möglich. Viele Signale der vergangenen Wochen bestärken mich in dieser Sicht.
mm: Welche Signale sind das?
Töpfer: Schon die Ankündigung Obamas, an der Schlussphase des Gipfels teilzunehmen, war so ein Zeichen, denn in der Schlussphase wird es ans Eingemachte gehen. Da werden die entscheidenden Linien von den politischen Spitzen festgelegt.
Welchen positiven Druck Obamas Ankündigung ausübt, ist schon daran zu erkennen, dass sich auch China zu einer genau bezifferten Reduzierung der CO2-Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts bereit erklärt hat - ebenfalls ein wichtiges Signal. Und schließlich will Russland mit dem Klimaschutz Ernst machen und zeigt Bereitschaft, sich auf Klimaziele festzulegen.
mm: Setzt die Öffentlichkeit nicht zu viel Hoffnung in Präsident Obama?
Töpfer: Die Wende, die Obama gegenüber der Klimapolitik seines Vorgängers vollzogen hat, kann man gar nicht überschätzen. Bis George Bush haben die Amerikaner den Klimaschutz blockiert, unter anderem indem sie sich weigerten, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Die CO2-Emissionen stiegen ständig weiter. Unter Obama ist erstmalig eine US-Regierung bereit, eine Senkung des CO2-Ausstoßes verbindlich zu realisieren. So wird denkbar, dass sie sich - wie die Mehrheit der Regierungen der OECD-Länder - auf Emissionsziele einlässt. Das ist ein Schwenk von 180 Grad!
"Die Wirtschaft stellt sich längst auf den Klimaschutz ein"
mm: Reichen die Reduktionsziele, mit denen auf dem Gipfel hauptsächlich operiert wird, denn aus, um der komplexen Materie Herr zu werden? Müsste der Gipfel nicht viel konkretere Maßnahmen verhandeln?
Töpfer: Sich auf diese Ziele zu einigen, ist durchaus ein komplexes Unterfangen! Wir haben es hier mit nicht weniger als 192 Staaten zu tun, die alle mit dem Klimaschutz höchst unterschiedliche Interessen verbinden und unterschiedlich betroffen sind. Da ist eher erstaunlich, dass es überhaupt möglich ist, sich auf Reduktionsziele festzulegen.
Selbstverständlich ist es daneben wichtig, zu besprechen, wie diese Ziele realisiert werden können. So müsste auf dem Gipfel stärker als bisher diskutiert werden, wie man die Wälder der Erde besser schützen kann.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass bereits vieles ohne Konferenzbeschluss in Gang gebracht wurde - leider unter dem Eindruck schrecklicher Ereignisse, etwa sich häufender Wirbelstürme und Flutkatastrophen. Die Wirtschaft ist längst dabei, sich auf den Klimaschutz einzustellen, und die deutsche Industrie geht mit gutem Beispiel voran. Ziel von Klimazielen muss es allerdings sein, auch ohne Katastrophen den Druck zu erhöhen, der solche Entwicklungen vorantreibt. Schnelle Einsicht kann Menschenleben retten. Außerdem: Diese Techniken begründen zukunftssichere Arbeitsplätze.
Klimagipfel Kopenhagen: Die Knackpunkte
mm: Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung spricht darüber, die Förderung für Fotovoltaik zurückzufahren. Halten Sie das vor diesem Hintergrund für richtig?
Töpfer: Es sind sich alle Beteiligten schon lange einig, dass die Fotovoltaikförderung ein abschwellendes Förderprogramm ist. Ich kann darin nichts Klimafeindliches erkennen, denn es sollte mit dieser Förderung ja immer darum gehen, einen schnell wachsenden Markt entstehen zu lassen. So hat man einen Ansturm auf Solaranlagen erzeugt. Derzeit werden Solaranlagen für Investoren über die staatliche Förderung hinaus immer attraktiver. Die Preise sind in diesem Jahr um 25 Prozent gefallen und der technische Fortschritt sorgt für immer effizientere Anlagen, ebenso wie Skaleneffekte. Eine dauerhaft hohe staatliche Förderung wäre daher weder ökonomisch vertretbar noch ökologisch sinnvoll. Entscheidend ist das Ausmaß und der Zeitrahmen der Verminderung.
"Industrie durfte jahrelang gratis CO2 emittieren"
mm: Vor wenigen Tagen meldete sich der Umweltökonom Joachim Weimann zu Wort und rechnete vor, dass die CO2-Einsparung mit Solarpanels bis zu 80 mal teurer ist, als wenn man konventionelle Kraftwerke dafür technisch aufrüstet. Ist die Solarförderung hinausgeschmissenes Geld?
Töpfer: Es erstaunt mich, dass diese an sich bedenkenswerte Kritik punktgenau wenige Tage vor dem Gipfeltreffen laut wird. Ich glaube aber, dass bei solchen Zahlen meist wichtige Faktoren unberücksichtigt bleiben. So muss man einkalkulieren, dass die fossilen Brennstoffe jahrzehntelang indirekt massiv gefördert wurden, weil sie CO2 gratis emittieren durften. Diesen rechnerischen Vorteil haben erneuerbare Energien nicht, was aber den Preis konventioneller Energie beschönigt. Nicht umsonst verzeichnet Solarenergie auch dort Zuwächse, wo die Förderung nicht so hoch ist wie in Deutschland, etwa in China.
mm: Was wäre Ihr Wunschergebnis für den Klimagipfel?
Töpfer: Es ist nicht mein Sinnen und Trachten, hypothetische Idealergebnisse in die Welt zu setzen. Klar ist, dass um die finanziellen Lasten des Klimaschutzes in Kopenhagen hart gerungen wird. In diesem Punkt muss eine Einigung erzielt werden. Die Anpassung der ärmsten Länder, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, ohne diesen verursacht zu haben, muss finanziell und technologisch von den Verursachern verantwortet werden.
mm: Was, wenn das nicht gelingt?
Töpfer: Dann wird es sehr schwer werden, auf anderen Gebieten Fortschritte zu machen. Das könnte sogar zu einem Scheitern des Gipfels führen.