Gestörtes Gerät ist Auslaufmodell EC-Karten-Chaos wird Einzelhändler noch Tage beschäftigen

Kartenzahlung an der Kasse: Seit Tagen in vielen Supermärkten nicht möglich
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ DPADieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Für Kundinnen und Kunden ist es seit sechs Tagen ein gewohntes und ärgerliches Bild: "Keine Kartenzahlung möglich", ist seit Dienstag in vielen Supermärkten auf eilig aufgestellten Pappschildern zu lesen. Neben Filialen von Aldi, Edeka, Rossmann oder Netto sind auch Tankstellen betroffen. Und obwohl die Supermarkt- und Drogerieketten inzwischen Entwarnung geben und grundsätzlich in den meisten Filialen wieder EC-, Giro- oder Debitkartenzahlungen annehmen können – das Problem wird den deutschen Einzelhandel noch Tage beschäftigen.
Hintergrund für die außergewöhnlich lange Störung ist ein Defekt des in Deutschland meistverkauften Kartenlesegeräts H5000. Dieser vom US-Konzern Verifone hergestellte und vom Zahlungsdienstleister Payone vertriebene Terminal ist in tausenden Filialen des deutschen Einzelhandels zu finden.
Das Gerät ist schon in die Jahre gekommen; es wird aktuell in Deutschland gar nicht mehr vertrieben, die bestehenden Geräte hätten bereits ausgetauscht werden sollen. Doch dieser Prozess verzögerte sich – offenbar auch wegen des globalen Chipmangels.
Seit Tagen bemühen sich nun Verifone und Payone darum, das Problem in den bestehenden Geräten durch ein Software-Update vor Ort oder gleich durch den Austausch des kompletten Terminals zu beheben. Doch so einfach ist es nicht.
Payone forciert Austausch der Terminals – und bitte nicht den Stecker ziehen
Die Update-Version sei noch nicht stabil genug, um sie flächendeckend einzusetzen, teilte Payone mit. Als Payment Service Provider vertreibt das Unternehmen die Geräte an die Handelsunternehmen. Da die Entwicklung und Erprobung der neuen Software durch den Gerätehersteller Verifone voraussichtlich noch andauern werde, empfehle man den Händlern einen "systematischen Terminaltausch" – also den Austausch des Kartenlesegerätes durch ein Nachfolgemodell.
Von der weltweit beliebtesten Lösung bei IT-Problemen – einmal Stecker ziehen und dann Neustart des Systems – rät Payone seinen Kunden ausdrücklich ab: Die gestörten H5000-Terminals sollten unverändert am Strom wie auch am Netzwerk angeschlossen bleiben.
Noch zugeknöpfter gibt sich Verifone, der Gerätehersteller aus den USA. Man sei sich bewusst, dass es bei den H5000-Terminals "ein Problem mit der Nutzbarkeit" gibt. Das Problem hänge aber nicht mit dem Ablauf eines Zertifikats zusammen, wie zunächst vermutet worden war. Das Problem sei ein Softwarefehler, der keine Sicherheitslücke darstelle, beteuert Verifone. Man arbeite – selbstverständlich – mit "Hochdruck" an einer Lösung. Übersetzt heißt das: Es wird noch einige Zeit dauern, bis die H5000 Terminals überall wieder fehlerfrei funktionieren.
Kreditwirtschaft sieht kein Problem bei den sicherheitstechnischen Vorgaben
Vermutungen, die Störung bei den Verifone-Geräten könne auf den Ablauf eines Sicherheits-Zertifikats zurückzuführen sein, weist der Verband der Deutschen Kreditwirtschaft zurück. Das aktuelle Problem sei nicht auf die Nutzung der funktionalen und sicherheitstechnischen Vorgaben der Deutschen Kreditwirtschaft zurückzuführen, betonte ihr Sprecher Thomas Schlüter am Montag gegenüber manager magazin. Vielmehr betreffe die Störung ein seit mehreren Jahren im Einsatz befindliches und praxiserprobtes Gerät. Bislang habe der Hersteller Verifone jedoch noch keinen Termin genannt, wann die Störung behoben sei.
Die sicherheitstechnischen Vorgaben für die Zahlungsterminals sind in dem sogenannten "Technischen Anhang zum Netzbetreibertrag" (TA) geregelt. Diese Vorgaben werden regelmäßig überprüft und aktualisiert. Derzeit stelle die Deutsche Kreditwirtschaft auf die neue Version "TA 7.2" um, erklärt Schlüter. Der Terminal H5000 von Verifone erfülle diese neuesten Vorgaben zwar nicht. Er könne aber zeitlich begrenzt weiter betrieben werden, da aus sicherheitstechnischer Sicht keine Bedenken bestehen.
Anders gesagt: Der betroffene Terminal H5000 ist auch aus Sicht der Kreditwirtschaft ein Auslaufmodell, der die neuesten Anforderungen des Verbandes nicht mehr erfüllt. Daher dürfte er nur noch für begrenzte Zeit im Einsatz sein.
Aldi, Edeka und Netto kommen beim Austausch der Geräte voran
Viele Einzelhändler wollen sich daher auf das Software-Update nicht verlassen und haben bereits am Wochenende damit begonnen, das Terminal in ihren Filialen gegen ein Nachfolgemodell auszutauschen. Aldi Nord und Edeka sind dabei bereits gut vorangekommen: "In den meisten Edeka-Märkten ist die EC-Kartenzahlung seit heute wieder möglich", bestätigte eine Edeka-Sprecherin gegenüber dem manager magazin. Vereinzelt gebe es zwar noch Probleme, aber auch in diesen Märkten sei in der Regel "mindestens ein funktionsfähiges Terminal eingerichtet". Das bedeutet: Wer kein Bargeld hat, muss eventuell an der EC-Kasse länger warten.
Bei der Edeka-Tochter Netto könne ab sofort wieder in allen Filialen mit EC-Karte bezahlt werden, bestätigte die Sprecherin. Der Discounter stellt seine Terminals ebenso wie Aldi Nord und die Drogeriekette Rossmann um und ersetzt den H5000 durch neuere Geräte.
Auch bei Aldi Nord geht der Umtausch voran (Aldi Süd Filialen waren nicht von dem Problem betroffen). Kartenzahlung werde in allen Filialen "kurzfristig wieder möglich sein", sagte ein Sprecher am Montag. Die betroffenen Zahlungsgeräte würden dabei durch neue Modelle ersetzt. "Viele Märkte wurden bereits am Wochenende und am Montag umgerüstet, die restlichen folgen in den nächsten Tagen."
Einzelhandel bekommt weltweiten Chipmangel zu spüren
Aus Kreisen der betroffenen Einzelhandelsunternehmen heißt es, die betroffenen Terminals sollten im Laufe dieses Jahres ohnehin ausgetauscht und durch neue Modelle ersetzt werden. Dieser Wechsel habe bereits vor Monaten begonnen, lange bevor die massiven Software-Probleme auftraten. Allerdings habe der Chipmangel und die weltweite Störung der Lieferketten dafür gesorgt, dass sich dieser Austauschprozess verzögert habe. Eine Bestätigung des Herstellers Verifone gab es am Montag dafür nicht.
"Bargeld bleibt als sichere Alternative wichtig"
Wie auch immer das Problem gelöst wird – alle Beteiligten haben verloren: die Einzelhändler genauso wie die Bezahldienstleister und Gerätehersteller. Sogar die zuletzt von der Finanzwirtschaft geförderte Akzeptanz der im Vergleich zum Bargeld günstigeren Kartenzahlung könnte Schaden nehmen. Die Probleme mit dem Kartenleseterminal führten "die Risiken vor Augen, die eine zu starke Abhängigkeit unserer Wirtschaft von unbaren Zahlungsinstrumenten mit sich bringt", sagte etwa Claudio Zeitz-Brandmeyer vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Auch wenn bargeldlose Verfahren immer mehr an Bedeutung gewinnen, bleibt das Bargeld als sichere Alternative wichtig." Den Trend weg vom Bargeld im Einzelhandel sieht der Verbraucherschützer daher kritisch. Er fordert ein Gesetz, damit überall im Einzelhandel in der Regel auch Bargeldzahlungen möglich sein müssen.
Anbieter von Bezahlungs-Apps wittern ihre Chance
Das Chaos lockt derweil neue Akteure an: Die Software-Panne bei dem H5000-Terminal ermutigt alternative Zahlungsdienstleister, die bislang nicht im Einzelhandel aktiv waren, dieses Geschäftssegment in Angriff zu nehmen. Dazu gehören die Betreiber der Luca-App, die ihre Plattform von einer Kontakterfassungs-App zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu einer Bezahlanwendung gewandelt haben. Sie kündigten am Montag an, ihren digitalen Bezahldienst neben der Gastronomie nun auch für den Einzelhandel anzubieten.
Bargeldlose Zahlungen haben in Deutschland durch die Pandemie einen Schub bekommen. Der Umsatzanteil der Kartenzahlungen im stationären Handel stieg von 50,5 Prozent 2019 auf 58,8 Prozent im vergangenen Jahr, wie eine Anfang Mai veröffentlichte Untersuchung des Kölner Handelsforschungsinstitutes EHI ergab.