Streaming statt Freizeitparks Disney-Chef Bob Chapek muss über seinen Schatten springen

Besucher im Freizeitpark Disneyland Paris im September
Foto: Jà rà me Leblois / imago images/Hans LucasDie Corona-Krise hat Walt Disney ein weiteres Quartal mit roten Zahlen eingebrockt. In den drei Monaten bis Ende September betrug der Verlust unterm Strich 710 Millionen Dollar (601 Millionen Euro), wie der US-Unterhaltungsriese am Donnerstag nach US-Börsenschluss mitteilte. Im Vorjahr hatte es noch 777 Millionen Dollar Gewinn gegeben. Dennoch erholte sich Disney langsam vom Corona-Schock, der weite Teile des Entertainmentimperiums stillgelegt und im Vorquartal zu einem enormen Minus von 4,7 Milliarden Dollar geführt hatte.
Als großen Erfolg strich Vorstandschef Bob Chapek (60) erneut das Streaminggeschäft rund um den Onlinevideodienst Disney+ heraus, der zum Quartalsende bereits fast 74 Millionen Nutzer hatte und die Erwartungen damit bei Weitem übertraf. Der Konzern hatte den Investoren erst für 2024 in Aussicht gestellt, 60 bis 90 Millionen Kunden zu erreichen.
Disney+ war vor exakt einem Jahr gestartet, um Netflix Konkurrenz zu machen. Der Marktführer bleibt trotz Disneys starken Wachstums jedoch vorerst die klare Nummer Eins - Netflix hatte weltweit zuletzt gut 195 Millionen Abonnenten. Disney+ ist allerdings erst in rund 20 Ländern verfügbar.
Freizeitpark-Mann Chapek nennt Streaming als "Lichtblick"
Chapek bezeichnete das Streaminggeschäft als den "Lichtblick" der Bilanz und als "Schlüssel zur Zukunft unseres Unternehmens". Chapek hatte im Februar die Nachfolge des langjährigen Konzernchefs Bob Iger (69) angetreten. Im Rückblick scheint die Wahl im Widerspruch zur nun nötigen Strategie zu stehen. Denn Chapek hatte zuvor Karriere als Manager der Freizeitparks gemacht. Der lange als Favorit für den Topjob geltende Kollege Kevin Mayer (58) hingegen hatte Disney+ aufgebaut und verließ den Konzern nach Chapeks Berufung, um - letztlich nur für drei Monate - Chef von TikTok zu werden.
Erst im Oktober beschloss Disney einen Konzernumbau, um seine On-Demand-Videodienste noch stärker in den Vordergrund zu rücken. Manche Investoren fordern jedoch eine deutlich radikalere Wende. Die Investitionen sollten auf das Streaminggeschäft konzentriert werden. So könnten teure Filmproduktionen von Disney gleich auf der Plattform Disney+ laufen statt exklusiv in Kinos.
Auch Disneys Onlinedienste Hulu und ESPN+ steigerten ihre Nutzerzahlen im abgelaufenen Quartal kräftig, sie brachten es Ende September auf 36,6 Millionen beziehungsweise 10,3 Millionen Nutzer. Insgesamt lagen die Quartalszahlen deutlich über den Prognosen der Analysten, was die Aktie nachbörslich zunächst kräftig steigen ließ.
Der Streamingboom zahlt sich für Disney bislang jedoch nicht aus. Denn der Auf- und Ausbau der Video-Dienste verschlingt viel Geld. Die Sparte ist alles andere als profitabel, der Quartalsverlust belief sich auf 580 Millionen Dollar.
Noch immer verdienen Filmstudios und Kabelsparte das Geld
So waren es - trotz aller Euphorie um die wachstumsstarken Streamingservices - die klassische Kabelsparte und die Filmstudios, die für Disney das Geld verdienten. Allerdings reichten die Gewinne hier bei Weitem nicht, um die Konzernbilanz insgesamt ins Plus zu hieven. Die Hollywoodstudios leiden zudem ebenfalls unter der Pandemie - Disney räumte selbst ein, dass es im ganzen Quartal keine bedeutende Kinoproduktion gegeben habe.
In der Gesamtbetrachtung bleibt der Micky-Maus-Konzern stark angeschlagen, der Umsatz fiel im Jahresvergleich um 23 Prozent auf 14,7 Milliarden Dollar.
Besonders das Geschäft mit Vergnügungsparks, Ferienresorts und Kreuzfahrten - in normalen Zeiten ein wichtiger Gewinnbringer - kriselt heftig. Die Erlöse sanken hier um 61 Prozent auf 2,6 Milliarden Dollar, der Betriebsverlust betrug 1,1 Milliarden Dollar. Das Sorgenkind ist Disneyland Kalifornien, das seit Monaten pandemiebedingt geschlossen ist, woran sich der Konzernführung zufolge sobald auch nichts ändern wird. Aufgrund des neuen Lockdown in Frankreich wurde zudem auch Disneyland Paris wieder dichtgemacht.
Im gesamten abgelaufenen Geschäftsjahr 2020 erlitt Disney eigenen Angaben zufolge einen Nettoverlust von 2,8 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte der Konzern noch 10,4 Milliarden Dollar verdient. Die Erlöse sanken zwar lediglich um 6 Prozent auf 65,4 Milliarden Dollar - anfangs liefen die Geschäfte noch rund, doch dann kam die Pandemie dazwischen und verursachte milliardenschwere Sonderkosten. Laut dem Finanzdatenanbieter Factset hat der Konzern seit mindestens 1980 keinen Jahresverlust hinnehmen müssen. Disneys Geschäftsjahr weicht vom Kalenderjahr ab und endet im September.