CureVac-Forscher bei der Arbeit: Hauptinvestor Dietmar Hopp plant Börsengang in den USA - und hofft auf einen Corona-Impfstoff in wenigen Monaten
Foto: Sebastian Gollnow/dpaDer deutsche Covid-19-Impfstoffentwickler CureVac treibt seine Börsenpläne in den USA voran. Das Tübinger Biotech-Unternehmen beantragte am Freitag nach eigenen Angaben den Sprung auf das amerikanische Handelsparkett. CureVac zählt zu den wenigen deutschen Unternehmen, die sich im Wettlauf um einen Corona-Impfstoff befinden. Hauptinvestor bei Curevac ist Dievini, die Beteiligungsgesellschaft des SAP-Gründers Dietmar Hopp. Zudem sind diverse Investoren engagiert, etwa die Bill & Melinda Gates Foundation. Zu den Großinvestoren gehören der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK), der Bund und der katarische Staatsfonds QIA. CureVac hatte im Juni mit der klinischen Erprobung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten begonnen und will diesen bis Mitte nächsten Jahres marktreif haben.
Moderna-Chef Stéphane Bancel: Dieser Mann ist Curevacs härtester Widersacher
CureVac arbeitet an sogenannten mRNA-Impfstoffen. mRNA ist eine Art Botenmolekül, in dem die Bauanleitung zur Herstellung von Proteinen steckt. Für ihren Impfstoff haben die CureVac-Forscher mRNA mit der Bauanleitung für ein Protein des Coronavirus Sars-CoV-2 versehen. Die menschlichen Zellen bilden nach der Impfung dieses Protein, was der Körper als fremd erkennt. Er bildet Antikörper und andere Abwehrzellen dagegen. Die vor einer klinischen Studie nötigen Voruntersuchungen seien erfolgreich verlaufen, teilte das Unternehmen auf seiner Webseite mit.
Das Unternehmen hatte bereits im Juni für Schlagzeilen gesorgt, als die Bundesregierung angekündigt hatte, über ihre Förderbank KfW mit 300 Millionen Euro bei CureVac einzusteigen . Damit soll die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das grassierende Coronavirus beschleunigt werden. Auch die US-Regierung soll an der Firma Interesse gehabt haben. Von dem Einstieg dürfte auch SAP-Mitgründer Dietmar Hopp profitieren. Er ist Miteigentümer von CureVac. Der Einstieg des Bundes dürfte seinen 80-Prozent-Anteil zwar verwässern, ihn aber auch deutlich im Wert steigen lassen.
Weltweit forscht die Pharmaindustrie fieberhaft an Impfstoffen und Medikamenten gegen das neuartige Coronavirus. Eine ganze Reihe von Impfstoffprojekten wird bereits am Menschen getestet. Vorne mit dabei ist der US-Biotechkonzern Moderna, der mit seiner klinischen Studie Mitte März begann.
CureVac zählt zur Top-Liga möglicher Corona-Impfstoffentwickler
CureVac gehört neben Moderna und dem Mainzer BionTec zu den drei Forschungsfirmen, denen derzeit die besten Chancen für die schnelle Entwicklung eines einen Impfstoff zur Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus eingeräumt werden. Alle drei arbeiten mit der sogenannten Messenger-RNA-Methode.
Anders als klassische Impfstrategien, bei denen entweder das Virus selbst in abgeschwächter Form oder ein Protein des Virus gespritzt wird, um Immunität zu erzeugen, setzt die mRNA-Technik am Erbgut des Virus an. Dabei wird eine charakteristische Sequenz der Virus-Gene am Computer neu designt. Diese mRNA wird dann dem Patienten injiziert - und der Körper stellt quasi selbst einen Impfstoff her, um die körperfremden Gene zu eliminieren.
Größter Vorteil verglichen mit herkömmlichen Methoden: Das Gendesign geht um ein Vielfaches schneller als das mühsame Züchten von Viren in Eiern oder Tieren. Zudem muss der Gen-Impfstoff anders als die temperaturempfindlichen natürlich hergestellten Mittel beim Transport in alle Welt nicht durchgängig gekühlt werden. Allerdings gibt es bislang keine zugelassenen Medikamente oder Impfstoffe, die auf dieser Technik beruhen.
Europa meldet sich als wichtiger Player im globalen Rennen um Covid-19-Impfstoffe. Dem britischen Pharmakonzern Astra Zeneca haben vier EU-Staaten Mitte Juni die Abnahme von 400 Millionen Impfdosen zugesagt, die dann europaweit verteilt werden. Im Gegenzug soll die Produktion auch in Europa stattfinden. Die Hoffnung auf eine globale Lösung reicht offenbar nicht mehr. "Das 'Jeder-für-sich' wäre ein großer Fehler", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch Anfang Mai in einer Online-Geberkonferenz, in der acht Milliarden Dollar von verschiedenen Staaten zugesagt wurden.
Deutschland geht noch weiter. Bei dem Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac beteiligt sich der Bund mit 23 Prozent des Kapitals. Curevac, das bald mit Tests seines eigenen Impfstoffs beginnen will, sorgte schon Mitte März für Aufsehen: Berichten zufolge wollte Donald Trump wolle die Kompetenz in die USA lotsen. "Germany is not for sale", erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier.
China ist schon weiter und meldet die Freigabe von zwei Impfstoffen gegen Covid-19. Die Staatsfirma Sinopharm hat 50.000 Dosen für die klinischen Phase-I-Tests hergestellt, die im April starteten. Vorbereitet sei eine Kapazität von 100 Millionen Impfdosen pro Jahr. Entwickelt wurden die Stoffe im Corona-Epizentrum Wuhan. Das Land hat als erstes mit der wirtschaftlichen Lockerung begonnen. Sicherheit vor Rückfällen in die Pandemie gibt es aber erst mit einer Impfung. Eine weitere Testreihe von der Militärmedizinakademie und dem Biotech-Unternehmen CanSino Bio aus Hongkong startete bereits Anfang April. Sinovac steht vor der letzten, Phase-III-Studie in Brasilien.
Für den global koordinierten Ansatz steht die von Frederik Kristensen geleitete Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die in Oslo staatliche Stellen und Firmen verbindet. Die CEPI hat mehr als 100 verschiedene Impfstoffkandidaten ausgemacht, acht besonders aussichtsreiche Projekte werden von der Initiative bislang gefördert.
Microsoft-Gründer Bill Gates hat sich pünktlich zur Pandemie aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, um sich ganz auf seine Rolle als Gesundheitsaktivist zu konzentrieren. Die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung finanziert nicht nur die Entwicklung von Heilmitteln. Sie unterstütze schon vor der Krise die CEPI. Wenn in der zweiten Jahreshälfte 2021 eine Massenproduktion von Impfstoffen gelinge, wäre das ein historisch beispielloser Erfolg, erklärt Gates.
Zu den Vorreitern zählen auch weitere deutsche Biotech-Unternehmen. Biontech aus Mainz startete bereits im April eine klinische Studie in Deutschland. Die Firma kooperiert international mit dem US-Pharmariesen Pfizer und in China mit Fosun Pharma. Noch im Juni sollen erste Ergebnisse vorliegen. Mithilfe eines 100-Millionen-Euro-Kredits der Europäischen Investitionsbank soll auch die Massenproduktion gelingen. Die Aussicht, das gefragte Mittel als eine der ersten Firmen herstellen zu können, katapultierte den Börsenwert des Unternehmens auf zehn Milliarden Euro.
Auch die großen Pharmakonzerne zeigen besonderen Einsatz: Die von Emma Walmsley geführte GlaxoSmithKline (GSK) meldete am Osterdienstag eine außergewöhnliche Kooperation mit dem Wettbewerber Sanofi. Beide hätten Stoffe in der Entwicklung, die sich ergänzen könnten. Im Erfolgsfall käme die Kombi-Impfung in der zweiten Jahreshälfte 2021 auf den Markt. Normalerweise dauere die Entwicklung ein Jahrzehnt, erklärt Walmsley. Weil es dringend sei, werde man die Arbeit jedoch beschleunigen. Und: Die Welt brauche mehr als nur einen Impfstoff. GSK rechnet sich zudem wegen einer Kooperation mit der chinesischen Biotech-Firma Clover Pharmaceuticals besonders gute Chancen aus.
Die ersten klinischen Versuche an Menschen - entgegen des wissenschaftlichen Usus ohne vorige Labor- und Tierversuche - begannen schon Mitte März im US-Staat Washington.
Der Impfstoff kam von der US-Biotechfirma Moderna von Stéphane Bancel. Sie hatte Ende Februar bereits einen fertigen Impfstoff testbereit geliefert - nach eigenen Angaben in Rekordzeit: 42 Tage nach der Identifikation des Virus, das erst in der Zwischenzeit den Namen Sars-Cov-2 bekam. Doch auch hier stehen noch Testreihen an.
Während Konzerne und Startups die Schlagzeilen beherrschen, leisten staatliche Stellen einen wichtigen Teil der Arbeit. Am 3. März ließ sich Donald Trump die Fortschritte eines Labors der National Institutes of Health erklären. Links die Forscherin Kizzmekia Corbett, die wissenschaftliche Leiterin des Projekts Corona-Impfung. Auch die Produkte der privaten Firmen werden von ihren Instituten getestet. Erste Patienten hätten das Mittel von Moderna für klinische Tests erhalten, meldete das NIH im März.
Der britische Premier Boris Johnson, der selbst an Covid-19 erkrankte, wurde zuvor wegen seiner laxen Kontrollpolitik kritisiert - zeigte sich aber zumindest in der medizinischen Forschung aktiv. Das Unternehmen Mologic in Bedford nördlich von London wird vom britischen Staat mit finanziert.
Marylyn Addo, Leiterin der Infektiologie am Hamburg Universitätskrankenhaus Eppendorf, ist der Öffentlichkeit vor allem durch Updates über die Ausbreitung der Pandemie bekannt - zugleich aber auch führend an der Prüfung von Impfstoffen beteiligt, zusammen mit dem Kollegen Gerd Sutter von der LMU-München, die den Stoff einst gegen Pocken entwickelte, und der Dessauer Firma IDT Biologika als Produktionspartner. Ihre Technik wurde bereits 2018 als Impfstoff gegen das im Nahen Osten grassierende Mers-Coronavirus zugelassen.
Christian Charisius / DPA
Die zum französischen Sanofi-Konzern gehörende Firma Protein Sciences aus dem US-Staat Connecticut kann ebenfalls auf vergangene Erfolge verweisen: Sie war an der Entwicklung des Impfstoffs gegen das ursprüngliche Sars-Coronavirus beteiligt, das 2002/2003 in Ostasien eine Pandemie auslöste. Marktreif wurde das Mittel jedoch nie - es wurde schlicht nicht mehr benötigt, als Sars nicht weiter umging.
Auch das International Vaccine Institute (IVI) arbeitet in eigenen Laboren an Antikörpern gegen das Coronavirus. Das IVI, als Gründung des UN-Entwicklungsprogramms von mehreren Staaten getragen, sitzt im südkoreanischen Seoul - einem der Hotspots von Covid-19.
Das staatlich finanzierte israelische Forschungsinstitut Migal, geleitet von David Zigdon, meldete Anfang März einen "Durchbruch". Bereits entwickelt haben die Israelis einen Impfstoff jedoch noch nicht, entgegen früheren Jubelmeldungen in sozialen Medien. Solange dieser Schutz nicht gefunden ist, kann die Pandemie höchstens gebremst, nicht aber gestoppt werden.
Microsoft-Gründer Bill Gates hat sich pünktlich zur Pandemie aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, um sich ganz auf seine Rolle als Gesundheitsaktivist zu konzentrieren. Die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung finanziert nicht nur die Entwicklung von Heilmitteln. Sie unterstütze schon vor der Krise die CEPI. Wenn in der zweiten Jahreshälfte 2021 eine Massenproduktion von Impfstoffen gelinge, wäre das ein historisch beispielloser Erfolg, erklärt Gates.
Foto: Elaine Thompson / APZu den Vorreitern zählen auch weitere deutsche Biotech-Unternehmen. Biontech aus Mainz startete bereits im April eine klinische Studie in Deutschland. Die Firma kooperiert international mit dem US-Pharmariesen Pfizer und in China mit Fosun Pharma. Noch im Juni sollen erste Ergebnisse vorliegen. Mithilfe eines 100-Millionen-Euro-Kredits der Europäischen Investitionsbank soll auch die Massenproduktion gelingen. Die Aussicht, das gefragte Mittel als eine der ersten Firmen herstellen zu können, katapultierte den Börsenwert des Unternehmens auf zehn Milliarden Euro.
Foto: Thomas Lohnes / Getty ImagesHier wird an Deutschlands Ausweg aus der Corona-Krise gearbeitet: Die Entwickler in der SAP-Zentrale haben über Pfingsten den Quellcode der vom Bund beauftragten Corona-Tracing-App veröffentlicht. Nur mittels Bluetooth sollen die Nutzer dezentral einander mitteilen, ob ein verstärktes Infektionsrisiko bestanden hat, das einen Corona-Test notwendig machen würde. Das lange erwartete Projekt startet am 16. Juni, mit Hilfe der Deutschen Telekom. Andere Länder sind schon weiter:
Frankreichs Premierminister Edouard Philippe präsentierte die in der Vorwoche vom Parlament abgesegnete App "StopCovid" als Element der zweiten Lockerungsetappe. Seit Anfang Juni ist sie erhältlich. Eine europaweit einheitliche App, wie zeitweise gefordert, ist außer Sicht. Die Franzosen entschieden sich nach Verhandlungen gegen die Nutzung der von Apple und Google angebotenen Schnittstelle.
Italien hingegen, wo die von einem Mailänder Unternehmen entwickelte App Immuni ebenfalls an den Start geht - zunächst nur in 4 der 20 Regionen - setzt voll auf den internationalen Standard.
Die erste massenhaft verbreitete Corona-App war "Trace Together" aus Singapur, veröffentlicht am 20. März. Aus Datenschutzgründen wurde ein eigenes Übertragungsprotokoll namens BlueTrace entwickelt. Die App wurde bis Anfang Juni 1,6 Millionen Mal heruntergeladen, was mehr als ein Viertel der Bevölkerung Singapurs ausmacht.
Nicht viel später hatte auch Österreich seine eigene Corona-App: "Stopp Corona", veröffentlicht vom Roten Kreuz am 25. März.
Die Schweizer App "SwissCovid" sollte ursprünglich alleine den von der Technischen Hochschule EPFL in Lausanne entwickelten Standard DP-3T nutzen, das Vorbild für den konkurrierenden europäischen Standard Pepp-PT und die Apple/Google-Schnittstelle. Diese wird nun ebenfalls verwendet.
Die norwegische App Smittestopp war die erste in Europa, die Apple und Google eine Absage erteilte - und die erste, die auf Intervention der Datenschutzbehörde Mitte Juni wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Wegen der inzwischen geringen Infektionszahlen sei die Datensammlung nicht mehr verhältnismäßig, hieß es.
In Island erreichte die Anfang April veröffentlichte Corona-App "Rakning" schon einen Monat später fast die Hälfte der Inselbevölkerung durch freiwillige Downloads. Gegenüber der "MIT Technology Review" urteilte der Leiter der Corona-Tracing-Einheit der Polizei trotz dieses Erfolgs, die App sei "kein Game Changer". Wichtiger sei, jeden einzelnen Fall und sämtliche Kontakte polizeilich nachzuverfolgen. Die Isländer setzen auf verlässlichere Geodaten statt auf Bluetooth.
Laut einer Studie der Oxford University können Tracing-Apps alleine die Epidemie stoppen, wenn sie von 60 Prozent der Bevölkerung genutzt werden - dieses Niveau erreichen in der Regel nicht einmal die verbreitetsten Apps wie WhatsApp oder Facebook. Indien hat seinen Bürgern vorgeschrieben, die Corona-App "Aarogya Setu" zu nutzen und regelmäßig den Gesundheitsstatus zu aktualisieren - als Voraussetzung zum Arbeiten oder, wie hier im Bild, für die Abfertigung am Flughafen. Die App kam Anfang Mai schon auf 100 Millionen Downloads.
Am weitesten geht China - aber statt einer einzelnen Tracing-App ließen die Behörden seit Anfang Februar eigene Miniprogramme innerhalb verbreiteter Apps wie Alipay, Wechat oder QQ installieren. So konnte schon zu Beginn der Lockerungen von allen Smartphone-Nutzern verlangt werden, einen QR-Code an verschiedenen Kontrollstellen zu scannen. Der persönliche Gesundheitsstatus, wie von der App gemeldet, ist der Schlüssel zur Bewegungsfreiheit.