Einsatz von KI in Unternehmen Mit ChatGPT am Konferenztisch

Das Unternehmen matelso setzt den Chatbot ChatGPT bereits jetzt in Meetings ein. Gründer Frank Froux erklärt, warum er auf die KI-Anwendung in seinem Unternehmen setzt – trotz einiger Schwachstellen.
Das Interview führte Franziska Martin
ChatGPT im Einsatz (Symbolbild)

ChatGPT im Einsatz (Symbolbild)

Foto: Tanja Pickartz / FUNKE Foto Services / IMAGO

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Seit Anfang dieses Jahres nimmt ein besonderer Gast an den internen Besprechungen des Tech-Unternehmens Matelso teil: Der Chatbot ChatGPT. Für Frank Froux, Geschäftsführer und Gründer, ist der Chatbot ein willkommener Teilnehmer, der ihm bei seiner Arbeit hilft: Sein MarTech-Unternehmen bewegt sich an der Schnittstelle von Marketing und Technologie und entwickelt unter anderem datengetriebene Plattformen, die Kunden dabei helfen soll, ihre Gewinne zu steigern. Leider zeigt sich der Chatbot von seinem Privileg, an den Meetings von Froux teilnehmen zu dürfen, recht unbeeindruckt: "Wer ist Frank Froux?" fragt Froux zu Ende des Interviews. Als Antwort erscheint auf dem Bildschirm: "Ich habe keine Informationen über eine Person namens Frank Froux."

Herr Froux, bei Ihren internen Meetings sitzt der Chatbot ChatGPT bereits mit am Tisch. Wie genau darf ich mir das vorstellen?

Wenn wir zum Beispiel ein virtuelles Meeting haben, dann stellen wir eine Frage an ChatGPT und teilen die Antwort dann auf dem Bildschirm. Falls wir in einem realen Raum sitzen, sehen wir auf dem Beamer, was ChatGPT als Teilnehmer unseres Gesprächs beitragen kann.

In welchen Bereichen kommt ChatGPT bei Ihnen zum Einsatz?

Wir nehmen ChatGPT als vollwertigen Gesprächspartner wahr, der zum richtigen Zeitpunkt im Meeting konsultiert wird. Es geht häufig darum, Begrifflichkeiten eindeutig zu definieren und dadurch intern einen Dialog zu führen, der nicht aneinander vorbeiführt. Das Thema Begrifflichkeit ist enorm wichtig, auch beim Onboarding von Mitarbeitern: Gerade bei jungen Kollegen ist das sehr anspruchsvoll. Wir ziehen den Chatbot auch hinzu, wenn es darum geht, was wir auf unsere Präsentationen oder auf unsere Werbekampagnen schreiben. Auch bei Grundsatzfragen, beispielsweise, wie sich Märkte entwickelt haben oder welche Informationen es zu Wettbewerbern im Netz gibt, ist ChatGPT ein verführerisches Tool, um eine relativ qualifizierte Antwort zu erhalten. Wenn Sie mich aber fragen, wie ernst wir das nehmen, für wie gut wir die Antworten halten – das steht auf einem anderen Blatt und sollte von Fall zu Fall noch einmal konkret bewertet werden.

Die Basis der Daten, mit denen ChatGPT trainiert worden ist, sind Quellen aus dem Internet bis Mitte 2021. Sie arbeiten hier also mit teilweise veralteten Informationen. Ist das schlau für eine Marketing-Firma, die sich auf aktuelle Informationen verlassen muss?

Ja, das ist deswegen schlau, weil wir diese Prämisse kennen. Wir setzen natürlich unseren menschlichen Filter an und versuchen die Antworten vor dem Hintergrund zu berücksichtigen, auf welchen Datensatz ChatGPT zugreift. Zum Datensatz gehört sicherlich nicht nur der Zeitraum, sondern auch die Quellen. Wir wissen um die Mächtigkeit, aber im selben Atemzug auch um die Begrenztheit von ChatGPT. Der Sprachbot ist bei uns nicht Meinungsmacher, sondern Wissens-Lieferant im Sinne einer Schwarmintelligenz. Und was kann mir da Besseres passieren, als möglichst viele qualifizierte Wissensbestände an einen Tisch zu bringen und diese zusammenzuführen.

"Chat GPT ist bei uns nicht Meinungsmacher, sondern Wissens-Lieferant im Sinne einer Schwarmintelligenz"

Frank Froux

Wenn Sie von ChatGPT als Wissenslieferant sprechen – das Programm steckt ja derzeit noch in einer Versuchsphase. So schreibt zum Beispiel OpenAI, der Entwickler selbst, auf der Website zum Chatbot: "Manchmal gibt es plausibel klingende, aber inkorrekte Antworten". Ist ChatGPT dann wirklich ein gleichberechtigter Ansprechpartner im Unternehmen, auf den man sich auch verlassen kann?

Nur weil ChatGPT intern ein gleichberechtigter Gesprächspartner oder Content-Lieferant bei uns ist, ist die Tür für Google, Statista oder manager magazin als Content-Quelle ja nicht zu. Wissend, dass ChatGPT seine Limitationen hat, schaue ich immer mal wieder in andere Publikationen hinein, um im Zweifel andere Informationen zu Begriffsdefinitionen, Märkten oder Wettbewerbern dazuzugewinnen. Deswegen fällt die Frage, inwieweit bei ChatGPT mal was falsch ist oder richtig ist, nicht ganz so ins Gewicht, weil wir nicht alles auf ChatGPT setzen, sondern den Bot als ein Mosaiksteinchen betrachten.

Wenn Sie Antworten von ChatGPT mit Treffern von Google vergleichen: Es kommt ja auch darauf an, wie man die Fragen bei ChatGPT stellt. Bei unklar formulierten Fragen zum Beispiel versucht der Chatbot auch zu raten, was der Fragende möchte. Wie passgenau ist das dann?

Ich glaube, da bin ich noch nicht erfahren genug, um das seriös beantworten zu können. Wir machen das, was ich skizziert habe. Nicht mehr und nicht weniger. Es geht um einen kulturellen Ansatz und eine Schwarmintelligenz. Wir beziehen ChatGPT seit Anfang des Jahres mit ein und haben noch nicht die statistischen Daten, um tatsächlich zu bewerten, ob es langfristig wertvoll ist, diesen Gesprächspartner bei uns zu haben oder nicht. Wenn Sie mich für den Moment fragen, würde ich sagen, ja, er ist sinnvoll.

"Wir betrachten den Bot als Mosaiksteinchen."

Die Datenbasis des Bots geht auf Internetquellen bis Mitte 2021 zurück. Zusätzlich verarbeitet ChatGPT aber auch alle neu eingehenden Anfragen der Nutzer. Haben Sie da bei Ihrem Unternehmen datenschutzrechtliche Bedenken?

Ich habe mich mit der Frage noch nicht beschäftigt, trotzdem empfinde ich kein Angstgefühl. Ich als Unternehmer sollte keine Angst haben. Ich muss Dinge positiv bespielen. Ob ich als Unternehmer Angst davor habe, dass ChatGPT eventuell Daten über uns veröffentlicht, die tatsächlich wahr oder eventuell falsch sind? Ich glaube, das gibt es heute schon. Deswegen sage ich, dass ChatGPT nur ein weiterer Kanal unter vielen ist.

Wo sehen Sie denn den Einsatz von KI in Zukunft bei Unternehmen in Ihrer Branche?

Durch die datengetriebene Gestaltung von Webseiten kann ein größerer wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden. Es geht um die Optimierung des monetären Einsatzes – und diesen Gedanken übertragen wir jetzt auf die KI. In der MarTech-Branche zum Beispiel haben wir eine große Fluktuation von Mitarbeitern, neue Angestellte müssen rekrutiert werden. Durch das Training mit der KI können Onboarding-Aufwände stark reduziert werden. Außerdem: Die KI kann uns über einen längeren Zeitraum hinweg sagen, welche Sätze man am besten auf der Homepage verwendet, damit Website-Besucher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Kunden werden. Oder welche Begriffe im Kundenkontakt die richtigen sind. Dass jeder Unternehmer, der sich ein Stück weit unabhängiger von der individuellen fachlichen Reife seiner Mitarbeiter machen möchte, sagen kann: "Ich lasse da eine KI unterstützen”.

Aber macht man sich da nicht zu sehr abhängig von der KI, wenn man ihr solche Aufgaben überträgt?

Operativ vielleicht. Aber ich weiß nicht, ob ich es unter dem Aspekt der Abhängigkeit betrachten würde, sondern tatsächlich unter den ökonomischen Faktoren. Es ist meiner Meinung nach fahrlässig, wenn man die Chancen einer KI nicht zulässt, weil man annimmt: "Ich mache mich zu sehr abhängig."

Haben Sie selbst schon Schwachstellen bei ChatGPT entdeckt?

Was ich festgestellt habe ist, dass ein Thema eine Mindestrelevanz im Netz haben muss, um bei ChatGPT als Antwort aufzutauchen. Das ist ein Wermutstropfen, den ich feststelle: Je tiefer ich in Details hinein möchte, desto seltener weiß ChatGPT davon etwas. Und ich persönlich träume davon, dass ich ChatGPT sagen kann: 'Hier ist ein spezieller Wissensbereich, der mich interessiert, trainiere dich darauf'.

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