Krise der Airlines
98 Prozent weniger Passagiere brocken British-Airways-Mutter IAG Milliardenverlust ein
Die Folgen der Corona-Pandemie treffen die Airlines mit voller Wucht. Im zweiten Quartal kam das Geschäft fast zum Erliegen und war hochdefizitär. Eine Prognose? Traut sich IAG-Chef Willie Walsh nicht zu. Alles ist möglich.
Modellikone vor dem Aus: Stillgelegte Boeing 747 von British Airways in London
Foto: HANNAH MCKAY/ REUTERS
Der fast vollständige Zusammenbruch des Luftverkehrs in der Corona-Krise hat auch der British-Airways-Mutter IAG im zweiten Quartal einen Milliardenverlust eingebrockt. Nachdem der Umsatz um 89 Prozent auf 741 Millionen Euro einbrach, blieb unter dem Strich ein Verlust von 2,1 Milliarden Euro, wie der Mutterkonzern der Fluggesellschaften British Airways, Iberia, Vueling, Aer Lingus und Level am Freitag in London mitteilte. Im vergangenen Jahr erzielte der Konzern noch einem Gewinn von 736 Millionen Euro.
Bei IAG haben zusätzlich Abschreibungen auf ältere Flugzeuge und Zubehör in Höhe von mehr als 700 Millionen Euro das Ergebnis in den Keller gezogen. So hat British Airways alle ihre 32 Jumbo-Jets vom Typ Boeing 747 mit sofortiger Wirkung stillgelegt. Iberia verabschiedet sich von ihren 15 Airbus A340. Die großen vierstrahligen Jets galten ohnehin als kaum rentabel. Weil sich der Flugverkehr auf der Langstrecke noch langsamer erholen dürfte als im Europaverkehr, sieht IAG-Chef Willie Walsh (58) keinen Sinn darin, die Maschinen überhaupt noch einzusetzen.
98,4 Prozent weniger Passagiere
Mehr als die Hälfte der IAG-Gewinne werden normalerweise von British Airways beigesteuert, die aktuell aber nur etwa 15 Prozent der üblichen Verbindungen in ihrem Flugplan bedient. Die Nachfrage auf den beiden größten Märkten des Konzerns, den USA und Indien, ist wegen der Quarantäne-Vorschriften in Großbritannien schwach.
Eine Geschäftsprognose für das laufende Jahr traut sich der Konzernchef weiterhin nicht zu. Im zweiten Quartal sei der Passagierverkehr des Konzerns um 98,4 Prozent eingebrochen und damit noch stärker als das um 95,3 Prozent zusammengestrichene Flugangebot. Walsh erwartet, dass es mindestens bis zum Jahr 2023 dauert, bis der Flugverkehr wieder das Niveau von 2019 erreicht. Um die Kosten zu senken, hatte IAG bereits angekündigt, tausende Jobs zu streichen. 12.000 Stellen sollen wegfallen und die Verträge der übrigen 30.000 Beschäftigten geändert werden.
An der Börse kamen die Nachrichten schlecht an. Die Aktie büßte rund fünf Prozent ein. Damit nähert sich der Kurs nach dem Zwischenhoch im Juni wieder dem Corona-Crash-Tief. Anfang des Jahres - also vor der Corona-Krise - war das Papier noch mehr als viermal so viel wert wie heute.
Während die anderen großen europäischen Airlines wie die Lufthansa oder Air France KLM mit staatlichen Milliarden vor dem Kollaps bewahrt wurden, wollte IAG-Chef Walsh eigentlich ohne Staatshilfen auskommen. Inzwischen haben aber auch seine Fluggesellschaften staatliche Kredite und Unterstützung erhalten. Um die schwierige Zeit zu überstehen, will der IAG-Konzern seine Bilanz nun zusätzlich mit einer Kapitalerhöhung von bis zu 2,75 Milliarden Euro stärken.
Noch hat das Unternehmen Reserven. Ende Juni verfügte IAG nach eigenen Angaben über eine Liquidität von 8,1 Milliarden Euro. Die Konzernspitze erwartet, dass der Netto-Geldabfluss im operativen Geschäft im vierten Quartal gestoppt wird.