"Signifikante Werteerosion" in Braunkohle-Sparte Investor und Umweltschützer schießen scharf gegen RWE

Oliver Berg / dpa
Der aktivistische Investor Enkraft Capital ist beim Energiekonzern RWE eingestiegen und fordert eine Abtrennung des umstrittenen Geschäfts rund um die Braunkohle. Enkraft halte mehr als 500.000 RWE-Aktien, heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Brief des Investors an RWE-Chef Markus Krebber (48) .
Das "strategische Festhalten an den (...) Braunkohleaktivitäten führt zu einer signifikanten Werteerosion", schreibt der Investor in dem Brief. Dies sei für die Aktionäre nur schwer akzeptabel. Eine Fokussierung des Versorgers auf die in den letzten Jahren massiv ausgebauten Erneuerbaren Energien würde ein enormes Wertsteigerungspotential bei RWE freisetzen.
RWE bestätigte, ein Schreiben von Enkraft mit Fragen zur Strategie erhalten zu haben. "Wie jedem Investor haben wir Ihnen angeboten, ein Gespräch über unsere Geschäftsstrategie zu führen", erklärte eine Sprecherin.
Enkraft Capital sieht Braunkohlensparte als Kursbremse
Aktivistische Investoren kaufen sich in ein Unternehmen ein, um Strategie- oder Personalwechsel zu forcieren, von denen sie sich eine Wertsteigerung für ihr Investment erhoffen. Enkraft hat sich in der Vergangenheit vor allem bei kleineren Unternehmen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien engagiert. Der Investor übte etwa Kritik an der Führung des Wind- und Solarkraftanlagen-Entwicklers Energiekontor und forderte eine Überprüfung der Strategie. Aber auch bei der Immobilien-Firma Agrob hat Enkraft investiert. 500.000 RWE-Aktien entsprechen einem Wert von etwa 16,4 Millionen Euro, ein recht kleines Engagement. Durch den Gang an die Öffentlichkeit oder die Überzeugung weiterer Aktionäre können aktivistische Investoren aber auch mit kleinen Beteiligungen Druck ausüben.
In dem Brief an Vorstandschef Krebber kritisiert das RWE-Management massiv: Es sei "nicht nachvollziehbar, warum Vorstand und Aufsichtsrat noch nicht proaktiv einen Plan vorgelegt haben, die Braunkohleaktivitäten ambitionierter und schneller zu reduzieren sowie noch kurzfristiger vom zukunftsgerichteten Geschäft der RWE zu separieren". Eine Abtrennung werde auch dem Aktienkurs auf die Sprünge helfen - RWE werde sich dann signifikant in Richtung der Bewertung von Vergleichsunternehmen bewegen, die sich auf Erneuerbare Energien fokussierten.
13 Milliarden Euro in der RWE-Bilanz könnten gehoben werden
Darüber hinaus schlummerten in den RWE-Bilanzen Werthebungspotentiale von bis zu 13 Milliarden Euro durch bereits angekaufte CO2-Emissionsrechte, die bei einer Reduzierung der Braunkohleaktivitäten gehoben werden könnten. Enkraft sei sich sicher, dass entsprechende strategische Schritte auf eine breite Unterstützung der Aktionäre treffen würden. Plattform für eine Neuausrichtung könne der RWE-Kapitalmarkttag am 15. November sein.
Der früher stark auf Kohle und Atomstrom ausgerichtete RWE-Konzern wandelt sich derzeit zu einem der größten Ökostromproduzenten Europas. Krebber will das Geschäft allein bis 2022 mit Investitionen von fünf Milliarden Euro ausbauen. Nach dem mit der Bundesregierung vereinbarten Kohleausstieg soll in Deutschland die Verstromung des klimaschädlichen Brennstoffs spätestens 2038 enden. Bis 2030 will RWE insgesamt zwei Drittel der Braunkohlekapazität stilllegen. Bis 2040 will RWE klimaneutral Strom erzeugen. Umweltschützer und auch Investoren hatten immer wieder mehr Tempo von dem Konzern gefordert.
Umweltschützer demonstrieren vor RWE-Braunkohlekraftwerk
Zufall oder nicht: Quasi zeitgleich zum Vorstoß des aktivistischen Investors forderten am Donnerstag am Braunkohlekraftwerk Neurath im Rheinland Umweltaktivisten einen schnelleren Kohleausstieg von RWE. Auf einen Kühlturm des Kraftwerks ließen sie den Schriftzug "Braunkohle ist tödlich - Für unsere Dörfer und unser Klima" projizieren. "Auf jeder Zigarettenpackung stehen Warnhinweise, aber vor den Folgen fossiler Energien für unser Klima wird nicht gewarnt", sagte eine Vertreterin der Gruppe "Menschenrecht vor Bergrecht".
In Neurath stehen die beiden größten Braunkohleblöcke des Energiekonzerns RWE. Sie sollen nach den Beschlüssen des Bundestags zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2038 laufen. Das Kraftwerk Neurath ist nach Zahlen des Umweltbundesamtes die Industrieanlage mit dem höchsten Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland.
Der nordrhein-westfälische Landtag wird am Vormittag über einen Antrag der Grünen debattieren, in dem unter anderem eine Überarbeitung der Leitentscheidung der Landesregierung zum weiteren Braunkohleabbau gefordert wird. Die Landesregierung müsse die Voraussetzungen für die Beendigung des Braunkohleabbaus im Rheinischen Revier bis spätestens 2030 schaffen, heißt es darin.
RWE hält seinen Kritikern entgegen, der Konzern setze den Ausstieg aus der Braunkohle bereits konsequent um. Bis Ende 2022 würden sieben weitere Braunkohleblöcke vom Netz gehen.