"Financial Times" über Bilanzprüfer
EY wurde schon 2016 intern vor Wirecard-Betrug gewarnt
Für den Wirtschaftsprüfer EY wird es schwerer, sich aus dem Wirecard-Skandal zu ziehen. Laut einem Bericht der "Financial Times" hat ein Whistleblower schon vier Jahre vor dem Kollaps intern auf Betrug hingewiesen.
Der Wirtschaftsprüfer EY gerät durch einen neuen Bericht der "Financial Times" weiter ins Zwielicht. Bereits 2016, vier Jahre vor dem Kollaps des jahrelang von EY testierten Wirecard-Konzerns, habe ein EY-Mitarbeiter intern Hinweise auf Betrug bei Wirecard gemeldet.
Das berichtet die "FT" am Mittwoch unter Berufung auf einen 61-seitigen, unveröffentlichten Anhang des Sondergutachtens von EY-Wettbewerber KPMG, das im April Lücken in der Wirecard-Bilanz dokumentierte und schließlich EY dazu brachte, im Juni die Unterschrift unter den Abschluss für 2019 zu verweigern - im Unterschied zu all den Vorjahren, als die Wirecard-Bücher von EY als korrekt bescheinigt wurden.
Gegen EY laufen bereits Aktionärsklagen und eine Ermittlung der Aufsichtsbehörde Apas. EY-Chef Carmine Di Sibio (57) erklärte im August den Kunden sein "Bedauern", dass der Betrug nicht früher aufgedeckt wurde - verteidigte seine Firma jedoch, letztlich habe EY erfolgreich aufgeklärt.
Diese Linie wird durch die von der "Financial Times" zitierten KPMG-Berichte schwer zu halten sein. Demnach erhielt die deutsche EY-Zentrale in Stuttgart bereits im Mai 2016 einen Brief eines internen Whistleblowers, der zwar nicht den ganzen Umfang des Betrugs offenlegte, aber mehrere schwerwiegende Hinweise gab.
"Project Ring" auf Druck von Jan Marsalek gestoppt
Im Zentrum der damaligen Vorwürfe standen mehrere, damals gerade für insgesamt 340 Millionen Euro abgeschlossene Zukäufe von Zahlungsdiensten in Indien, wobei das Geld an einen auf Mauritius registrierten Fonds namens Emerging Market Investment Fund 1A floss.
Der Whistleblower warnte, hochrangige deutsche Führungskräfte von Wirecard seien direkt oder indirekt an diesem Fonds beteiligt und stünden daher unter einem Interessenkonflikt. Sie hätten die Geschäftszahlen der indischen Firmen künstlich aufgeblasen, um einen hohen Kaufpreis zu rechtfertigen, und sogar einem EY-Mitarbeiter vor Ort persönliches Schmiergeld angeboten, wenn er diese Zahlen bestätigte.
Dem Bericht zufolge setzte EY zwar eine Untersuchung unter dem Codenamen "Project Ring" in Gang, sei entscheidenden Hinweisen jedoch gar nicht nachgegangen. Der von dem Whistleblower als einziger namentlich benannte Manager Stephan von Erffa, damals Leiter des Rechnungswesens von Wirecard, sei nicht befragt worden. 2018 schließlich habe der heute mit internationalem Haftbefehl gesuchte Wirecard-Operationschef Jan Marsalek (40) von "Project Ring" erfahren, Druck auf EY gemacht und dem Whistleblower einen persönlichen Racheakt als Motiv unterstellt.
Daraufhin wurde "Project Ring" gestoppt, obwohl EY laut KPMG in der Zwischenzeit weitere, unabhängige Hinweise auf Betrug gefunden habe. Gegenüber der "FT" erklärte EY, man habe sich an "etablierte Verfahren" gehalten und professionell gehandelt. Es gebe keinen Hinweis auf eine Absprache mit den Bilanzbetrügern.