Neue Zahlungs-Richtlinie PSD2 "Der Trend zur kostenfreien Onlinezahlung ist gesetzt"

Online-Banking: Zahlungen werden durch PSD2 günstiger - und der Wettbewerb zwischen Banken, Fintechs, Online-Händlern und Kreditkarten-Anbietern nimmt zu
Foto: DPAmm.de: Die neue Richtlinie über Zahlungsdienste (PSD2) ermöglicht es Händlern, Zahlungen direkt vom Konto ihrer Kunden einzuziehen. Für den Kunden sollen Zahlungen damit günstiger werden - doch werden damit künftig alle Gebühren im Online-Handel entfallen?
Thomas Sontheimer: Die PSD2 wird dafür sorgen, dass Onlinezahlungen für den Endkunden wesentlich günstiger werden. Sie wird Gebühren aber nicht gänzlich abschaffen. Das so genannte Surcharging, also der Extra-Aufschlag für ein bargeldloses Zahlungsmittel, fällt zu einem großen Teil weg, aber eben nicht vollständig. Die Richtlinie gilt bei Kartenzahlungen in erster Linie für Anbieter von Vier-Parteien-Kartensystemen, Überweisungen und Lastschriften. Sie kommt zum Zug, wenn ein Verbraucher über seine Bank eine Kreditkarte eines weiteren Anbieters bezieht. Bei einem Drei-Parteien-Kartensystem, bei dem die kartenausgebende Bank zugleich auch die Händlerbank ist, muss PSD2 theoretisch nicht angewendet werden. Online-Bezahldienste, die Kreditkarten- und Lastschriftzahlung in einem Wallet hinterlegen, stellen eine weitere Ausnahme dar.
mm.de: Inwiefern sind Online-Bezahldienste eine Ausnahme?
Sontheimer: Hier dürfen die Gebühren in der Theorie ebenfalls weiter bestehen bleiben. Allerdings gibt es auch Beispiele für Bezahldienste, die ihre AGBs dahingehend geändert haben, dass Händler vertraglich verpflichtet werden, dem Endkunden keine Gebühren zu berechnen. Somit hat die PSD2 einen klaren Trend zu kostenfreien bargeldlosen Onlinezahlungen gesetzt.
mm.de: Warum sollten Händler wie Amazon in Zukunft von dem vertrauten Lastschriftsystem oder Paypal System abweichen und auf neue Zahlungssysteme setzen?
Sontheimer: Ein Onlinehändler kann bei einem Lastschriftverfahren nach wie vor nicht auf das Bankkonto des Kunden zugreifen. Die Abbuchung bei einer Lastschrift beziehungsweise der Zahlungseingang ist nicht garantiert, es gibt die Möglichkeit der Rücklastschrift. Das bedeutet: Ist das Konto beim Kauf nicht ausreichend gedeckt, wird der Betrag nicht überwiesen. Neue Dynamik wird die PSD2 in diesem Bereich in Kombination mit Echtzeitzahlung, so genannte Instant Payments, erhalten.
mm.de: Wie funktionieren diese Instant Payments?
Sontheimer: Hier kann der Onlinehändler die auf dem Kundenkonto ausgelöste Zahlung in Echtzeit auf das Händlerkonto überweisen und verbuchen - die Zahlungsgarantie ist somit gegeben. Insbesondere dieser Anwendungsfall kann eine Alternative zu Kreditkarten und PayPal darstellen. Damit Onlinehändler wie Amazon die PSD2-Regulierung bestmöglich nutzen können, müssen sie sich als Zahlungsauslöse- und auch Kontoinformationsdienst bei der ansässigen Aufsichtsbehörde registrieren. Ein Händler könnte durch ein Loyality-Programm interessante Anreize für den Kunden bei der Nutzung von PSD2 bieten. Hier könnte der Händler als Kontoinformationsdienst sehr viel über das Ausgabeverhalten des Kunden lernen.
mm.de: Amazon und die übrigen Online-Händler sind das eine - doch was bedeutet die neue Zahlungs-Richtlinie für klassische Banken und Kreditkartenunternehmen?
Sontheimer: PSD2 hat den Zahlungsverkehr in der EU insgesamt ziemlich aufgemischt. Sie wird Banken und Kreditkartenunternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Dazu gehört das Umdenken beim Service und dem Kundenerlebnis: Die Benutzerfreundlichkeit wird immer wichtiger werden.
PSD2 zwingt Finanzinstitute dazu, spezielle Schnittstellen kostenfrei für Drittanbieter zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet einen Mehraufwand und höhere Kosten ohne zusätzliche Gewinne. Die Banken müssen also neue Ertragsquellen finden.
Neue Angriffswelle von Fintechs, Amazon und Co im Zahlungsgeschäft
mm.de: Werden junge Fintech-Star-ups mit Hilfe der PSD2 nun weitere Marktanteile abjagen? Welche Auswirkungen hat die Richtlinie auf den Fintech-Sektor?
Sontheimer: Die EU-weite Öffnung von Bank-Schnittstellen ermöglicht Fintechs und anderen Drittanbietern, ihre Geschäftsfelder auszubauen und befeuert den Wettbewerb im Sektor. PSD2 fördert einen Zugang neuer Drittanbieter, wie beispielsweise auch Tech-Konzernen. Sie werden versuchen, die Verbraucher mit kreativen und innovativen Lösungen bei Zahlungsmethoden zu gewinnen.
mm.de: Was bedeutet das für den Wettbewerb zwischen Banken und Tech-Unternehmen, die in klassisches Bankenterrain einbrechen?
Sontheimer: Das Kundenerlebnis wird nun auch für die Finanzbranche immer wichtiger. Das verlangt von den Anbietern mehr Innovation, Benutzerfreundlichkeit und auch Kreativität. Denn Online-Händler werden die verschiedenen Zahlungsdienstleister nach diesen Kriterien auswählen: Kundenbeliebtheit und niedrige Kosten. Damit geht der Wettbewerb zwischen traditionellen Instituten und digitalen Finanzdienstleistern in eine neue Runde.
Deutschland ist der Markt in Europa, der bereits heute in Sachen Schnittstellen am weitesten entwickelt ist. Mit der PSD2 wird nun ein rechtlicher Rahmen für die gesamte EU geschaffen: Der Markt wird sich dynamisch verändern, weil es nun möglich ist, europaweit Angebote zu machen. Zum einen werden Banken selber als Drittdienstleister auftreten und Informationen und Services anderer Institute in ihre digitalen und mobilen Kundenlösungen einbeziehen. Zum anderen werde neue Marktteilnehmer und auch die Tech-Giganten versuchen, zu partizipieren und den Kunden ansprechendere Serviceangebote zu machen. So wird die Benutzerfreundlichkeit im Konto und Zahlungsverkehrsbereich endgültig zu einem bestimmenden Wettbewerbsfaktor.
mm.de: Benutzerfreundlichkeit im digitalen Zahlungsverkehr ist schön und gut - doch wie steht es um die Sicherheit der Zahlungsdaten? Welche Sicherheits-Mechanismen wird es künftig geben?
Sontheimer: Hier gibt es verschiedene Seiten. Zum einen wird die Sicherheit generell erhöht. PSD2 bedeutet für die Banken einerseits einen gemeinsamen EU-Minimumstandard. PSD2 schreibt eine deutlich striktere Kundenauthentifizierung vor - Benutzername und Passwort reichen bei Online-Transaktionen alleine nicht mehr aus. Der dynamisch erstellte Code oder TAN ist nun Pflicht und wird auch ab bestimmten Summen bei Online-Käufen abgefragt. Auch die Anforderungen an das Sicherheitsmedium, zum Beispiel ein TAN-Generator oder eine Bank-App, sind gestiegen.
mm.de: Wird der Fingerabdruck oder die Gesichtserkennung den TAN-Generator verdrängen?
Sontheimer: Auch bei der Authentifizierung der Kunden wird die Benutzerfreundlichkeit eine wichtige Rolle spielen. Entsprechend werden Technologien mit biometrischen Daten wie verhaltensbasierte Mustererkennung per Stimme oder Gesicht vermutlich eine Innovationswelle auslösen. Die andere Seite der Medaille ist, dass es durch die steigende Zahl der Drittanbieter für den Verbraucher schwer wird, den Überblick zu behalten. Für den Kunden wird es immer schwieriger, seriöse von unseriösen Anbietern unterscheiden. Damit könnte die Gefahr für Phishing steigen.
Welche Chancen sich klassischen Banken bieten
mm.de: Bevor wir das klassische Bankgeschäft bereits völlig abschreiben: Auf welche Weise können auch deutsche Banken von der PSD2-Technologie profitieren? Was müssen sie tun, um gegen scheinbar übermächtige Online-Händler wie Amazon zu bestehen?
Sontheimer: Banken können zum Beispiel für Drittanbieter innovative Anwendungen entwickeln und zur Verfügung stellen, die über die PSD2 hinausgehen. Hierzu könnten beispielsweise Anwendungen zur Bonitätsprüfung oder zur Altersverifikation gehören. Zudem ist zu vermuten, dass die verschiedenen Banken in der EU unterschiedliche Schnittstellenstandards für den Zugang zu ihren jeweiligen Systemen bereitstellen. Das dürfte Online-Händler überfordern. Viele werden auf einen Dienstleister angewiesen sein, der für sie die verschiedenen Zugänge zu den Banken bündelt. Auch könnten Banken selbst einen Zahlungsauslösedienst für Händler anbieten.
mm.de: Sehen Sie weitere Möglichkeiten?
Sontheimer: Dadurch, dass beim Online-Einkauf schon ab 30 Euro eine Sicherheitsabfrage notwendig wird, was aber zugleich das Einkaufserlebnis des Kunden stört, bietet sich ebenfalls eine Chance. PSD2 lässt mit der "Transaktion Risk Analysis" nämlich zu, dass Banken für bestimmte risikoarme Transaktionen die Grenze von 30 Euro auf bis zu 500 Euro anheben. Hier können Banken mit vertrauenswürdigen Onlinehändlern Vereinbarungen treffen, die diese Grenze auf 500 Euro erhöhen. Auf diese Weise könnten sie neue Erlösquellen schaffen. Die PSD2 bietet Banken außerdem die Möglichkeit, auch biometrische Verfahren zur kundenfreundlicheren und sicheren Authentifizierung - statt TAN-Eingaben - einzuführen. Auch damit können sie sich im Wettbewerb unterscheiden.
Thomas Sontheimer ist Managing Director bei der Unternehmensberatung Accenture und Geschäftsführer des Bereichs Financial Services.