Ein Oligarch, ein Ex-Stasi-Spitzel und eine private Detektei Die ganz speziellen Kompetenzen des neuen, mächtigen Aufsichtsrats der Deutschen Bank

Alexander Schütz, Multitalent.

Alexander Schütz, Multitalent.

Foto: picture alliance / Wolfgang Wolak / Verlagsgruppe News / picturedesk.com

Wenn am Donnerstag in der Frankfurter Festhalle die Hauptversammlung der Deutschen Bank tagt, werden die Aktionäre drei neue Gesichter im Aufsichtsrat des Konzerns zu Gesicht bekommen: Wirtschaftsanwalt Stefan Simon, Googles IT-Sicherheitschef Gerhard Eschelbeck sowie Alexander Schütz, Gründer und Vorstand des Wiener Vermögensverwalters C-Quadrat.

Der von den katarischen Großaktionären entsandte Simon sitzt bereits seit einigen Monaten im Gremium und stellt sich jetzt erstmals zur Wahl. Er nimmt den Platz von Georg Thoma ein. Den renommierten Anwalt hatte die Ratsspitze um ihren Vorsitzenden Paul Achleitner vor Jahresfrist öffentlich zum Abschuss freigegeben, indem sie ihm Übereifer beim Aufarbeiten der Konzernskandale vorgeworfen hatte. Ein überaus bizarrer Vorwurf angesichts der langen Liste an Affären, die die Bank bis jetzt einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet haben.

Google-Mann Eschelbeck rückt für Ex-Siemens-Chef und Achleitner-Intimus Peter Löscher nach. Eschelbeck, Österreicher wie Achleitner und Löscher, soll mithelfen, die marode IT des Konzerns auf Vordermann zu bringen. Eine Aufgabe, an der sein Ratskollege Henning Kagermann gescheitert ist. Obwohl als Ex-SAP-Chef ebenfalls vom Fach und schon seit dem Jahr 2000 Mitglied im Aufsichtsrat, hat sich die Bank-IT in dieser Phase derart verschlechtert, dass die Aufsichtsbehörden und Vorstandschef John Cryan regelmäßig Alarm schlagen.

IT-Probleme der Deutschen Bank - trotz Kagermann im Aufsichtsrat

Zu Diensten war Kagermann dagegen beim Herausdrängen von Thoma: Zusammen mit Ratsvize Alfred Herling ließ er sich öffentlichkeitswirksam für die Attacke auf Thoma einspannen. 2018, das steht jetzt schon fest, darf Kagermann den Rat verlassen. Mit Norbert Winkeljohann, Deutschlandchef der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, steht schon jetzt Ersatz bereit.

Schütz wiederum soll den Platz einnehmen, den der scheidende ehemalige Haniel-Vorstand Klaus Rüdiger Trützschler freimacht. Schütz, auch er Österreicher, rückt als Entsandter des Großaktionärs HNA aus China ins Kontrollgremium der wichtigsten deutschen Geschäftsbank. Wie im Fall Simon ist das aktienrechtlich delikat: Aufsichtsräte sollen nicht die Interessen Einzelner vertreten, sondern die aller Aktionäre.

Doch Schütz genießt, wie Simon, eine Art Sonderstatus, da seine Finanzfirma C-Quadrat für die HNA-Gruppe deren Deutsche-Bank-Aktien verwaltet. HNA ist noch vor den Kataris größter Aktionär des Frankfurter Konzerns und übernahm als wichtigster Finanzier der jüngsten Kapitalerhöhung der Bank nahezu lebenserhaltende Funktion.

Und Schütz bringt mehr ein als nur Finanzexpertise. Der Österreicher war Gründer und anschließend jahrelang Mehrheitseigner der privaten Sicherheitsfirma Aventus aus Wien, deren Kernkompetenz laut Website "Akquisition, Sicherung und Kontrolle von Informationen" sind.

Was damit gemeint ist, bewirbt Aventus-Geschäftsführer Gerald Karner: "In der globalisierten Wirtschaftswelt sind fundierte Hintergrundinformationen zu Personen und Unternehmen aus nicht-öffentlichen Quellen notwendig, um die richtigen Schritte setzen zu können. Parallel dazu erlangt der Schutz eigener Daten in scharfen Konkurrenzsituationen mitentscheidende Bedeutung. Schließlich bergen die Möglichkeiten einer immer stärker vernetzten Welt für Unternehmen nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren durch die Verbreitung von Negativinformationen."

Karner ist unzweifelhaft vom Fach: Er war einst Chef der Abteilung Militärstrategie im österreichischen Verteidigungsministerium.

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Deutsche-Bank-Großaktionär HNA: Das obskure Finanzgeflecht von Chinas Ferieninsel

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Zu Aventus' Kunden gehörte unter anderem die Vienna Insurance Group (VIG). Der Auftrag: Aventus sollte beim Aufbau einer internen Ermittlungstruppe helfen, um Mitarbeitern nachzuspüren, die in die eigene Tasche wirtschaften. Dafür heuerte Aventus die ehemalige Stasi-Agentin Christina W. (Deckname IM "Nina") an, die für ihre Dienste einen hohen sechsstelligen Euro-Betrag erhalten haben soll. "Christine W. hat den Eindruck vermittelt, dass sie zu allen möglichen Nachrichtendiensten enge Kontakte hat, insbesondere in Osteuropa", begründete Aventus-Geschäftsführer Karner in der Wiener Tageszeitung Kurier das Anwerben der Dame.

Zwischen dem künftigen Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Schütz und der Ex-Stasi-Frau gibt es mindestens einen weiteren Berührungspunkt: den ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch. Auf den haben US-Behörden Haftbefehl wegen des Verdachts auf Bestechung ausgestellt, in Spanien wird Firtasch der Geldwäsche verdächtigt.

Der Oligarch und die Villa des künftigen Deutsche-Bank-Aufsichtsrats

2014 saß Gasmilliardär Firtasch in Wien in Haft, kam aber gegen satte 125 Millionen Euro Kaution rasch wieder frei; anschließend mietete sich seine Frau mitsamt Familie in Schütz' millionenteurer Villa in Wien ein.

Dort muss Firtasch womöglich bald ausziehen: Im Februar erlaubte das Wiener Oberlandesgericht die Auslieferung an die USA; die letzte Entscheidung liegt beim österreichischen Justizminister.

Christine W. wiederum soll von Firtasch beauftragt worden sein, mithilfe ihrer Kontakte in die Schlapphut-Szene FBI-Unterlagen heranzuschleppen, die den Ukrainer vor der Auslieferung in die USA schützen könnten. Dabei zog sie alle Register, bis hin zur Bestechung von Mitarbeitern des Landeskriminalamtes in Mecklenburg-Vorpommern.

2016 verhaftete ein Kommando des Bundeskriminalamts (BKA) Christine W. in Berlin, in Schwerin wurden zwei LKA-Beamte verhaftet, die von W. bestochen worden sein sollen. Auch die von den Firtaschs bewohnte Villa des künftigen Aufsichtsrats der Deutschen Bank wurde seinerzeit durchsucht, allerdings ergebnislos.

Die Eskalation der Affäre um IM Nina alias Christine W. war für Schütz nach eigenen Angaben Anlass, seine Aventus-Anteile ans Firmenmanagement sowie einen externen Investor zu verkaufen. Über einen Sprecher lässt er ausrichten, von W. bis zu deren Verhaftung keinerlei Kenntnis gehabt zu haben. Operativ sei er für Aventus nie tätig, die Sicherheitsfirma eine reine Finanzbeteiligung gewesen.

Eine, die ihm zeitweise wenig Freude gemacht haben dürfte: 2015 - aktuellere Daten liegen nicht vor - liefen wegen "überraschender Restrukturierungsmaßnahmen bei mehreren Stammkunden" 400.000 Euro Bilanzverlust auf; das Eigenkapital war in ähnlicher Höhe negativ.

In Sachen Firtasch lässt Schütz ausrichten, die Gattin des Ukrainers habe den Mietvertrag für die Wiener Villa unterzeichnet. Zu Firtasch selbst unterhalte er, Schütz, weder private noch geschäftliche Beziehungen.

Stimmt das, wäre es im Prinzip sogar eine verpasste Gelegenheit für den Business-Mann Schütz. Denn schließlich werden Firtasch nach wie vor allerbeste Beziehungen nach Moskau und Kiew nachgesagt.

Und sogar bis nach Washington reicht der Einfluss des Ukrainers. Als Firtaschs Vertrauter in der US-Hauptstadt gilt Paul Manafort, ehedem Wahlkampfchef von Donald Trump und heute eine der zentralen Figuren in der Affäre um die Verbindungen des US-Präsidenten zur russischen Regierung. Besonders interessant für Schütz in seinem künftigen Job bei Deutschlands größter Geschäftsbank: Trump ist ein großer Kreditkunde der Deutschen Bank.

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