Deutsche-Bank-Chef John Cryan in Frankfurt: Mehr als 27.200 Verstöße gegen Sanktionsgesetze
Foto: Thomas Lohnes/ Getty ImagesDie Deutsche Bank muss wegen Missachtung der Sanktionen gegen Länder wie Iran und Syrien in den USA eine Strafe von 258 Millionen Dollar zahlen. Das Finanzinstitut habe sich mit zwei US-Behörden auf einen Vergleich verständigt, gab die New Yorker Finanzaufsicht DFS am Mittwoch bekannt.
Darin sei auch vereinbart, dass sechs Mitarbeitern gekündigt werde, die mit der Sache zu tun hatten. Und dass die Bank einen externen Aufseher zulässt, der die Einhaltung der Sanktionsgesetze überwacht. Im Gegenzug stellten die beiden Behörden ihre Verfahren gegen die Deutsche Bank ein. 200 Millionen Dollar zahlt die Deutsche Bank an die DFS, 58 Millionen an die US-Notenbank Federal Reserve.
Den Angaben zufolge verschleierten Mitarbeiter der Deutschen Bank zwischen 1999 und 2006 bei mehr als 27.200 Transaktionen, die mit Iran und Sudan sowie mit Syrien, Libyen und Myanmar zu tun hatten. Die illegalen Finanzgeschäfte für Kunden, die auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten standen, hatten demnach einen Umfang von insgesamt 10,9 Milliarden Dollar, so die New Yorker Finanzaufsicht.
Die USA haben schon zahlreiche andere Großbanken wegen solcher Vergehen zu teuren Vergleichen gedrängt oder mit hohen Bußgeldern belegt.
Mehr als neun Milliarden Euro Strafe in drei Jahren
Erst vor zwei Wochen zahlte die französische Großbank Crédit Agricole 787 Millionen Dollar wegen Sanktionsverstößen. 2014 hatte das US-Justizministerium BNP Paribas eine Strafe von fast neun Milliarden Dollar deshalb aufgebrummt. Die Commerzbank zahlte wegen ähnlicher Vorwürfe im März ein Milliarden-Bußgeld.
Für die Deutsche Bank ist die Affäre damit aber noch nicht ausgestanden, da weitere US-Behörden wie das Justizministerium ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen haben. Außerdem stehen Mitarbeiter der Deutschen Bank unter Verdacht, in Geldwäscheaktivitäten in Russland verwickelt zu sein. In diesem Zusammenhang könnte das Institut auch gegen Wirtschaftssanktionen im Ukraine-Konflikt verstoßen haben.
Wegen diverser Skandale hat die Deutsche Bank in den vergangenen drei Jahren bereits mehr als neun Milliarden Euro an Strafen zahlen müssen. Trotzdem lasten auf dem Geldhaus noch rund 1000 größere Rechtsstreitigkeiten.
Für die Aufarbeitung der juristischen Altlasten hat sie inzwischen 4,8 Milliarden Euro zur Seite gelegt. Allein im dritten Quartal mussten neue Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten über 1,2 Milliarden Euro gebildet werden. Der neue Konzernchef John Cryan verpasst der Bank nun zur Bewältigung der Krise eine Radikalkur und streicht Tausende Stellen.
Sehen aus wie immer, bekommen aber reichlich neue Bürovorsteher: die Zwillingstürme der Deutschen Bank.
"Wir müssen viel effizienter werden", so Cryans Diktum seit Amtsantritt am 1. Juli. Bis Ende Oktober wollte Cryan sich mit konkreten Vorschlägen dazu Zeit lassen. Jetzt prescht er mit Struktur- und Personalentscheidungen vor. Inhaltliches muss er Ende des Monats nachliefern - dann schon zum großen Teil mit neuem Personal.
Und ohne Stephan Leithner. Der Vorstand für Personal, Regierungsbeziehungen und Compliance, verlässt das Haus. Er wird Partner beim Finanzinvestor EQT. Einer seiner Nachfolger wird...
... Karl von Rohr. Er übernimmt zwei undankbare Ressorts: den Rechtsbereich, also die Skandalaufarbeitung, sowie das Personalressort. Da Cryan in Kürze einen deutlichen Stellenabbau bekannt geben wird, ist das Thema auch nur von begrenzter Freude. Außerdem kümmert sich von Rohr um Corporate Governance. Zusammen gibt das den bislang ungebräuchlichen Titel: Chief Administrative Officer.
Die Frau im Vorstand, die einen anderen großen Teil der Aufgaben von Leithner übernimmt: Sylvie Matherat wird Chief Regulatory Officer und darf sich um Regulierung, Compliance und den Kampf gegen Finanzkriminalität kümmern.
Christian Sewing stieß bereits mit 19 Jahren zur Deutschen Bank und sitzt seit Jahresanfang im Vorstand. Er ist verantwortlich für das Privat- und Geschäftskundensegment, das aus den Filialen heraus geführt wird. Zwischenzeitlich musste er das Rechtsressort übernehmen. Dafür bekommt er noch die Superrreichen dazu - eindeutig ein Gewinner.
Henry Ritchotte verantwortete bislang die Schlüsselressorts Digitales und Operatives. Vor seiner Beförderung in den Vorstand im Mai 2012 war er für das Tagesgeschäft in der wichtigen Finanzmarktsparte (Global Markets) zuständig, in der die Libor-Manipulationen stattfanden. Die BaFin attestiert ihm zwar, als einer der wenigen Top-Manager überhaupt ernstes Interesse an der Aufarbeitung der Manipulationsvorwürfe gezeigt zu haben. Das Ergebnis sei aber unzureichend gewesen, was ihm selbst schwer anzulasten sei ("his misconduct is of a serious nature indeed"). Zwischenzeitlich galt er deswegen als Kandidat für einen Rauswurf. Jetzt verlässt er den Vorstand zwar zum Jahresende, darf aber für die Bank eine neue Digitalmarke aufbauen. Details hat das Haus für später angekündigt.
Konnte seine Vorfreude lange kaum verbergen: Fabrizio Campelli, Strategiechef schon unter Joe Ackermann, war schon zum Vize von Operativ-Vorstand Ritchotte aufgerückt. Seitdem machte er intern kein Extrem-Rätsel daraus, was er in naher Zukunft als seinen nächsten Karriereschritt erwartet. Nun wurde ihm aber Kim Hammonds vorgezogen, Campelli darf sich nur um die Betreuung der Superreichen kümmern und wird unter Sewing angesiedelt. Eher ein Verlierer.
Für Eingeweihte schon länger eine Top-Kandidatin für höhere Weihen: Kim Hammonds, zuvor beim US-Flugzeugbauer Boeing, ist die IT-Chefin der Deutschen Bank. Weil Banken mindestens zur Hälfte IT-Unternehmen sind, bekommt Hammonds jetzt auch die Position, die ihrer Bedeutung entspricht: Hammonds wird Chief Operating Officer und soll die Informationssysteme erneuern. Weil ihr die Krediterfahrung fehlt, startet sie mit dem Jahreswechsel als Generalbevollmächtigte und soll einen Jahr später in den Vorstand aufrücken.
Einer der größten Verlierer des Radikalschnitts: Colin Fan, bislang Co-Chef der Sparte für Unternehmenskunden, verlässt die Deutsche Bank ohne Ehrenrunde: am 19. Oktober.
Sein alter Kompagnon steigt dagegen auf: Jeff Urwin, bislang zusammen mit Fan Co-Chef von Corporate Banking & Securities, wird alleiniger Chef des operativen Glanzstücks der Deutschen Bank: Der Betreuung von Unternehmenskunden sowie Investmentbanking. Zudem rückt er, weil das Global Executive Committee aufgelöst wird, in den Vorstand auf. Ein Gewinner.
In Fans und Urwins alter Sparte Corporate Banking & Securities lag auch der ganze Wertpapierhandel. Das wird in die neue Sparte Globale Märkte wandern. Zuständig und damit neuer Vorstand wird Garth Ritchie, der bislang das Aktiengeschäft geführt hat. Eindeutig ein Gewinner.
Ein Verlierer: Stefan Krause, lange Jahre Finanzvorstand und inzwischen im Vorstand unter anderem verantwortlich für den Verkauf der Postbank, warf die Finanzaufsicht im Zusammenhang mit der Libor-Affäre Verfehlungen vor. Ende Oktober legt er sein Vorstandsmandat nieder. Um den Verkauf der Postbank kümmert sich dann Werner Steinmüller.
Insgesamt fünf Verdachtsmomente führte die BaFin gegen Michele Faissola an. Bevor der Italiener im Juni 2012 Chef der Vermögensverwaltung (Asset Management) wurde, sei er als direkter Untergebener von Ex-Investmentbanking-Chef Anshu Jain für das Geschäft mit Zinsraten mitverantwortlich gewesen. Faissola hätte sich, so die BaFin, mehr um die Aufarbeitung des Manipulationsverdachts beim Libor kümmern müssen. Für ihn holt die Bank zum Jahreswechsel Quintin Price vom weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Price kommt, anders als Faissola, in den Vorstand. Der Italiener wird gehen. Eindeutig ein Verlierer.
Und zum Schluss noch ein eindeutiger Gewinner: Finanzvorstand Marcus Schenck, zuvor jahrelang bei Goldman Sachs und als Finanzvorstand bei Eon, ist erst seit Ende Mai im Amt und deswegen unbelastet von den Skandalen der Vergangenheit. Seit Mai ist er im Vorstand einer der engsten Sparringspartner Cryans.