Kursrutsch nach Geschäftszahlen Deutsche Bank enttäuscht Anleger

Die Profitabilität steigt, der Nettogewinn mehr als verdoppelt – Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing übertrifft sein Renditeziel und legt ein Rekordergebnis vor. Daran sollen per Dividende auch die Aktionäre teilhaben – doch die ergreifen erst einmal die Flucht.
Das könnte sein Tag werden: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing blickt zur Jahrespressekonferenz auf ein Rekordergebnis

Das könnte sein Tag werden: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing blickt zur Jahrespressekonferenz auf ein Rekordergebnis

Foto: Arne Dedert / dpa

Die Deutsche Bank hat ihren Gewinn dank höherer Zinsen und eines florierenden Handelsgeschäfts im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 5,02 Milliarden Euro, ein Anstieg um 159 Prozent, teilte das Institut am Donnerstag mit. Damit übertraf das größte deutsche Geldhaus die Erwartungen der Analysten, die im Schnitt mit einem Nettogewinn von 4,17 Milliarden Euro gerechnet hatten.

Das selbstgesteckte Ziel, eine Eigenkapitalrendite von 8 Prozent zu erzielen, übertraf die Bank mit 9,4 Prozent. Die Aktionäre sollen eine Dividende von 0,30 je Aktie bekommen. "2022 haben wir das beste Ergebnis seit fünfzehn Jahren erzielt", erklärte Konzernchef Christian Sewing.

Dieses Renditeziel erreichte die Bank jedoch nur dank eines Steuereffekts. So steigerte die Deutsche Bank ihren Gewinn im vergangenen Jahr zwar noch stärker als erwartet. Ohne den unerwartet hohen Steuereffekt von 1,4 Milliarden Euro hätte der Vorstand sein Ziel aber verfehlt. Der Vorsteuergewinn legte um 65 Prozent auf rund 5,6 Milliarden Euro zu. Hier hatten Analysten jedoch einen noch stärkeren Sprung nach oben erwartet.

An der Börse kamen die Geschäftszahlen daher nicht gut an. Die Deutsche-Bank-Aktie  rutschte erheblich ab und notierte zwischenzeitlich mehr als 5 Prozent im Minus. Händler und Analysten begründeten den Kursrutsch auch mit Schwächen der Bank im Investmentbanking oder sprachen von "durchwachsenen Resultaten".

Analysten bleiben skeptisch

Analyst Kian Abouhossein von der Bank JPMorgan glaubt derweil, dass das Fazit der Anleger negativ ausfallen wird. Er sieht die Gefahr, dass die Konsensschätzungen etwas sinken werden. Außerdem fehlten die am Markt erhofften Aussagen zu möglichen Aktienrückkäufen, ergänzte der Experte. Die US-Bank JPMorgan beließ am Morgen die Einstufung für die Deutsche Bank auf "Overweight" mit einem Kursziel von 15 Euro, beklagte allerdings ebenso, dass die Bank zunächst keine Aussage zu möglichen Aktienrückkäufen getroffen habe. Andere Marktteilnehmer kritisierten, dass die Deutsche Bank ihr Renditeziel ohne einen Steuereffekt nicht erreicht hätte.

Umbauphase endet, Profitabilitäts-Indikator unter Erwartungen

Das einstige Sorgenkind der europäischen Bankenbranche schloss damit das dritte Jahr infolge mit Gewinn ab. Mit dem Schlussquartal 2022 endet nun auch die dreijährige Umbauphase, mit der Sewing das Institut aus der Verlustzone führte. "Indem wir uns auf unsere Stärken konzentriert haben, sind wir deutlich profitabler, diversifizierter und effizienter geworden", erklärte er.

Seine Ziele hin zu einem attraktiveren Aufwand-Ertrags-Verhältnis und somit zu einer höheren Profitabilität musste Sewing im vergangenen Sommer von 70 Prozent auf "die Spanne im mittleren bis niedrigen 70-Prozent-Bereich" korrigieren, erwartete also mehr Kosten, um einen bestimmten Ertrag zu erzielen als zuvor.

Zum Ende 2022 lag dieser Profitabilitäts-Indikator bei 75 Prozent – und damit unter den Erwartungen der Analysten. Im vierten Quartal 2022 trugen Kosten für Rechtsstreitigkeiten, Vergleiche und "aufsichtsrechtliche Maßnahmen" zu den Aufwendungen bei, die insgesamt um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr sanken.

Handelsgeschäft rettet die Investmentbank

Die Volatilität auf den Märkten beflügelte insbesondere das Handelsgeschäft mit Anleihen und Währungen, bei dem die Erträge um 26 Prozent auf 8,9 Milliarden stiegen. Die Händler retteten damit die Gewinne der Investmentbank, der die Flaute bei Fusionen und Übernahmen nicht erspart blieb: Die Erträge der Investmentbanker im Emissions- und Beratungsgeschäft sanken um 62 Prozent auf eine Milliarde Euro gegenüber dem Vorjahr. Demzufolge wurden die Boni der Investmentbanker gekürzt und einige Stellen gestrichen.

Doch die Bilanz der Deutschen Bank wurde durch die Flaute im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen (M&A) nicht so stark belastet wie etwa die der US-Rivalen. Goldman Sachs und Morgan Stanley, deren Erträge vielmehr vom Investmentbanking abhängen, hatten im Schlussquartal 2022 Gewinnrückgänge von bis zu 70 Prozent verbucht.

Sewing hatte sich als Ziel gesetzt, die Erträge der Bank auf die weniger volatile Bereiche, wie das Privat- und Unternehmenskundengeschäft zu stützen. Unerwarteten Rückenwind bekamen diese Geschäftsbereiche im vergangenen Jahr vor allem durch die Zinswende: Erträge im Geschäft mit Unternehmenskunden stiegen um 23 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro und auch das Privatkundengeschäft brachte mit 1,7 Milliarden 11 Prozent höhere Erträge als im Vorjahr.

Doch der unsichere wirtschaftliche Ausblick birgt Risiken für das Institut: Die Vorsorge für Kreditausfälle stieg 2022 auf 1,2 Milliarden Euro von 515 Millionen Euro. Das Brutto-Kreditengagement in Russland sank um 42 Prozent auf 806 Millionen Euro. Ein schwächeres Wachstum, die steigende Inflation oder die Rückkehr zu Niedrigzinsen könnten laut Analysten von Goldman Sachs den Aktienkurs der Bank wieder einbrechen lassen.

rei, dri/Reuters, dpa-afx
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