Ausverkauf bei Banken Deutsche-Bank-Aktien brechen ein – Scholz sieht keinen Anlass zur Sorge

Die Nervosität an den Aktienmärkten bleibt hoch. Das größte deutsche Geldhaus verliert in wenigen Stunden ein Achtel seines Wertes. Die Kreditausfallversicherungen steigen auf ein Vierjahreshoch. Hochrangige Vertreter aus der Politik und Finanzbranche versuchen, die Märkte zu beruhigen.
Im Fokus der Investoren: Die Deutsche Bank steht eigentlich derzeit gut da, doch Anleger sind verunsichert

Im Fokus der Investoren: Die Deutsche Bank steht eigentlich derzeit gut da, doch Anleger sind verunsichert

Foto: Boris Roessler / dpa

Die Unruhe an den Finanzmärkten bleibt hoch. Nach dem Bankenbeben in den USA und der Schweiz bemüht sich die EU um eine Beruhigung der Anleger. "Das Bankensystem ist stabil in Europa", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Die europäische Bankenaufsicht und das Finanzsystem stünden robust und stabil da und die europäischen Banken hätten eine widerstandsfähige Kapitalausstattung. Doch für Aktien europäischer Banken ging es unterdessen erneut deutlich abwärts.

Ein Ausverkauf bei Aktien belastete am Freitag besonders die Deutsche Bank. Der Kurs stürzte zeitweise um 12 Prozent und erreichte ein neues Monatstief. Zuletzt dämmte das Papier seine Verluste auf rund 5 Prozent ein. Nach der Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die UBS  am vergangenen Wochenende war der Kurs des größten deutschen Geldhauses zunächst nur kurz eingebrochen, hatte sich aber bereits Anfang der Woche wieder stabilisiert. Nun gerät das Institut unter Führung von Christian Sewing (52) erneut unter Druck.

Auch die Credit Default Swaps (CDS) der Deutschen Bank haben deutlich zugelegt. Die Kosten dieser Kreditausfallversicherungen gelten als wichtiger Seismograf für das Vertrauen der Investoren. Am Freitag stieg der Wert auf rund 200 Basispunkte – das ist laut Bloomberg der höchste Stand seit 2018.

"Situation nicht mit der Credit Suisse vergleichbar"

Laut Kanzler Scholz gibt es keinen Anlass, sich Gedanken zu machen. Die Deutsche Bank habe ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert, neu organisiert und "ist sehr profitabel". Zude habe die EU strenge Regeln für die Aufsicht etabliert.

Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde (67) hat vor den EU-Staats- und Regierungschefs die Robustheit des europäischen Bankensektors bekräftigt. Lagarde habe den Teilnehmern des EU-Gipfels dargelegt, die Geldhäuser im Euro-Raum seien aufgrund starker Liquiditäts- und Kapitalpositionen widerstandsfähig, wie EU-Vertreter am Freitag sagten. Den Staats- und Regierungschefs habe Lagarde mitgeteilt, dass der Bankensektor stark sei, wozu auch die nach der Globalen Finanzkrise eingeleiteten Reformen der Bankenaufsicht beigetragen hätten. Der Instrumentenkasten sei zudem voll ausgestattet, um nötigenfalls den Geldhäusern mit Liquiditätshilfen unter die Arme zu greifen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron (45) sagte, die Situation der europäischen Banken sei nicht mit der Krisenbank Credit Suisse vergleichbar. "Das Fundament ist gesund." Ähnlich äußerte sich Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe (48): "Ich bin sehr zuversichtlich, was die Liquidität und die Widerstandsfähigkeit angeht, die unser Bankensystem aufgebaut hat." Die Regulierungsbehörden sowie nationale und europäische Institutionen hätten eine sehr wichtige Rolle dabei gespielt, die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems zu stärken. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe sehr gute Arbeit geleistet, sagte auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (55). "Ich glaube, dass das Bankensystem in Europa stabil und robust ist."

Deutsche Bank steht eigentlich stabil da

Anders als die gestürzte Schweizer Großbank Credit Suisse hatte die Sewing-Truppe in den vergangenen Jahren wichtige Umbauarbeiten angestoßen und die Risiken im Geschäft heruntergefahren. Die Sanierung gilt intern als abgeschlossen. Seit Längerem diskutieren Sewing und Aufsichtsratschef Alexander Wynaendts (62) nach Informationen des manager magazins  sogar bereits über einen Vorstandsumbau, um sich auf die neue Realität einzustellen. An diesem Freitag kündigte die Bank zusätzlich an, am 24. Mai nachrangige Anleihen mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Dollar vor ihrer Fälligkeit 2028 tilgen. Das Institut wird diese sogenannten Tier2-Anleihen zu 100 Prozent ihres Nennwerts mit den bis zum Einlösungsdatum aufgelaufenen Zinsen zurückzahlen.

Die Investoren jedoch beruhigte das offenbar nicht. "Die Deutsche Bank steht schon seit einiger Zeit im Rampenlicht, ähnlich wie die Credit Suisse", sagte Stuart Cole, leitender Makroökonom bei Equiti Capital. "Sie hat verschiedene Umstrukturierungen und Führungswechsel hinter sich, um wieder auf eine solide Basis zu kommen, aber bisher scheint keine dieser Bemühungen wirklich erfolgreich gewesen zu sein."

Anleger ziehen Gelder von Banken ab

Der globale Bankensektor ist seit dem plötzlichen Zusammenbruch der beiden US-Regionalbanken Silicon Valley Bank und Signature Bank in diesem Monat erschüttert worden. Die darauffolgende Nervosität brachte am vergangenen Wochenende sogar die Credit Suisse zu Fall. Anleger hatten in kürzester Zeit Einlagen in einem Umfang abgezogen, dass am Ende nur eine von der Schweizer Politik orchestrierte Notrettung  durch die UBS blieb.

Im Laufe der Woche reagierten Investoren sensibel auf jede Nachricht. Die jüngsten Börsenschwankungen infolge des Bankenbebens hält Bundesbank-Präsident Joachim Nagel (56) denn auch nicht für ungewöhnlich. Immer wenn so etwas passiere, seien die Finanzmärkte sehr verunsichert, sagte er am Freitag auf einer Veranstaltung in Edinburgh. Nach solchen Ereignissen sei es dann oft ein holpriger Weg. Das hätten ähnliche Ereignisse in der Vergangenheit gezeigt. "Daher bin ich nicht so überrascht, dass die Märkte etwas volatiler sind als vor diesen Ereignissen."

"Im Allgemeinen suchen die Märkte in einem solchen Umfeld nach dem schwächsten Glied," kommentierte auch Jussi Hiljanen, Chefstratege beim schwedischen Bankhaus SEB, die Entwicklung. Die Märkte seien generell ziemlich besorgt und konzentrierten sich auf den potenziellen nächsten Dominostein. Die Analysten von Autonomous Research hielten die Deutsche Bank für widerstandfähig. "Um es klar zu sagen: Deutsche Bank ist nicht die nächste Credit Suisse", schrieben sie in einer Analyse. Die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin wollte die Ereignisse nicht kommentieren. Finanzmarkt-Stratege Paul Van der Westhuizen von der Rabobank wies auch auf markttechnische Aspekte hin: "Erstens wollen Investoren an keinen Positionen festhalten, die ihnen über das Wochenende Sorgen bereiten." Wahrscheinlich sei bei der Deutschen Bank gerade die Reduzierung solcher Positionen zu sehen. "Und natürlich kann man damit Geld verdienen, wenn man an der richtigen Seite der Überreaktion der Aktienkurse steht."

Aktuell heizten vor allem Nachrichten aus den USA die Unruhe erneut an. Finanzministerin Janet Yellen (76) hatte am Donnerstag erklärt, ihr Ministerium und die Aufsichtsbehörden wären bereit, umfassende Einlagensicherungen für andere Banken vorzunehmen, sollte das notwendig werden. Gleichzeitig ermittelt die US-Regierung laut Recherchen der Agentur Bloomberg offenbar, ob große Banken russischen Oligarchen bei der Umgehung der Sanktionen geholfen haben könnten; darunter sollen auch die UBS und die Credit Suisse sein.

Die Kurse der UBS und der Credit Suisse brachen am Freitag zeitweise um rund 7 Prozent ein. Auch andere Banken waren betroffen. Die Papiere der Commerzbank sackten zeitweise um 9 Prozent ein, zuletzt waren es nur noch 4 Prozent minus. Der Index der europäischen Banken Stoxx Europe 600 Banks sackte am Freitag zeitweise um fast 6 Prozent ab, zuletzt betrugen die Verluste noch gut 3,5 Prozent. Am stärksten spürte es aber die Deutsche Bank, die zeitweise nur noch auf eine Marktkapitalisierung von rund 16,5 Milliarden Euro kam.

"Wir sind immer noch nervös, weil wir darauf warten, dass ein weiterer Dominostein fällt, und die Deutsche ist eindeutig der nächste, an den alle denken (zu Recht oder zu Unrecht)", sagte Chris Beauchamp, leitender Marktanalyst bei IG. "Es sieht so aus, als ob die Bankenkrise noch nicht ganz überwunden ist."

lhy, dri/Reuters, dpa
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