Scheidender Deutsche-Bank-Chef Sprechen lernen als Lame Duck

Soll bis Mai 2016 an der Spitze der Deutschen Bank weitermachen: der Co-Vorsitzende des Vorstands, Jürgen Fitschen. Um trotz Lame Duck-Image das Bankhaus in der Öffentlichkeit vertreten zu können, muss an seiner Kommunikationsstrategie gefeilt werden
Foto: Sven Hoppe/ dpaDeutsche Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner zeigt sich dankbar und offenbar erleichtert in der Öffentlichkeit angesichts des angekündigten Rücktritts der Doppelspitze von Anshu Jain und Jürgen Fitschen.
"Ihre Entscheidung, ihr Amt früher als geplant niederzulegen, zeigt auf eine beeindruckende Weise ihre Einstellung, die Interessen der Bank vor ihre eigenen zu stellen." (zitiert nach Presseerklärung der Deutschen Bank)
Ein absolut vergiftetes Lob, denn die Interessen der Bank sind offenbar alles andere - nur nicht die einer weiteren Zusammenarbeit mit der Doppelspitze. Und - anders herum gefragt - sollten nicht die Interessen der Führungs-Doppelsitze und die der Deutschen Bank identisch sein, dass es keiner großen Unterscheidung mehr bedarf? Bei aller Kritik an ihren Vorgängern - die haben jedenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass die Interessen der Deutschen Bank auch ihre eigenen sind und umgekehrt. Das führte zuweilen zu etwas egomanen Auftritten eines Josef Ackermann und daraus resultierender kritischer bis negativer Berichterstattung, aber man nahm ihn als Typ wahr, der auch unpopuläre Auffassungen mit seiner Position als Manager für das Bankhaus trug und die negative Schlagzeilen einfach wegsteckte.

Tom Buschardt ist seit Ende der 1990er Jahre Medientrainer. Er coacht Vorstände und Politiker für den optimalen Auftritt vor Mikrofon, Kamera und Publikum. Seit 2004 ist er auch Dozent an der Akademie des Auswärtigen Amtes (Interviewtraining). Er arbeitete für zahlreiche Sender der ARD sowie RTL Aktuell und ist Experte für Krisenkommunikation. www.buschardt.de
So gesehen war es weder für Anshu Jain noch für Jürgen Fitschen eine gute Ausgangsposition, Führungsstärke zeigen zu können, wenn die Bank nach einem Josef Ackermann zwei Manager installiert, die in dessen Fußstapfen treten sollten.
Paul Achleitner kann mit seinem "Lob" und "Dank" nur gemeint haben, dass man einen langwierigen Kampf um das Festhalten an im Grunde nicht mehr haltbaren Positionen und Funktionen vermeidet und den Ausscheidenden dafür dankt, in unruhigen Zeiten nicht noch mehr Durcheinander in den Medien zu verursachen.
Während Jain in der offiziellen Sprachregelung weiterhin als Berater für die Bank tätig sein würde, was letztlich einem sanften Abgang entspricht, will Fitschen bis zur nächsten Hauptversammlung noch die Stellung halten.
Das wird eine harte Zeit - für Jürgen Fitschen und die Deutsche Bank.
Schon bei der Hauptversammlung präsentierte sich ein absolut emotionsloser und begeisterungsresistenter Jürgen Fitschen, der schließlich auch mit einigen Buh-Rufen und Pfiffen abgestraft wurde. Auf einer derartigen Basis kann nichts Konstruktives für die Bank-Kommunikation wachsen - aber auch nicht für Jürgen Fitschen selbst, der schließlich seine eigene Marktpositionierung im Blick haben muss, will er nicht für den Rest seines Berufslebens mit dem Deutsche-Bank-Prozess in Verbindung gebracht werden.
Nicht nur sauber artikulieren, sondern auch Emotionen wecken
Mit überwiegend gesenktem Haupt, eng ans Redemanuskript geklammert, Gestik- und Mimik-arm sowie hölzern, steif und ohne jegliche Betonung arbeitete er sich bei der Hauptversammlung durch seine "Sätze-To-Do-Liste".
"Wir steuern die Deutsche Bank in die richtige Richtung. Wir haben viele Herausforderungen erfolgreich bewältigt. Und für die noch verbliebenen Herausforderung ist unsere Strategie klar: Wir sind vom Potenzial der Deutschen Bank überzeugt. Und wir sind fest entschlossen, gemeinsam mit dem gesamten Vorstand, gemeinsam mit allen unseren Kollegen, dieses Potential zu heben. Dafür werden wir kämpfen. Deshalb bitten wir Sie weiterhin um ihre Unterstützung. Ich bedanke mich, für Ihre Aufmerksamkeit." (zitiert nach N24-Mitschnitt von der Hauptversammlung)
Unter anderem während dieser Passage senkt Fitschen den Kopf, mit dem Blick Halt suchend auf sein Manuskript geheftet, als wüsste er nicht, dass es bei einer derartigen Rede nicht nur um eine sauber artikulierte Textvertonung geht, sondern auch darum, Emotionen zu wecken.
"Wir sind vom Potenzial der Deutschen Bank überzeugt. Und wir sind fest entschlossen, gemeinsam mit dem gesamten Vorstand,[…]"
So, wie Fitschen es angepackt hat, kann man als Redner nicht charismatisch wirken. Er hat keine Chance, durch einen derartigen steifen Auftritt sein Publikum hinter sich zu vereinen und für gemeinsame Ziele zu begeistern. Gerade gegen Ende einer solch wichtigen Rede muss von einem Mann in der Position Jürgen Fitschens mehr geboten werden.
Der Text seiner Rede ist inhaltlich während dieser Passage ohne jegliche Beanstandung.
Zugegeben: Es ist ein Text, der von der Weihnachtsfeier-Ansprache eines kleinen Mittelständlers bis zum internationalen Weltkonzern funktioniert und absolut austauschbar ist. Aber gerade die einfache Funktionalität einer solchen Textpassage verlangt eine entsprechend mitreißende Präsentation. Ein Redestil wie bei einem Staatsakt ist - auch wenn es die Deutsche Bank ist - nicht hilfreich. Seriosität muss nicht mit "steif" und "emotionslos" übersetzt werden.
Medien werden sich auf den neuen, starken Mann an der Spitze konzentrieren
Das Problem von Fitschen wird in den nächsten Monaten medial noch größer werden. Bis zum Mai 2016 ist es noch eine lange Zeitspanne.
Anshu Jain hat es gut erwischt: Er wird die Deutsche Bank offiziell noch ein wenig beraten. Im Grunde genommen könnte man es als Übergabe bezeichnen, die medial etwas schicker sprachpoliert wird. John Cryan wird im Juli bereits übernehmen. Was passiert dann mit Fitschen, der sich eher noch vor Gericht präsentieren kann denn als Co-Vorstandschef?
Cryan wird nach dem Ausscheiden Fitschens alleine die Bank führen. Fitschen ist damit definitiv eine "Lame Duck", die irgendwie noch gefüttert werden muss. Es ist in großen Unternehmen ja nichts Ungewöhnliches, einen Mitarbeiter noch etwas mitzuschleppen, für den man eigentlich kaum noch Verwendung hat. Aber in einer derartigen Position?
Fitschen wird sich selbst nur noch weiter medial schwächen, wenn er diese Position weiter innehaben möchte. Die Medien werden sich auf den neuen, starken Mann an der Spitze der Bank konzentrieren, der aber noch seine Altlast "Fitschen" mit seiner Restlaufzeit irgendwie beschäftigen muss, ohne ihn als Mensch und Manager komplett zu demontieren.
Die richtungsweisenden Interviews und Impulse werden ab sofort von John Cryan gegeben werden - Fitschen bleiben seine Auftritte im Prozess gegen die Deutsche Bank.
Wenn der Kollege Stefan Kaiser im SPIEGEL bereits in seiner Headline vom "Banker von der traurigen Gestalt" schreibt, dann wird es höchste Zeit für einen Top-Manager der Top-Manager bleiben will, an seiner Medienstrategie zu arbeiten. Und seine Berater sollten diesen Artikel genauestens analysieren, denn der SPIEGEL dient auch anderen Journalisten als Orientierungshilfe. Kaiser schreibt journalistisch und objektiv betrachtet ausgesprochen gut - aber gefährlich für Fitschens mediale Zukunft.
Aus der Lame Duck könnte ein Donald Duck werden
Es sind scheinbare Nebensächlichkeiten, die das Bild von Fitschen im Artikel von Stefan Kaiser prägen:
"Sein Tross schiebt ihn in den Gerichtssaal […] Sein Platz ist in der dritten Reihe der Anklagebänke, ganz hinten an der Tür. Vor ihm sitzen seine Vorgänger […] völlig andere Typen. Großmännisch, charismatisch, eitel. […] Fitschen dagegen ist in seinem Wesen immer der nette Junge aus dem niedersächsischen Dörfchen Hollenbeck geblieben." (zitiert nach SPIEGEL ONLINE)
Fakten. Nichts als Fakten. Aber gefährliche Fakten in dieser Kombination, um jemals ein besseres Image bekommen zu können.
Leise erklingt der Paso Doble, die Faena hat begonnen.
"Fitschen ist zur tragischen Figur […] geworden. […] Er hatte noch als einfacher Vorstand die fragliche Umsatzsteuererklärung 2009 unterschrieben, weil der eigentliche Chef Ackermann gerade nicht im Hause war. Wieder mal Pech gehabt. Irgendwie typisch Fitschen."
Wenn die ersten Artikel in einem derartigen Tenor erscheinen, wird es für die Betroffenen erfahrungsgemäß in den Medien eng und die Luft wird dünner.
Fitschen muss deshalb mit der erhöhten Gefahr leben, dass die Medien anstelle der "Lame Duck" aus ihm einen "Donald Duck" machen, wenn er nicht massiv an der Optimierung seiner Medienpräsenz arbeitet. Eine augenblickliche Schonzeit für Enten ist in diesen Monaten nur durch das Jagdrecht definiert - in den Medien gibt es sie nicht.
Tom Buschardt ist Medientrainer, Experte für Krisenkommunikation und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de