

Die unverhohlene Drohung des Konzernchefs John Cryan hinterlässt in der Deutschen Bank kaum Eindruck, wenn ein Bericht des Karriereportals "E-Financialcareers" repräsentativ ist.
Cryan hatte in dieser Woche auf der Bankentagung des "Handelsblatts" dem angekündigten Abbau weiterer tausender Stellen Nachdruck verliehen und dafür drastische Worte gewählt. "Sehr viele" Jobs ließen sich automatisieren.
Viele Banker arbeiteten schon heute "wie Roboter"; die könne man genauso gut auch durch echte Roboter ersetzen, so Cryan. Die werden beim Schieben langer Zahlenreihen wenigstens nicht abgelenkt oder schlafen ein.
Cryan hob die rund 6000 Buchhalter und Rechnungsprüfer der Deutschen Bankhervor. Viele von denen "verbringen ihre Zeit im Wesentlichen als ein Abakus". Vernichtende Worte, und das von einem, der seine Karriere selbst als Buchhalter begonnen hatte.
"Nicht allzu viel Routine" in London
Doch "E-Financialcareers" hat sich am wichtigen Standort London umgehört, der ohnehin schon wegen des Brexit in Bedrängnis ist. Von Existenzangst jedoch keine Spur, zumindest nicht wegen Cryans Robotervergleich.
"Die Kommentare bezogen sich wohl auf die Finanzfunktionen in Übersee", zitiert das Portal einen anonymen Vertreter des Londoner Büros. "Wo ich bin, kümmern wir uns um höchst maßgeschneiderte Produkte und Transaktionen, sodass wirklich kein Tag wie der vorige ist und es nicht allzu viel Routine gibt." Solche Spezialisten lassen sich natürlich nicht ohne weiteres wegautomatisieren.
Was wie eine Schutzbehauptung oder Zweckoptimismus klingt, wird von dem Headhunter Tom Stoddart von der Firma Eximius Finance bestätigt.
"Die meisten der reinen Zahlenschieberjobs wurden schon vor Jahren ausgelagert", erklärt der. "Die meisten Controller der Deutschen Bank (Kurswerte anzeigen) sitzen heute in Mumbai, Bengaluru und Manila, andere in Jacksonville, Florida. Fast keine davon in London."
Ein Teil der Londoner Deutschbanker ist allerdings selbst damit beschäftigt, ein Datenbankprojekt namens Stride zu entwickeln. Das soll in diesem Jahr abgeschlossen werden und künftig einzelne Jobs leichter automatisieren helfen - ob in London oder Mumbai.
Die zunehmende Automatisierung und die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz werden laut World Economic Forum (WEF) dazu führen, dass in den kommenden Jahren viele Jobs für Menschen verloren gehen. Eine Studie habe ergeben, dass bis 2020 insgesamt fünf Millionen Arbeitsstellen wegfallen, so das Forum.
Laut WEF wird es vor allem Menschen in Büros und in Verwaltungsbereichen treffen. Doch auch andere Arbeitsfelder stehen Experten zufolge vor Umwälzungen durch Automatisierung. Der US-Radioverbund NPR beispielsweise bot vor einigen Monaten ein Tool an, mit dessen Hilfe sich die Wahrscheinlichkeit errechnen ließ, dass ein Job demnächst durch Computer oder Roboter gemacht werden kann. Hier das Ergebnis:
Taxifahrer: Schon heute sind die Medien voll von Berichten über selbstfahrende Autos. Kein Wunder also, dass der Job des Taxifahrers wohl keine große Zukunft haben dürfte. Laut NPR-Tool liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer in den kommenden 20 Jahren wegrationalisiert werden, bei 89,4 Prozent.
Busfahrer dürfte das gleiche Schicksal ereilen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 88,8 Prozent, so NPR.
Einige Berufe in der Lebensmittelbranche könnten ebenfalls von Maschinen gemacht werden, so die Experten. Beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit bei Fleischern bei 93,3 Prozent. Bei Bäckern sind es immerhin 88,8 Prozent. Ein Grund: Diese Berufe erfordern dem NPR-Tool zufolge nicht allzu viel Cleverness.
Das gilt bemerkenswerterweise auch für den Job des Restaurantkochs, der laut NPR mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent in den kommenden Jahren durch Maschinen ausgeführt wird.
Keine Überraschung dagegen: Wie auch das WEF sagt, werden auch im Büro viele Tätigkeiten künftig automatisiert werden. Der Job des Buchhalters beispielsweise zählt mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 97 Prozent dazu, so das NPR-Tool. Ähnlich hoch ist der Wert für Poststellenmitarbeiter.
Es gibt aber auch Lichtblicke. Lehrer beispielsweise üben offenbar eine Tätigkeit aus, die sich kaum automatisieren lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb der kommenden 20 Jahre Roboter unsere Kinder unterrichten, liegt laut NPR bei weniger als einem Prozent.
Auch Architekten (im Bild: der Brite Sir Norman Foster) sind offenbar schwer zu ersetzen, ebenso wie auch viele Ingenieursberufe. Die Wahrscheinlichkeit dort liegt jeweils deutlich unter 10 Prozent.
Ähnlich ist es bei vielen medizinischen Berufen. Was viele beruhigen wird: Zahnärzte werden laut NPR in den kommenden 20 Jahren lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4 Prozent durch Maschinen ersetzt.
Ebenfalls eine gute Nachricht: Auch der Bereich Paar- und Familientherapie bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit von weit über 90 Prozent in menschlicher Hand.
Interessant ist die Vorhersage für die juristischen Berufe. Während Rechtsanwälte (im Bild: Deutsche Bank-Vorstand Jürgen Fitschen mit seinem Anwalt Hanns Feigen) nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 3,5 Prozent wegrationalisiert werden können, liegt ...
... der Wert bei Richtern bei immerhin 40,1 Prozent.
Selbstverständlich macht die Automatisierung auch vor der Finanzdienstleistungsbranche nicht Halt. Viele Analystenjobs beispielsweise können laut NPR mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent von Computern erledigt werden.
Auch Immobilienmakler müssen weiter bangen. Die jüngste die Einführung des Bestellerprinzips bei der Bezahlung war möglicherweise nicht das letzte Ungemach für diese Branche. Beinahe 90 Prozent beträgt laut NPR-Tool die Wahrscheinlichkeit, dass auch hier demnächst Roboter oder Maschinen zum Einsatz kommen. Das Schicksal teilen die Makler ...
... übrigens mit den Versicherungsverkäufern, die auf einen Wert von mehr als 90 Prozent kommen. Immobilienvermarktungsplattformen sowie Versicherungsvergleichsportale im Internet zeigen in diesen beiden Bereichen bereits jetzt, wohin die Reise geht.
Selbst die Versicherungsmathematiker, im Fachjargon Aktuare, sind laut NPR nicht sicher vor der neuen Technik. Der Wahrscheinlichkeitswert liegt dort bei mehr als 20 Prozent.
Zweitgeteilt ist das Bild in dem Bereich, der mit verantwortlich ist für die fortschreitende Automatisierung der Wirtschaft: die Computerbranche. Programmierer etwa werden laut NPR bald kaum noch gebraucht, ihre Arbeit erledigen die Computer dann wohl selbst. Systemanalysten dagegen beispielsweise haben lediglich eine Wegrationalisierungsgefahr von weniger als 1 Prozent.
Ganz frei von Automatisierungsbefürchtungen kann auch die Medienbranche nicht sein. Schlagworte wie "Roboterjournalismus" geistern seit langem umher. Reporter und Korrespondenten beispielsweise können laut NPR in den kommenden Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 11 Prozent ersetzt werden - wodurch auch immer.
Selbst kreativen Berufen wie dem des Modedesigners (im Bild: Ikone Karl Lagerfeld) gibt das Tool eine Chance von 2,1 Prozent, dass irgendwann Maschinen sie ausführen. Das dürfte ein Hinweis darauf sein, was die Entwickler selbst eingeräumt haben: Man sollte die Berechnungen nicht in jedem Fall allzu ernst nehmen. Wohl auch nicht in ...
... diesem: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,5 Prozent werden Roboter und Maschinen in den kommenden 20 Jahren die Arbeit von Vorstandschefs machen (im Bild: Daimler-Chef Dieter Zetsche).
Ebenfalls kurios, aber wohl realistischer: Im Sport wird es Schiedsrichter nach Berechnung des NPR-Tools mit einer Wahrscheinlichkeit von beinahe 100 Prozent in 20 Jahren nicht mehr geben.
Schon jetzt breitet sich die Technik beispielsweise zur Torlinien-Überwachung im Fußball aus.
Taxifahrer: Schon heute sind die Medien voll von Berichten über selbstfahrende Autos. Kein Wunder also, dass der Job des Taxifahrers wohl keine große Zukunft haben dürfte. Laut NPR-Tool liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer in den kommenden 20 Jahren wegrationalisiert werden, bei 89,4 Prozent.
Foto: Daniel Reinhardt/ picture alliance / dpaChristian Sewing hat den Topjob der Deutschen Bank bekommen. Der neue CEO, der seit der Banklehre in Bielefeld für den Konzern arbeitet, steht für die Hinwendung zu den Wurzeln im Heimatmarkt. Vor seiner Verantwortung für das Privat- und Firmenkundengeschäft und einer kurzen Amtszeit als Rechtsvorstand machte er jahrelang Karriere im Risikomanagement.
Mit dem bislang eher bescheiden auftretenden Westfalen rücken weitere Manager in die Konzernspitze auf, die wenig Getöse machen. Personalvorstand Karl von Rohr wurde zu Sewings Stellvertreter ernannt.
Einen Vizeposten bekam auch Garth Ritchie, der nach dem Abgang des deutlich sendungsbewussteren Marcus Schenck alleine die Investmentbank- und Großkundensparte führt. Zumindest formell bekommt die Sparte mit dem Südafrikaner höheres Gewicht. Sewing will sich aber aus dem unprofitablen Kampf um Marktanteile mit US-Rivalen zurückziehen. Der Chefwechsel wird an der Wall Street als Aufgabe von Ambitionen gewertet.
Die Retail-Sparte allerdings, bisher mit Sewing gleichwertig als Vizekonzernchef vertreten, steht künftig unter der Regie nur noch eines einfachen Vorstandsmitglieds: Frank Strauß muss die Integration der Postbank vollenden. Spekuliert wird nun über eine strategische Hinwendung zum deutschen Markt, eventuell sogar eine Fusion mit der Commerzbank. Eine eigene digitale Bankmarke ist bereits in Vorbereitung.
Als Chief Operative Officer ist Kim Hammonds unter anderem für die Grundüberholung der überkomplexen und teils ineffizienten IT zuständig - nach eigenen Angaben mit großen Fortschritten. Die Amerikanerin eckt jedoch oft an. Zuletzt nannte sie ihren Arbeitgeber das "dysfunktionalste Unternehmen", für das sie je gearbeitet habe.
Auch Finanzchef James Moltke fiel in den Wochen vor dem Vorstandsumbau mit negativen Schlagzeilen auf. Nach drei Jahren roter Zahlen unter dem als Sanierer geholten John Cryan hofft die Bank, ihre Altlasten weitgehend geräumt und die Kosten gedrückt zu haben. Doch der Neustart zu Gewinnen und Wachstum wird immer wieder verschoben.
Aufsichtsratschef Paul Achleitner erntet inzwischen lautere Kritik für sein Krisenmanagement. Der Österreicher, der bereits seit 2012 an der Spitze des Gremiums steht, wurde von der jüngsten Hauptversammlung für weitere fünf Jahre berufen. Er setzte besonders auf ein gutes Verhältnis zu den internationalen Großaktionären, die jedoch ebenfalls zu murren beginnen. Im Aufsichtsrat holte er Wall-Street-Veteranen aus der Finanzkrisenzeit als Unterstützer.
Turbulent läuft es um die chinesische HNA Group von Chen Feng, seit der Kapitalerhöhung 2017 mit knapp 10 Prozent größte Aktionärin der Deutschen Bank. Ein Teil der Aktien musste HNA wegen eigener Finanzprobleme aber schon wieder verpfänden. Unklar ist, ob das Konglomerat von der südchinesischen Insel Hainan Rückendeckung der Führung in Peking genießt - und ob das gut oder schlecht für die Deutsche Bank wäre.
Vor Chen Feng war bereits 2014 Hamad bin Jassim bin Jaber al-Thani ("HBJ") als Ankeraktionär für die damalige Kapitalerhöhung aufgetreten. Der ehemalige Ministerpräsident von Katar holte zwischenzeitlich auch seinen Cousin, den früheren Emir, an Bord. Zusammen halten sie zwischen 5 und 10 Prozent der Aktien. Ihnen wird Interesse an einer starken Investmentbank zugeschrieben, die nicht in amerikanischer Hand ist. Da wäre die Deutsche Bank noch immer die erste Adresse - bald vielleicht nicht mehr.
Als dritter wichtiger Akteur trat 2017 auch noch der New Yorker Hedgefonds Cerberus Capital auf den Plan. Der hat allgemein Gefallen am deutschen Bankensektor gefunden. In kurzer Zeit kaufte er auch ein großes Aktienpaket der Commerzbank und die Mehrheit der HSH Nordbank zusammen, zudem ließ er seine österreichische Beteiligung Bawag in Deutschland zukaufen. Spannend wird, ob die Einzelteile ein sinnvolles Ganzes ergeben. Cerberus hat den früheren JPMorgan-Starbanker Matt Zames als President angeheuert - der war zuvor auch als Deutsche-Bank-Chef im Gespräch, lehnte aber ab.
Turbulent läuft es um die chinesische HNA Group von Chen Feng, seit der Kapitalerhöhung 2017 mit knapp 10 Prozent größte Aktionärin der Deutschen Bank. Ein Teil der Aktien musste HNA wegen eigener Finanzprobleme aber schon wieder verpfänden. Unklar ist, ob das Konglomerat von der südchinesischen Insel Hainan Rückendeckung der Führung in Peking genießt - und ob das gut oder schlecht für die Deutsche Bank wäre.
Foto: World Travel & Tourism CouncilTaxifahrer: Schon heute sind die Medien voll von Berichten über selbstfahrende Autos. Kein Wunder also, dass der Job des Taxifahrers wohl keine große Zukunft haben dürfte. Laut NPR-Tool liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrer in den kommenden 20 Jahren wegrationalisiert werden, bei 89,4 Prozent.
Foto: Daniel Reinhardt/ picture alliance / dpa