John Cryan (l), Paul Achleitner: Der Aufsichtsratschef wird Cryan wohl auf künftig auf die Finger sehen
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSJetzt ist es offiziell: Paul Achleitner soll auch in Zukunft den Aufsichtsrat der Deutschen Bank führen. Das Kontrollgremium habe den 60-Jährigen für eine zweite Amtszeit einstimmig nominiert, sagte ein Konzernsprecher am Montag und bestätigte damit Berichte von dpa und Reuters am Sonntag.
Da Achleitner auch die Rückendeckung der größten Aktionäre haben soll, dürfte seiner Wiederwahl bei der Hauptversammlung im kommenden Mai nichts mehr im Wege stehen. Bereits auf einer Sitzung Ende Oktober hatten sich die Mitglieder einstimmig für Achleitner entschieden, hatten dpa und Reuters am Montag gleichlautend aus Aufsichtsratskreisen berichtet.
Zuvor hatte eine interne Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung ihres Aufsichtsratschefs ergeben, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute berichtet. Dabei ging es um den Umgang mit der sogenannten Libor-Strafe und die Frage, ob Achleitner mitverantwortlich dafür war, dass die Bank rund 100 Millionen britische Pfund mehr an die britische Finanzaufsicht zahlen musste als ursprünglich angedacht. Grund für die höhere Strafe war, dass die größte deutsche Bank bei der Aufklärung der Zinsmanipulation nicht gut kooperiert hatte.
Der Nominierung sei eine Bewertung der Arbeit des gesamten Kontrollgremiums vorangegangen, hieß es nun. Diese Evaluierung sei mithilfe einer externen Unternehmensberatung erfolgt. Außerdem sei die Entscheidung mit den größten Investoren der Bank abgesprochen worden, so dass einer Wiederwahl Achleitners auf der Hauptversammlung im Mai 2017 nichts mehr im Wege stehen dürfte. Bereits am Freitag hatte das "Manager Magazin" berichtet, dass keiner der Großaktionäre des Konzerns aktiv nach einem Nachfolger für den Österreicher suchen werde.
Achleitner war 2012 parallel zur Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen oberster Kontrolleur der Deutschen Bank geworden. Zuletzt wurde auch er zunehmend für die Talfahrt des Instituts verantwortlich gemacht. Dem Chefkontrolleur wird eine Mitschuld an der lange schleppenden Aufarbeitung der Altlasten gegeben. Zudem habe er zu lange am Investmentbanker Jain als Co-Chef festgehalten. Mitte 2015 zog er die Notbremse und ersetzte Jain durch den Briten John Cryan, der die Bank nun sanieren soll.
Auch Union Investment unterstützt zweite Amtszeit Achleitners
"Wir würden aus heutiger Sicht eine Kontinuität an der Spitze des Aufsichtsrats begrüßen", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. Die Fondsgesellschaft zählt zu den 20 größten Investoren der Bank. Zum einen seien die von Achleitner eingeleiteten Veränderungen im Aufsichtsrat positiv zu bewerten. Zum anderen befinde sich die Bank gerade in einem riesigen Umbau, unabhängig von den Rechtsstreitigkeiten in den USA. Dort verhandelt der deutsche Branchenprimus derzeit mit den Behörden über die Strafen wegen krummer Hypothekengeschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise. Die US-Justiz hatte Mitte September die entscheidenden Vergleichsverhandlungen mit einer Strafforderung von 14 Milliarden Dollar eröffnet und damit den Aktienkurs der Bank einbrechen lassen.
"Ein Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats ist daher aus unserer Sicht zur Zeit nicht sinnvoll und würde unnötige Unruhe bringen", sagte Speich. "Dann wäre die Bank wieder ein Jahr lang mit sich selbst beschäftigt." Vielmehr gehe es nun darum, ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft zu entwickeln und umzusetzen. "Das sehen wir bislang aber noch nicht. Hier muss die Bank noch liefern", sagte Speich weiter.
"Achleitner hat sich nicht mit Ruhm bekleckert"
Die Aktionärsschützer von der DSW äußerten sich zurückhaltend. "Wenn Achleitner in der zweiten Amtszeit stärker auf die Tube drückt als in der ersten, soll uns das recht sein." Der Aufsichtsratschef habe sich unter anderem "nicht mit Ruhm bekleckert", als es um den vom damaligen Co-Chef Jain eingeleiteten Kulturwandel ging. "Da hätte er früher eingreifen müssen", sagte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. Zugleich fügte er auch mit Blick auf die internen Prüfungen an: "Achleitner ist mittlerweile unbelastet. Deshalb würden wir ihm - Stand jetzt - eine verhaltene Zustimmung erteilen, wenn morgen Hauptversammlung wäre."
Lob und Kritik hatte der Anlegerschützer für Vorstandschef Cryan parat. "Ihm nimmt man ab, dass er saniert, dass er restrukturiert", sagte Nieding. "Aber er ist kein Visionär, der zeigt, wo die Reise hingeht. Wir wissen nicht, wo die Bank in fünf Jahren wieder an der Spitze stehen wird, wie sie Geld verdient. Vom Kostensenken allein kommt man nicht zurück in die Erfolgsspur", sagte Nieding.
John Cryan, 55, hat sich bislang als der "eiskalte Engel" erwiesen, als den ihn das manager magazin nach Amtsantritt im Sommer 2015 bezeichnet hatte. Der Brite spart, streicht und benennt schonungslos die Schwächen der Bank - neben den verbotenen Geschäften der Vergangenheit vor allem die überbordende Bürokratie und veraltete IT. So langsam reicht es den Führungskräften aber. Sie deuten Cryans Ehrlichkeit um in Miesepetrigkeit und verlangen mehr Aufbruchstimmung und Optimismus.
Paul Achleitner, 60, hat sehr lange gewartet. Im Sommer 2015 dann, kurz bevor es für ihn hätte gefährlich werden können, tauschte der Aufsichtsratsvorsitzende praktisch die gesamte Führungsriege samt Anshu Jain aus. Neu in den Vorstand kamen - immer auch ein Zeichen für die Krise einer Organisation - viele externe Top-Manager. Die Frage ist: Funktionieren sie auch als Team?
Auf Christian Sewing lastet deutlich mehr als es sein Job-Titel erahnen lässt. Er ist für das gesamte Geschäft mit Privatkunden und kleineren Firmen zuständig. Weil beides zum größten Teil in Deutschland spielt, und Sewing sein Berufsleben praktisch komplett bei der Deutschen Bank verbracht hat, muss der Mittvierziger im Heimatmarkt nach innen wie nach außen als Verkörperung der neuen Deutschen Bank herhalten. Eine Einigung über Filialschließungen hat er nach schweren Verhandlungen mit dem Betriebsrat im Frühsommer 2016 erreicht. Nun muss er dafür sorgen, dass sich die Vertrauenskrise der Bank nicht zu starken Abwanderungen von Kunden auswächst.
Tritt bislang öffentlich als zweiter Taktgeber des Umbaus neben John Cryan auf: Marcus Schenck. Der Finanzvorstand, 1965 geboren, hat lange für den Rivalen Goldman Sachs gearbeitet, sieben Jahre auch als Finanzvorstand des Energie-Versorgers Eon. Er muss sicherstellen, dass die Bank nach Jahren gebrochener Versprechen wieder einhält, was man den Investoren ankündigt. Die Jahre 2016 und 2017 haben Cryan und Schenck als Sanierungsjahre deklariert, allerdings auch versprochen, dass sich die Bank operativ stabilisiert.
Diese Frau soll das Rückgrat der Bank heilen und stabilisieren. Ebenso wie sie Geldhäuser sind, sind Banken auch IT-Unternehmen. Die richtige Technologie entscheidet über den Erfolg. Kim Hammonds soll die veralteten Strukturen beseitigen und die IT modernisieren. Inzwischen ist die Amerikanerin, die zuvor für Boeing gearbeitet hat, dafür sogar in den Vorstand aufgerückt. Weil sie bei ihrer Mission mitunter einen äußerst brüsken Ton anschlägt, betrachten einzelne Führungskräfte ihre Arbeit mit wachsendem Argwohn.
Seit Jahren wirbt die Deutsche Bank für ihre Sonderstellung, der Brexit hat sie in dieser Erzählung nur noch bestärkt: Sie sei auf den Kapitalmärkten die einzige kontinentaleuropäische Alternative zu den großen Wall-Street-Banken wie JP Morgan oder Goldman Sachs. Richten soll es vor allem Jeffrey Urwin, im Vorstand verantwortlich für "Corporate & Investment Banking". Dass Urwin, der erst seit gut einem Jahr für die Deutsche Bank arbeitet, sein Büro in New York und damit weit vom Heimatmarkt entfernt hat, sorgt allerdings selbst intern für wachsende Kritik.
Normalerweise fällt das Ressort "Kommunikation" in den Aufgabenbereich des Vorstandschefs. John Cryan delegiert es volley weiter - an Jörg Eigendorf. Der langjährige "Welt"-Journalist und Deutsche-Bank-Kenner arbeitet seit dem 1. April als Generalbevollmächtigter beim Frankfurter Geldhaus. Der 48-Jährige soll bei vielen offiziellen Anlässen das Gesicht der Deutschen Bank geben und Cryan ersetzen. Üblicherweise halten sich die Chefkommunikatoren von Konzernen im Hintergrund, konzentrieren sich auf die Inszenierung der Vorstände sowie des Unternehmens und treten nur in akuten Krisen-Situationen selbst an die Öffentlichkeit. Mögliches Problem: Auftritte von Konzernsprechern könnten immer als Beleg für eine krisenhafte Situation des Unternehmens interpretiert werden. In einer solchen, unstrittig krisenhaften Situation im Spätsommer 2016 erklärte Eigendorf im US-Fernsehen die harsche Reaktion der Bank auf die 14-Mrd-Dollar-Forderung des US-Justizministeriums. Nach der Veröffentlichung der Zahlen zum dritten Quartal 2016 am 27. Oktober will Eigendorf, der mit einer TV-Journalistin verheiratet ist, am Abend in der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner" zum Thema "Gier statt Reue - kommt die Banken-Krise zurück" auftreten.
Paul Achleitner, 60, hat sehr lange gewartet. Im Sommer 2015 dann, kurz bevor es für ihn hätte gefährlich werden können, tauschte der Aufsichtsratsvorsitzende praktisch die gesamte Führungsriege samt Anshu Jain aus. Neu in den Vorstand kamen - immer auch ein Zeichen für die Krise einer Organisation - viele externe Top-Manager. Die Frage ist: Funktionieren sie auch als Team?
Foto: Michael Gottschalk/ Getty Images