Immerhin ein Vorsteuergewinn: Doch die bedrohlichen Zeichen bei den Erlösen insbesondere im Schlussquartal müssen Deutsche-Bank-Chef John Cryan zu denken geben
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPNach dem dritten Verlustjahr in Folge wird der Druck auf Deutsche-Bank-Chef John Cryan immer stärker. An der Frankfurter Börse trennten sich die Aktionäre des größten deutschen Geldhauses nach der Vorlage der Jahresbilanz am Freitag in Scharen von dem Papier. Der Aktienkurs brach in der Spitze um mehr als 6 Prozent ein.
Auf eine halbe Milliarde Euro summierte sich der Nettoverlust für 2017. Cryan verteidigte seinen Kurs und stellte nach drei Jahren harter Sanierung Besserung in Aussicht. Der Umbau der einstigen Vorzeigebank brauche Zeit: "Es war immer klar, dass dies mehr als zwei oder drei Jahre dauern würde", sagte der 57-jährige Brite. Erste Erfolge seien aber sichtbar: "Die Deutsche Bank heute sieht völlig anders aus als die Bank, zu der ich 2015 kam."
Das Institut kommt trotzdem kaum vom Fleck, vor allem im wichtigen Investmentbanking hinken die Deutschen der Konkurrenz hinterher. Hinzu kam mit der größten Steuerreform in den USA seit Jahrzehnten ein weiterer Belastungsfaktor, denn die Verlustvorträge der Bank sind nun weniger wert und erfordern Abschreibungen.
Vor allem wegen dieses Steuereffekts von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro musste die Bank für 2017 den dritten Jahresverlust in Folge ausweisen. 2016 hatte der Konzernverlust noch 1,4 Milliarden Euro betragen. Ohne diese Belastung, die im vierten Quartal verbucht wurde, hätte das Institut einen Gewinn von rund 900 Millionen Euro eingefahren. Schon Anfang Januar hatte die Deutsche Bank ihr Abschneiden skizziert und einen "geringen" Jahresverlust nach Steuern angekündigt.
Erträge im Schlussquartal brechen um fast ein Fünftel ein
Vor Steuern blieben dagegen 1,3 Milliarden Euro übrig. Gleichwohl lief es im Tagesgeschäft nicht rund beim deutschen Branchenprimus. Im Gesamtjahr rutschten die Erträge - also die gesamten Einnahmen - auf 26,4 Milliarden Euro ab nach 30,0 Milliarden beziehungsweise 33,5 Milliarden Euro in den beiden Vorjahren. Besonders drastisch sah es im Schlussquartal aus, in dem die Erträge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro sanken.
Lesen Sie auch: Boni-Orgie trotz Verlust
Das Geldhaus begründete den Erlöseinbruch im vergangenen Jahr zum einen mit Verkäufen von Tochtergesellschaften und Beteiligungen etwa an der chinesischen Hua Xia Bank oder der britischen Lebensversicherung Abbey Life. Zum anderen machten sich die niedrigen Zinsen und insbesondere die Flaute am Kapitalmarkt negativ bemerkbar.
Darunter hat insbesondere das Investmentbanking zu leiden, eigentlich die wichtigste Geschäftssparte der Deutschen Bank. Allein im Schlussquartal seien die Erträge im Investmentbanking um 16 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro zurückgegangen. Im Handel mit Anleihen und Währungen habe der Rückgang 29 Prozent betragen, im Aktienhandel 25 Prozent. Auch andere Institute in den USA hatten wegen der vergleichsweise geringen Volatilität an den Börsen weniger Erträge als im Vorjahreszeitraum.
Auch die vor einem Börsengang stehende Vermögensverwaltungs-Sparte schwächelte im vierten Quartal. Die um den Verkauf der Versicherung Abbey Life bereinigten Erträge gingen im Schlussquartal um 2 Prozent zurück auf 621 Millionen Euro. Auf das Gesamtjahr betrachtet seien die Erträge in der Sparte - bereinigt um den Abbey-Life-Verkauf - um zwei Prozent gestiegen.
Vorstandschef John Cryan gab sich dennoch verhalten optimistisch: "2017 haben wir den ersten Vorsteuergewinn seit drei Jahren verzeichnet - und das trotz eines schwierigen Marktumfeldes, niedriger Zinsen sowie weiterer Investitionen in Technologie und Kontrollsysteme", sagte der Brite. "Wir haben also Fortschritte gemacht, sind aber mit unseren Ergebnissen noch nicht zufrieden."
Analyst: Deutsche Bank verliert Marktanteile, Kosten zu hoch
"Die Zahlen der Deutschen Bank liefern ein gemischtes Bild: Rechnet man die Belastungen durch die US-Steuerreform heraus, lagen die Zahlen im Rahmen der Erwartungen oder waren sogar etwas besser", sagte Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research. "Negativ ist allerdings, dass die Bank kontinuierlich Marktanteile verliert. Außerdem sind die Kosten zu hoch. Das Kreditportfolio scheint aber gesund zu sein."
Das Kostenproblem wird Vorstandschef Cryan wohl auch nicht so schnell los: So musste Cryan einräumen, dass 2018 die Kosten mit 23 Milliarden Euro um eine Milliarde Euro über dem Ziel liegen werden. Als Grund gab die Bank Verzögerungen bei geplanten Teilverkäufen an. Unter anderem konnte die Deutsche Bank ihr Spanien-Geschäft nicht wie geplant losschlagen.
Stunk bei der Commerzbank: Großaktionär Cerberus, seit Juli 2017 mit mehr als 5 Prozent der Anteile an Bord, geht auf offene Konfrontation zu Vorstand und Aufsichtsrat. CEO Zielke und Aufsichtsratschef Schmittmann knickten unter dem Druck ein und reichten Anfang Juli ihren Rücktritt ein. Auch der Bund, immer noch mit gut 15 Prozent Hauptaktionär der einst mit staatlichem Kapital geretteten Bank, stellte sich an die Seite des US-Investors. Den Staatsanteil wollte Cerberus auch schon übernehmen, war mit seinem Kaufangebot aber abgeblitzt.
Die Commerzbank ist nur eine Stelle, an der Cerberus den deutschen Finanzsektor umkrempelt. Im November 2017 erreichten die Amerikaner die Meldeschwelle von 3 Prozent der Aktien der Deutschen Bank. Dort sind sie zwar nur einer von vielen Großaktionären, aber besonders umtriebig, mit einer pikanten Mehrfachrolle: als Berater der Bank und zugleich Kunden mit Großkrediten, um Pakete aus Problemassets aufzukaufen. Eine solche Rolle hätte Cerberus auch bei der Commerzbank gerne.
Matt Zames wird zur zentralen Figur der deutschen Bankenbranche. Cerberus hat den Wall-Street-Veteran 2018 zum "President" ausgerufen. Zames hatte seine langjährige Karriere bei JPMorgan Chase beendet, weil er nicht selbst Chef werden konnte - und dann den ihm angebotenen Chefposten bei der Deutschen Bank abgelehnt. Einfluss hat er auch so.
Steve Feinberg ist seit 1992 Chef des von ihm gegründeten Finanzinvestors Cerberus, der nach eigenen Angaben ein Vermögen von mehr als 30 Milliarden Dollar verwaltet - ein Gutteil davon inzwischen in Anteilen deutscher Banken. Im Dezember 2017 tourte Feinberg deshalb zu den Autoritäten in Berlin und Frankfurt. Abwehrreflexe gegen eine Heuschrecke, die sich auch noch nach dem Höllenhund der griechischen Sage benannt hat, braucht Cerberus nicht mehr fürchten. Finanzminister Olaf Scholz wird sich an Feinberg als Partner in seinem letzten großen Deal als Hamburger Bürgermeister erinnern.
Frank Bruno managte vor Zames' Ankunft die Beteiligungen an Banken und Versicherungen des New Yorker Investors - und das schon seit zwei Jahrzehnten, das zweite davon durch die Krise geprägt. Jetzt wird Bruno zum Co-CEO an der Seite des Gründers Feinberg befördert.
Mark Neporent ist der Mann fürs Operative und sorgt dafür, dass die oft in Krisen mit Rabatt gekauften Beteiligungen so beinhart saniert werden, dass Cerberus auf seine Rendite um 20 Prozent kommt. "Wir sind opportunistische Investoren", sagte Neporent dem manager magazin. "Unser Appetit auf gute Investments ist nicht limitiert."
David Teitelbaum wacht von London aus über die europäischen Investments und treibt die deutschen Banker zu radikalerem Sparkurs an, unterstützt von Cerberus' Deutschland-Statthalter David Knower.
Seinen jüngsten großen Deal stemmte Cerberus gemeinsam mit einem anderen New Yorker Finanzinvestor: Christopher Flowers, der gerade wegen seiner milliardenteuren Fehlgriffe in Deutschland während der Finanzkrise - Hypo Real Estate und HSH Nordbank - schon abgeschrieben war. Jetzt verhilft ausgerechnet sein Vorkaufsrecht an der HSH Nordbank, wo Flowers über all die Jahre mit 5 Prozent investiert blieb, zum Comeback. Die neuen Eigner trimmen die in Hamburg Commercial Bank umbenannte Landesbank schlank.
Damit ist die Liste der gewichtigen Finanzinvestments im deutschsprachigen Raum noch nicht komplett. Die österreichische frühere Gewerkschaftsbank Bawag hatte ein von Cerberus geführtes Konsortium schon 2006 für 3,2 Milliarden Euro komplett übernommen. Nach langer Sanierung und dem Börsengang im Oktober 2017 hat Cerberus den Einsatz annähernd wieder heraus, bleibt aber als Großaktionär an Bord.
Seit einiger Zeit dient die Bawag auch als Vehikel, um mittelgroße Beteiligungen im deutschen Finanzsektor zusammenzukaufen: 2017 kamen die Südwestbank und die Deutscher Ring Bausparkasse hinzu, manches andere wurde noch ins Visier genommen. "Wir mögen die Rechtssicherheit, das konstante Wirtschaftswachstum und die hohen Sparraten", erklärte Cerberus-Mann Neporent gegenüber mm das Interesse am deutschen Finanzsektor.
Bei der NordLB-Rettung Anfang 2019 hielten Länder und Sparkassen den Kaufinteressenten Cerberus draußen. Leer gingen die New Yorker aber nicht aus: Kurz darauf bekamen sie ein Portfolio an Schiffskrediten für 2,6 Milliarden Euro.
Auch anderswo hoffen die Amerikaner auf Rendite einfach dadurch, dass sie Chancen ergreifen, wo die meisten Marktakteure noch vor allem das Risiko riechen. Im November 2017 kaufte Cerberus der spanischen Großbank BBVA Forderungen aus Wohnbaukrediten für vier Milliarden Euro ab - weitere Problemportfolien konnte der Investor 2018 mit einem 5-Milliarden-Kredit der Deutschen Bank kaufen.
Langsam zurückgezogen hat sich Cerberus aus der 2014 an die Börse gebrachten Ally Financial, der ehemaligen Finanztochter des Autokonzerns General Motors, die in der Krise nur dank Multi-Milliarden-Staatshilfe überlebte. Weniger glücklich lief das Investment bei Chrysler, wo Cerberus den Daimler-Konzern freikaufte und nach wenigen Monaten in die Insolvenz steuerte.
Seit 2006 hängt Cerberus an der US-Supermarktkette Albertsons fest, inzwischen saniert und um den Wettbewerber Safeway verstärkt. Pläne für einen Börsengang wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.
In Europa betreibt Cerberus seit 2017 die Büroartikelkette Staples als Lizenznehmer der Marke. Anschließend zeigte der Investor Interesse, den kriselnden Einzelhändler gleich ganz zu kaufen.
Einem ähnlichen Modell folgt die Kosmetikfirma Avon, die 2015 Cerberus als Minderheitsaktionär und Betreiber des Nordamerika-Geschäfts anheuerte. Der traditionsreiche Gigant des Direktvertriebs wartet noch auf sein Comeback.
Nicht mehr im Cerberus-Portfolio ist Remington Outdoor, der größte Fabrikant von Handfeuerwaffen in den USA. Cerberus-Investoren wie der kalifornische Lehrer-Pensionsfonds hatten protestiert. Doch statt eines Verkaufs übernahmen Cerberus-Gründer Feinberg und Partner die Waffenschmiede einfach selbst, als überzeugte Unterstützer der Rechten in den USA. Im Februar 2018 führten sie Remington jedoch in die Insolvenz.
Stunk bei der Commerzbank: Großaktionär Cerberus, seit Juli 2017 mit mehr als 5 Prozent der Anteile an Bord, geht auf offene Konfrontation zu Vorstand und Aufsichtsrat. CEO Zielke und Aufsichtsratschef Schmittmann knickten unter dem Druck ein und reichten Anfang Juli ihren Rücktritt ein. Auch der Bund, immer noch mit gut 15 Prozent Hauptaktionär der einst mit staatlichem Kapital geretteten Bank, stellte sich an die Seite des US-Investors. Den Staatsanteil wollte Cerberus auch schon übernehmen, war mit seinem Kaufangebot aber abgeblitzt.
Foto: Andreas Arnold/ picture alliance / Andreas Arnold/dpaDie Commerzbank ist nur eine Stelle, an der Cerberus den deutschen Finanzsektor umkrempelt. Im November 2017 erreichten die Amerikaner die Meldeschwelle von 3 Prozent der Aktien der Deutschen Bank. Dort sind sie zwar nur einer von vielen Großaktionären, aber besonders umtriebig, mit einer pikanten Mehrfachrolle: als Berater der Bank und zugleich Kunden mit Großkrediten, um Pakete aus Problemassets aufzukaufen. Eine solche Rolle hätte Cerberus auch bei der Commerzbank gerne.
Foto: Arne Dedert/ dpaLangsam zurückgezogen hat sich Cerberus aus der 2014 an die Börse gebrachten Ally Financial, der ehemaligen Finanztochter des Autokonzerns General Motors, die in der Krise nur dank Multi-Milliarden-Staatshilfe überlebte. Weniger glücklich lief das Investment bei Chrysler, wo Cerberus den Daimler-Konzern freikaufte und nach wenigen Monaten in die Insolvenz steuerte.
Foto: CHRIS KEANE/ REUTERS