Sturz der Aktie, Rüffel vom Prüfer "Hochgefährliche Situation" für die Credit Suisse

Paradeplatz Zürich: Für das Management der Credit Suisse dürfte es sehr schwierig werden, das Vertrauen der Kunden und Aktionäre zurückzugewinnen
Foto: Arnd Wiegmann / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von manager-magazin+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Die Zeiten für Banken rund um den Globus sind gerade alles andere als rosig. Anleger nehmen sie seit einigen Tagen praktisch in Sippenhaft für die Pleite der Silicon Valley Bank sowie den Absturz verschiedener regionaler Kreditinstitute in den USA. Der Ausverkauf der Bankenaktien erreichte inzwischen auch die Mehrzahl japanischer Institute . Papiere der Deutschen Bank und Commerzbank gerieten am Mittwoch wieder stark unter Druck.
Völlig unter die Räder kamen die Papiere der Schweizer Großbank Credit Suisse: Nachdem sie bereits am Montag und Dienstag zweistellig verloren hatten, beschleunigte die Aktie ihren Kurssturz noch einmal und brach in der Spitze um weitere 30 Prozent auf das Rekordtief von 1,72 Euro ein. Anlass für den Ausverkauf war die Nachricht, dass der saudische Großaktionär, die staatliche Saudi National Bank, kein weiteres Geld nachschießen will, um die Credit Suisse zu stützen. Die CS brauche kein zusätzliches Geld, betonte ein Sprecher der Bank. Die Saudi National Bank, die knapp 10 Prozent der Aktien der Credit Suisse hält, hatte die Bank erst Ende 2022 mit einer Kapitalspritze gestützt. Der fortgesetzte Kurssturz der Aktie sorgt auch beim saudischen Topaktionär für empfindliche Verluste.
Die krisengeplagte CS hatte Anfang der Woche desaströse Zahlen vorgelegt und kämpft nicht nur mit dem Misstrauen der Anleger gegen eine ganze Branche, sondern laboriert immer noch an hausgemachten Fehlschlägen und Skandalen: Die Desaster mit dem Hedgefonds Archegos Capital oder den Greensill-Fonds zählen dazu. Der Ruf der Bank hat in den vergangenen zwei Jahren massiv Schaden genommen. So stellte erst Ende Februar die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma fest, dass Credit Suisse im Umgang mit Greensill-Produkten in "schwerer Weise" gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen habe – und verordnete ihr gleich einen ganzen Katalog an Kontrollauflagen.
Nachdem sich Großaktionär Harris Associates Anfang März mit dem legendären Satz "Warum sollte man in etwas investieren, das Kapital verbrennt, wenn der Rest des Sektors es jetzt erwirtschaftet?" endgültig von der Bank verabschiedet hatte, musste CEO Ulrich Körner (60) wenige Tage später die Bilanzvorlage für Jahr 2022 aufgrund von Nachfragen der US-Börsenaufsicht verschieben. Heute dann die endgültigen Zahlen: 7,3 Milliarden Franken Verlust – einer der höchsten in der 167-jährigen Geschichte der Bank.
"Hochgefährliche Situation" - Kunden ziehen weiter Geld ab
Und die Kunden der Credit Suisse, deren Schwerpunkt ja immer noch die Vermögensverwaltung ist, ziehen weiter Geld ab: Allein im Schlussquartal 2022 rund 110 Milliarden Schweizer Franken. Die Abflüsse hielten auch diesen Monat an. Sollte es nicht gelingen, die Entwicklung zu drehen, werde dies sich weiter nachteilig auf die künftigen Geschäftsergebnisse auswirken, warnt die Bank.
Die Schweizer Fachzeitschrift "Finanz und Wirtschaft" wird da deutlicher. Sie sieht in den anhaltenden Kapitalabflüssen eine "hochgefährliche Situation" und den "Anfang eines langen Ausblutens des Kerngeschäfts". Für das Management sei es nun "extrem schwierig" wieder das Vertrauen der Kunden und Aktionäre zurückzugewinnen.
Prämien für Ausfallversicherungen schießen für CS in die Höhe
Wie sehr die Anleger der Credit Suisse derzeit misstrauen, zeigt sich auch am Preis für Versicherungen gegen einen möglichen Ausfall von Anleihen der Bank. Sogenannte Credit Default Swaps (CDS) für Schuldpapiere der Bank kletterten am Mittwoch auf das Rekordhoch von 800 Basispunkten. Das heißt: Ein Anleger muss 800.000 Euro zahlen, um CS-Anleihen im Volumen von zehn Millionen Euro zu versichern. Beim Schweizer Wettbewerber UBS zahlen die Kunden nur einen Bruchteil dessen.
Dass Vorstandschef Körner und Kollegen des Topmanagements sowie Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann (64) jetzt einem Verzicht auf Boni und Gehaltskürzungen zustimmen, darf man wohl als Zeichen des Anstands gegenüber den geschundenen Anteilseignern verstehen. Denn schließlich zeichnet das Management nicht nur für die schlechte Performance verantwortlich, sondern auch dafür, dass die interne Kontrolle über das Finanz-Reporting nicht wirksam seien, wie das Institut selbst mitteilte.
Die Bank habe nach Einwänden der US-Börsenaufsicht SEC "wesentliche Schwachstellen" in ihren Berichts- und Kontrollverfahren für die vergangenen zwei Jahre festgestellt.
Wirtschaftsprüfer PWC sieht schwere Mängel in der Kontrolle
Das deckt sich wiederum mit einer Erklärung der hauseigenen Wirtschaftsprüfer PWC, die in einer "negativen Stellungnahme" ebenfalls die Wirksamkeit der internen Kontrollen infrage gestellt haben soll, berichtet Bloomberg . Konkret heißt es in der separaten Stellungnahme der Prüfer, dass "das Management keine wirksamen Kontrollen über die Vollständigkeit sowie die Klassifizierung und den Ausweis von nicht zahlungswirksamen Posten in der konsolidierten Geldflussrechnung entwickelt und aufrechterhalten hat", zitiert die "Financial Times" .
Die Bank erklärte, dass sie die identifizierten und kritisierten Mängel abstellen wolle. Credit Suisse, werde "robuste Kontrollen einführen, um sicherzustellen, dass alle nicht zahlungswirksamen Posten in der konsolidierten Geldflussrechnung angemessen klassifiziert werden", erklärte die Bank. Dafür würden sicher "erhebliche Ressourcen" benötigt, stellte die Credit Suisse am Dienstag zugleich klar.
Im vergangenen Jahr hatte die Credit Suisse ihren langjährigen Finanzchef David Mathers durch den ehemaligen Deutsche-Bank-Manager Dixit Joshi ersetzt – eine von vielen Top-Personalien der jüngeren Vergangenheit, in der in den vergangenen zwei Jahre nahezu die komplette Führungsspitze der Bank ausgetauscht wurde, inklusive CEO Thomas Gottstein (59).
Die Bank hatte im Herbst vergangenen Jahres unter ihrem neuen CEO Ulrich Körner einen radikalen Sanierungsplan angekündigt, der auch eine milliardenschwere Kapitalerhöhung nach sich zog. Sie dient unter anderem dazu, den Abbau von 9000 Stellen zu finanzieren. Für nicht wenige Analysten bleibt die Bank nach den jüngsten Zahlen und Eingeständnissen eine "Großbaustelle". Sicher ist: Konzernchef Körner hat auf dieser Baustelle noch viel zu tun, ob das neue Haus jemals wieder zu altem Glanz zurückfindet, ist ungewiss.