Großbank in der Krise Schweizer Nationalbank will Credit Suisse im Ernstfall stützen

Die Bankenkrise in den USA und Aussagen des saudischen Großaktionärs sorgen für schwere Kursverluste bei der angeschlagenen Credit Suisse. Am Mittwochabend sichert die Schweizer Nationalbank dem Institut schließlich ihre Unterstützung zu und versucht damit, die Anleger zu beruhigen.
Freier Fall: Die Aktie der Credit Suisse verliert zeitweise rund 30 Prozent und fällt auf ein Rekordtief

Freier Fall: Die Aktie der Credit Suisse verliert zeitweise rund 30 Prozent und fällt auf ein Rekordtief

Foto: FABRICE COFFRINI / AFP

Knapp eine Woche nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) hält die Finanzwelt den Atem an. Eine der größten europäischen Banken, die Credit Suisse (CS), steht mit dem Rücken zu Wand. Der Neustart ist gescheitert und die Zahl der Optionen, die das Geldhaus jetzt noch hat, um aus der Krise zu kommen, wird immer überschaubarer.

Nach massiven Kursverlusten der Aktie im Laufe des Mittwochs eilt am Abend schließlich die Schweizerische Nationalbank (SNB) der Großbank zu Hilfe. "Die SNB wird im Bedarfsfall der CS Liquidität zur Verfügung stellen", teilten die Notenbank und die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma in einer gemeinsamen Stellungnahme mit . Die Credit Suisse erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität. Von den Problemen von Banken in den USA gehe keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus.

Der dramatische Kursverfall bei der zweitgrößten Schweizer Bank hatte im Tagesverlauf weltweit Sorgen ausgelöst und stürzte die Finanzmärkte in Turbulenzen. Die Credit-Suisse-Aktien brachen am Mittwoch in der Spitze um mehr als 30 Prozent auf ein Allzeit-Tief von 1,55 Franken ein und zogen andere Bankentitel in Europa und den USA mit sich. 2007 hatten sie noch mehr als 90 Franken gekostet. Rund um den Globus versuchten Aufsichtsbehörden, Regierungen und andere Finanzhäuser, die Risiken abzuschätzen. Einzelne Regierungen forderten die Schweiz hinter den Kulissen auf, einzuschreiten.

Aussagen eines CS-Großaktionärs verunsichern Anlegern

Die Unsicherheit im Bankensektor war nach dem Kurssturz mehrerer regionaler US-Banken bereits Anfang der Woche extrem gestiegen. Den heftigen Kursrutsch am Mittwoch hatten Aussagen eines Vertreters des saudischen Großaktionärs Saudi National Bank ausgelöst.

Der saudische Großaktionär hatte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Bloomberg darauf hingewiesen, dass es regulatorische Probleme gebe, wenn er mit mehr als 10 Prozent bei der CS einsteigen würde. Danach ergänzte er, er sehe auch keine Notwendigkeit, Kapital nachzuschießen. Doch angesichts der hohen Verunsicherung der Investoren hatte sich der Kursrutsch da bereits beschleunigt. Obwohl auch die Analysten von Morgan Stanley gute Chancen sehen, dass die Credit Suisse den Turnaround aus eigener Kraft schafft, zogen immer mehr Anleger ihr Geld ab.

Die staatliche Saudi National Bank hat die Bank Ende 2022 mit einer Kapitalspritze gestützt und hält seit dem knapp 10 Prozent der Aktien. Damit ist sie der größte Aktionär der angeschlagenen Bank. Zweitgrößter Aktionär ist der staatliche katarische Investmentfonds Qatar Investment Authority (QIA), der fast 7 Prozent der Anteile hält.

US-Finanzministerium prüft Engagement der US-Banken bei CS

Das US-Finanzministerium prüft laut der Nachrichtenagentur "Bloomberg" bereits aktiv das Engagement US-amerikanischer Banken bei der Schweizer Bank prüfen. Das Ministerium wolle wissen, wie stark die Banken gegenüber der CS exponiert sind. Es arbeite dabei zudem eng mit den europäischen Aufsichtsbehörden zusammen.

Zuvor war bereits bekannt geworden, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) den Fall offenbar eng verfolgt. Laut dem "Wall Street Journal" hat sie die von ihr beaufsichtigten Banken kontaktiert. Sie wolle wissen, welche Engagements die Finanzhäuser gegenüber der Credit Suisse haben.

Die Nervosität der Investoren lässt sich auch an den Prämien für Kreditausfallversicherungen ablesen: Die Absicherungen gegen Zahlungsausfälle bei Anleihen der Credit Suisse stiegen am Mittwoch weiter an. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), stiegen am Mittwochmittag zeitweise auf ein Rekordhoch von 574 Basispunkten, wie Daten von S&P Market Intelligence zeigten. Das bedeutet, dass ein Anleger 574.000 Euro bezahlen muss, um Anleihen im Volumen von zehn Millionen Euro zu versichern.

Bankchef Körner: Unsere Liquiditätsbasis ist stark

Konzernchef Ulrich Körner (60) versuchte nach dem Kurssturz, Zweifel an der Stabilität der Schweizer Großbank aus dem Weg zu räumen und forderte Anleger auf, geduldig zu sein: "Wir sind eine starke Bank, wir sind eine globale Bank unter Schweizer Regulierung, wir erfüllen und übertreffen im Grunde alle regulatorischen Anforderungen", sagte Körner am Mittwoch in einem Interview des asiatischen Senders CNA. "Unsere Kapital- und Liquiditätsbasis ist sehr, sehr stark." Die Situation der Credit Suisse sei etwa mit der Silicon Valley Bank nicht vergleichbar. Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann betonte bei "Bloomberg", staatliche Hilfe sei für die Bank "kein Thema".

Schwere Verluste auch bei Deutscher Bank und Commerzbank

Dem Abwärtstrend folgten am Mittwoch nicht nur die Titel des Schweizer Konkurrenten UBS mit mehr als 4 Prozent Minus, sondern der komplette europäische Bankensektor: Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks verlor zuletzt fast 6 Prozent auf ein erneutes Tief seit Anfang Januar. Sein Jahresplus schrumpfte damit auf gut 3 Prozent. Während die Titel der Commerzbank und der Deutschen Bank ihre Verluste jeweils auf mehr als 7 Prozent ausweiteten, ging es vor allem für französische Banken wie BNP Paribas auch deutlich bergab. US-Großbanken wie JP Morgan, Citigroup und Bank of America fielen an der Wall Street zwischen 1,2 und 2,3 Prozent. Kleinere US-amerikanische Geldinstitute verloren zwischen 0,4 und 6 Prozent.

Bank kämpft mit hohen Verlusten und Imageverlust

Die Credit Suisse hatte erst kürzlich desaströse Zahlen vorgelegt und zugleich einen massiven Rüffel der eigenen Buchprüfer kassiert. Zudem ziehen Kunden weiterhin Milliardenbeträge ab, was Marktbeobachter als eine "hochgefährliche Situation" werteten. Die krisengeplagte Bank kämpft nicht nur mit dem tiefen Misstrauen der Anleger gegen eine ganze Branche, sondern leidet auch noch unter dem Desaster mit Hedgefonds Archegos Capital sowie den Greensill-Fonds. Mit den Greensill-Produkten soll die Bank in "schwerer Weise" gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstoßen habe, stellte Ende Februar die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma fest und verordnete ihr eine Reihe von Kontrollauflagen. Anfang März verlor die Bank auch noch ihren langjährigen Großaktionär Harris Associates. Die Bank befindet sich in einer komplexen Umstrukturierung, die die Ausgliederung der Investmentbanking-Einheit und die Fokussierung auf ihr zentrales Vermögensverwaltungsgeschäft vorsieht.

Bafin: Keine direkte Ansteckungsgefahr für deutsches Finanzsystem

Die Finanzaufsicht Bafin zeigte sich trotz der weltweiten Schockwellen an den Börsen infolge der SVB-Pleite wenig besorgt für das deutsche Finanzsystem. "Wir sehen aktuell für das deutsche Finanzsystem keine direkte Ansteckungsgefahr aus den Problemen stark technologieorientierter amerikanischer Banken", teilte ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) am Mittwoch mit. Die Aufsicht behalte die Marktentwicklungen aber weiterhin im Blick. Die Bafin habe die Risiken aus abrupten Zinsanstiegen schon lange im Fokus. "Wir erwarten von den Instituten, dass sie ihre Zinsänderungsrisiken im Blick haben und rechtzeitig gegensteuern," führte der Sprecher aus.

Analyst Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets stellt sich nunmehr die Frage, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag im Rahmen ihres Zinsentscheids ihre zukünftige Geldpolitik kommuniziert – in einem Finanzmarkt-Umfeld, das "durch die ersten großen Bankenzusammenbrüche in den USA seit Lehman Brothers ziemlich unter Stress steht. Hier werden die Investoren ganz genau hinhören". An den Interbankenmärkten wurden die Zinserwartungen wieder nach unten geschraubt. Nach bisheriger Planung will die EZB ihren Inflationskampf mit einer weiteren deutlichen Zinsanhebung fortsetzen.

Etwa eine Woche später folgt die US-Zentralbank Federal Reserve, die Signale für eine weitere Straffung gesendet hat. Mit Blick auf die jüngsten Krisen gehen einige Experten bereits von einer Pause in der Zinswende im März aus, statt der bisher erwarteten kleinen Leitzinserhöhung. Damit würde die Bankenkrise auch die Inflationsbekämpfung bremsen.

la, dri, rei/Reuters, dpa-afx
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