Großbank in der Krise Schweizer Nationalbank eilt Credit Suisse zu Hilfe

Credit Suisse: Die Schweizer Nationalbank will dem Institut im Notfall Liquidität bereitstellen. Die Hilfszusage komme spät, kritisieren Bankenkenner
Foto: ARND WIEGMANN / REUTERSDie Schweizerische Nationalbank (SNB) eilt der mit einer tiefen Vertrauenskrise kämpfenden Credit Suisse zu Hilfe. Die SNB werde der zweitgrößten Schweizer Bank bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen, teilten die Notenbank und die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma in einer gemeinsamen Stellungnahme mit . Damit kam die Schweiz Forderungen von Anlegern, aber auch Regierungen und anderen Finanzinstituten nach, die Abwärtsspirale mit einer festen Zusage der Unterstützung zu brechen.
Sollte die Credit Suisse tatsächlich Geld von der Notenbank beanspruchen, wäre sie die erste global systemrelevante Bank seit der Finanzkrise, die eine maßgeschneiderte Rettungsleine erhält.
Von den Problemen von Banken in den USA gehe keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt aus, erklärten die SNB und die Finma. Die Credit Suisse erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität. "Darüber hinaus wird die SNB der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen." Die Finma und die SNB verfolgten die Entwicklungen sehr genau und stünden mit dem Schweizer Finanzministerium in engem Kontakt, um die Finanzstabilität sicherzustellen. Credit Suisse erklärte: "Wir begrüßen die Unterstützungsbekundung."
Aktie von Credit Suisse erholt sich vom Kurssturz
Der dramatische Kursverfall bei der Credit Suisse hatte weltweit Sorgen ausgelöst und die Finanzmärkte in Turbulenzen gestürzt. Die Aktien des krisengeplagten Instituts brachen am Mittwoch in der Spitze um mehr als 30 Prozent auf ein Allzeit-Tief von 1,55 Franken ein und zogen andere Banken-Titel in Europa und den USA mit ins Minus. Rund um den Globus versuchten Aufsichtsbehörden, Regierungen und andere Finanzhäuser, die Risiken abzuschätzen.
Nach dem Hilfseinsatz der Schweizer Nationalbank setzte die Aktie jedoch zur Erholung und kletterte am späten Abend wieder über die Marke von 2 Franken pro Aktie. Auch der Dax, der am Mittwoch unter dem Einbruch der Bankentitel gelitten und rund 3 Prozent verloren hatte, dürfte am Donnerstag einen Erholungsversuch starten.
Eine große europäische Bank habe Gespräche mit der Credit Suisse geführt und das Institut zu einer Liquiditätssicherung durch die Zentralbank gedrängt, sagte eine mit der Situation vertraute Person. Mindestens eine Regierung habe die Schweiz zur Intervention aufgefordert, weil die Credit Suisse systemrelevant sei, sagte eine mit dem Vorstoß vertraute Person. Ein Regierungsvertreter eines großen europäischen Landes, der nicht namentlich genannt werden wollte, warnte vor Chaos, sollte die Regierung in Bern nicht schnell eingreifen: "Man kann der Schweiz nur raten, schnell ein Rettungspaket zu schnüren." Ein Sprecher des US-Finanzministeriums erklärte, man beobachte die Situation und sei in Kontakt mit den Finanzministerien anderer Länder.
"Es steht außer Frage, dass die Behörden eingreifen müssen"
Anleger reagierten erleichtert auf die Ankündigung der Behörden. Thomas Hayes, Partner der New Yorker Great Hill Capital, bezeichnete das Statement der Schweizer Behörden als gute Nachricht. "Es steht außer Frage, dass sie eingreifen müssen, aber jeder, der von den Turbulenzen der Credit Suisse überrascht wurde, hat unter einem Felsen geschlafen." Davide Oneglia, Volkswirt bei TS Lombard, erklärte: "Die Credit Suisse ist nicht die SVB, sie ist eine große, global systemrelevante Bank, die direkt im Zentrum des europäischen Finanzsystems sitzt. Die Schweizer Regierung hat genauso wie die SNB, die EZB und das globale Bankensystem ein begründetes Interesse daran, sicherzustellen, dass selbst eine Verstaatlichung, falls erforderlich, so nahtlos wie möglich abläuft."
Treiber des Absturzes waren zunächst Sorgen, dass die vom Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) ausgelösten Schockwellen an den Finanzmärkten die ohnehin schon geschwächte Credit Suisse in Mitleidenschaft ziehen könnten. Am Mittwoch kam dann die Ankündigung des neuen Großaktionärs Saudi National Bank in einem Reuters-Interview hinzu, keine frischen Mittel in die Credit Suisse einschießen zu können. Das Institut könne aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mehr als zehn Prozent der Anteile halten, sagte Präsident Ammar Al Khudairy der Nachrichtenagentur Reuters.
CS steckt im grundlegenden Umbau
Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann sagte zu "Bloomberg", staatliche Hilfe sei für die Bank "kein Thema". Doch als die Aktie immer weiter absackte, versuchte Konzernchef Ulrich Körner die Wogen zu glätten: "Unsere Kapital- und Liquiditätsbasis ist sehr, sehr stark", sagte er dem asiatischen TV-Sender CNA. Im weiteren Verlauf des Tages wurde dennoch klar, dass Credit Suisse Unterstützung braucht. Einem Insider zufolge bat das Institut die Notenbank, sich hinter sie zu stellen.
Die Credit Suisse steckt mitten in einem tiefgreifenden Konzernumbau, der Milliarden kostet und den Abbau von 9000 Stellen umfasst. Am Ende soll daraus eine Bank entstehen, die vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären setzt und nicht mehr auf das riskante Investmentbanking. Gerade für das Geschäft mir reichen Privatkunden ist Vertrauen in das Institut eine entscheidende Voraussetzung. Wieweit das mit dem Eingreifen der SNB und der Finma wiederhergestellt werden kann, muss sich erst noch weisen. In den vergangenen Wochen war immer wieder spekuliert worden, dass die Credit Suisse ein Übernahmeziel werden könnte. Erzrivale UBS erteile Spekulationen, bei der Credit Suisse zuzugreifen, eine Absage.
Auf einer Investorenkonferenz sagte Konzernchef Ralph Hamers: "Für uns ist wichtig, dass wir uns wirklich auf unsere Strategie konzentrieren, und das ist eine organische Strategie."
US-Finanzministerium prüft Engagement der US-Banken bei CS
Das US-Finanzministerium prüft laut der Nachrichtenagentur "Bloomberg" bereits aktiv das Engagement US-amerikanischer Banken bei der Schweizer Bank prüfen. Das Ministerium wolle wissen, wie stark die Banken gegenüber der CS exponiert sind. Es arbeite dabei zudem eng mit den europäischen Aufsichtsbehörden zusammen.
Zuvor war bereits bekannt geworden, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) den Fall offenbar eng verfolgt. Laut dem "Wall Street Journal" hat sie die von ihr beaufsichtigten Banken kontaktiert. Sie wolle wissen, welche Engagements die Finanzhäuser gegenüber der Credit Suisse haben.
Die Nervosität der Investoren lässt sich auch an den Prämien für Kreditausfallversicherungen ablesen: Die Absicherungen gegen Zahlungsausfälle bei Anleihen der Credit Suisse stiegen am Mittwoch weiter an. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), stiegen am Mittwochmittag zeitweise auf ein Rekordhoch von 574 Basispunkten, wie Daten von S&P Market Intelligence zeigten. Das bedeutet, dass ein Anleger 574.000 Euro bezahlen muss, um Anleihen im Volumen von zehn Millionen Euro zu versichern.
Bafin: Keine direkte Ansteckungsgefahr für deutsches Finanzsystem
Die Finanzaufsicht Bafin zeigte sich trotz der weltweiten Schockwellen an den Börsen infolge der SVB-Pleite wenig besorgt für das deutsche Finanzsystem. "Wir sehen aktuell für das deutsche Finanzsystem keine direkte Ansteckungsgefahr aus den Problemen stark technologieorientierter amerikanischer Banken", teilte ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) am Mittwoch mit. Die Aufsicht behalte die Marktentwicklungen aber weiterhin im Blick. Die Bafin habe die Risiken aus abrupten Zinsanstiegen schon lange im Fokus. "Wir erwarten von den Instituten, dass sie ihre Zinsänderungsrisiken im Blick haben und rechtzeitig gegensteuern," führte der Sprecher aus.
Analysten stellt sich nunmehr die Frage, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag im Rahmen ihres Zinsentscheids ihre zukünftige Geldpolitik kommuniziert. An den Interbankenmärkten wurden die Zinserwartungen wieder nach unten geschraubt. Nach bisheriger Planung will die EZB ihren Inflationskampf mit einer weiteren deutlichen Zinsanhebung fortsetzen.
Etwa eine Woche später folgt die US-Zentralbank Federal Reserve, die Signale für eine weitere Straffung gesendet hat. Mit Blick auf die jüngsten Krisen gehen einige Experten bereits von einer Pause in der Zinswende im März aus, statt der bisher erwarteten kleinen Leitzinserhöhung. Damit würde die Bankenkrise auch die Inflationsbekämpfung bremsen.