Unter Beschuss: Commerzbank-Chef Martin Zielke und sein Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Schmittmann
Foto: imago images / sepp spieglCerberus verliert die Geduld mit der Commerzbank. In einem fünf Seiten langen Brief rechnet der US-Investor, der gut fünf Prozent an dem Geldhaus hält, mit der Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat ab und fordert künftig zwei Sitze im Kontrollgremium.
In dem fünfseitigen Brief an den Aufsichtsrat, datiert vom 9. Juni, der dem manager magazin vorliegt, beschreibt Cerberus die Lage mit drastischen Worten: "Die zahlreichen Fehlentscheidungen und die Tatenlosigkeit des Vorstands in den vergangenen Jahren, die der Aufsichtsrat hat geschehen lassen, haben unmittelbar zu den desaströsen Ergebnissen geführt", die sich im Aktienkurs und wichtigen Kennzahlen widerspiegelten. Und weiter: Die Zeit, um all das zu korrigieren, werde langsam knapp, warnt der Investor.
GRAFIK Commerzbank vs. Deutsche Bank
Foto: manager magazinCerberus droht mit weiteren Schritten bis hin zu einer Aktionärsrevolte, sollte sich die Commerzbank nicht auf die Forderungen einlassen. Man sei nicht länger dazu bereit, tatenlos zuzusehen, wie das Unternehmen seinen verbliebenen Wert aufs Spiel setzt, heißt es in dem Brief: "Wir sind davon überzeugt, dass auch andere Aktionäre unsere Bemühungen, grundlegende Veränderungen herbeizuführen, voll und ganz unterstützen werden."
Cerberus ist seit 2017 an der Commerzbank beteiligt. Seither hat sich der Aktienkurs mehr als halbiert. Der Finanzinvestor sitzt daher auf Verlusten von etwa 400 Millionen Euro. Am Mittwoch gewannen die Papiere im frühen Handel 4,3 Prozent.
Commerzbank-Chef Martin Zielke (57) hat in den vergangenen Jahren erfolglos versucht, das Institut wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Eine neue Strategie, die er erst im Herbst vergangenen Jahres vorstellte, ist bei einer Reihe von Aktionären als ideenlos und unambitioniert durchgefallen - allen voran dem Bund, der eine Beteiligung von 15 Prozent an der Commerzbank hält.
Cerberus schließt sich der Kritik an: "Die aktuelle Strategie beruht auf der fundamental fehlerhaften Annahme, dass die Gesellschaft in ihre aufgeblähte Kostenbasis hineinwachsen könne." Insgesamt sei das Vorhaben unzureichend und ohnehin sei fraglich, ob die Commerzbank in der Lage sei, selbst diesen "völlig unzureichenden Plan" umzusetzen.
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Die Bundesregierung hat bereits vor einigen Monaten den Druck auf Zielke erhöht, radikalere Schritte zu ergreifen und die Bank grundlegender umzubauen. Eine Blaupause dafür lieferte die Beratungsgesellschaft BCG, die das Geldhaus im Auftrag des Bundes durchleuchtete. Das Institut will voraussichtlich im August bei der Vorlage der Halbjahreszahlen eine nachgebesserte Strategie vorlegen. Der Bund hat zudem seine beiden Vertreter im Kontrollgremium bei der Hauptversammlung Mitte Mai ausgetauscht - vor Ablauf ihrer Amtszeit.
Cerberus nennt in seinem Brief nicht die beiden Kandidaten für den Aufsichtsrat. Der Investor setzt allerdings eine Deadline. Man erwarte bis 12. Juni eine Antwort auf diesen Brief.
Die Commerzbank reagierte am Nachmittag nach einer regulären Sitzung des Aufsichtsrats auf den Brief von Cerberus: "Den Gremien der Bank ist bewusst, dass die Wertentwicklung am Kapitalmarkt nicht zufriedenstellend ist", teilte das Institut mit, "Meinungsäußerungen von Aktionären - auch kritischer Art - nimmt die Bank sorgfältig auf und wird diese auch künftig in interne Erörterungen und in den Dialog mit ihren Eigentümern einfließen lassen."
Stunk bei der Commerzbank: Großaktionär Cerberus, seit Juli 2017 mit mehr als 5 Prozent der Anteile an Bord, geht auf offene Konfrontation zu Vorstand und Aufsichtsrat. CEO Zielke und Aufsichtsratschef Schmittmann knickten unter dem Druck ein und reichten Anfang Juli ihren Rücktritt ein. Auch der Bund, immer noch mit gut 15 Prozent Hauptaktionär der einst mit staatlichem Kapital geretteten Bank, stellte sich an die Seite des US-Investors. Den Staatsanteil wollte Cerberus auch schon übernehmen, war mit seinem Kaufangebot aber abgeblitzt.
Die Commerzbank ist nur eine Stelle, an der Cerberus den deutschen Finanzsektor umkrempelt. Im November 2017 erreichten die Amerikaner die Meldeschwelle von 3 Prozent der Aktien der Deutschen Bank. Dort sind sie zwar nur einer von vielen Großaktionären, aber besonders umtriebig, mit einer pikanten Mehrfachrolle: als Berater der Bank und zugleich Kunden mit Großkrediten, um Pakete aus Problemassets aufzukaufen. Eine solche Rolle hätte Cerberus auch bei der Commerzbank gerne.
Matt Zames wird zur zentralen Figur der deutschen Bankenbranche. Cerberus hat den Wall-Street-Veteran 2018 zum "President" ausgerufen. Zames hatte seine langjährige Karriere bei JPMorgan Chase beendet, weil er nicht selbst Chef werden konnte - und dann den ihm angebotenen Chefposten bei der Deutschen Bank abgelehnt. Einfluss hat er auch so.
Steve Feinberg ist seit 1992 Chef des von ihm gegründeten Finanzinvestors Cerberus, der nach eigenen Angaben ein Vermögen von mehr als 30 Milliarden Dollar verwaltet - ein Gutteil davon inzwischen in Anteilen deutscher Banken. Im Dezember 2017 tourte Feinberg deshalb zu den Autoritäten in Berlin und Frankfurt. Abwehrreflexe gegen eine Heuschrecke, die sich auch noch nach dem Höllenhund der griechischen Sage benannt hat, braucht Cerberus nicht mehr fürchten. Finanzminister Olaf Scholz wird sich an Feinberg als Partner in seinem letzten großen Deal als Hamburger Bürgermeister erinnern.
Frank Bruno managte vor Zames' Ankunft die Beteiligungen an Banken und Versicherungen des New Yorker Investors - und das schon seit zwei Jahrzehnten, das zweite davon durch die Krise geprägt. Jetzt wird Bruno zum Co-CEO an der Seite des Gründers Feinberg befördert.
Mark Neporent ist der Mann fürs Operative und sorgt dafür, dass die oft in Krisen mit Rabatt gekauften Beteiligungen so beinhart saniert werden, dass Cerberus auf seine Rendite um 20 Prozent kommt. "Wir sind opportunistische Investoren", sagte Neporent dem manager magazin. "Unser Appetit auf gute Investments ist nicht limitiert."
David Teitelbaum wacht von London aus über die europäischen Investments und treibt die deutschen Banker zu radikalerem Sparkurs an, unterstützt von Cerberus' Deutschland-Statthalter David Knower.
Seinen jüngsten großen Deal stemmte Cerberus gemeinsam mit einem anderen New Yorker Finanzinvestor: Christopher Flowers, der gerade wegen seiner milliardenteuren Fehlgriffe in Deutschland während der Finanzkrise - Hypo Real Estate und HSH Nordbank - schon abgeschrieben war. Jetzt verhilft ausgerechnet sein Vorkaufsrecht an der HSH Nordbank, wo Flowers über all die Jahre mit 5 Prozent investiert blieb, zum Comeback. Die neuen Eigner trimmen die in Hamburg Commercial Bank umbenannte Landesbank schlank.
Damit ist die Liste der gewichtigen Finanzinvestments im deutschsprachigen Raum noch nicht komplett. Die österreichische frühere Gewerkschaftsbank Bawag hatte ein von Cerberus geführtes Konsortium schon 2006 für 3,2 Milliarden Euro komplett übernommen. Nach langer Sanierung und dem Börsengang im Oktober 2017 hat Cerberus den Einsatz annähernd wieder heraus, bleibt aber als Großaktionär an Bord.
Seit einiger Zeit dient die Bawag auch als Vehikel, um mittelgroße Beteiligungen im deutschen Finanzsektor zusammenzukaufen: 2017 kamen die Südwestbank und die Deutscher Ring Bausparkasse hinzu, manches andere wurde noch ins Visier genommen. "Wir mögen die Rechtssicherheit, das konstante Wirtschaftswachstum und die hohen Sparraten", erklärte Cerberus-Mann Neporent gegenüber mm das Interesse am deutschen Finanzsektor.
Bei der NordLB-Rettung Anfang 2019 hielten Länder und Sparkassen den Kaufinteressenten Cerberus draußen. Leer gingen die New Yorker aber nicht aus: Kurz darauf bekamen sie ein Portfolio an Schiffskrediten für 2,6 Milliarden Euro.
Auch anderswo hoffen die Amerikaner auf Rendite einfach dadurch, dass sie Chancen ergreifen, wo die meisten Marktakteure noch vor allem das Risiko riechen. Im November 2017 kaufte Cerberus der spanischen Großbank BBVA Forderungen aus Wohnbaukrediten für vier Milliarden Euro ab - weitere Problemportfolien konnte der Investor 2018 mit einem 5-Milliarden-Kredit der Deutschen Bank kaufen.
Langsam zurückgezogen hat sich Cerberus aus der 2014 an die Börse gebrachten Ally Financial, der ehemaligen Finanztochter des Autokonzerns General Motors, die in der Krise nur dank Multi-Milliarden-Staatshilfe überlebte. Weniger glücklich lief das Investment bei Chrysler, wo Cerberus den Daimler-Konzern freikaufte und nach wenigen Monaten in die Insolvenz steuerte.
Seit 2006 hängt Cerberus an der US-Supermarktkette Albertsons fest, inzwischen saniert und um den Wettbewerber Safeway verstärkt. Pläne für einen Börsengang wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.
In Europa betreibt Cerberus seit 2017 die Büroartikelkette Staples als Lizenznehmer der Marke. Anschließend zeigte der Investor Interesse, den kriselnden Einzelhändler gleich ganz zu kaufen.
Einem ähnlichen Modell folgt die Kosmetikfirma Avon, die 2015 Cerberus als Minderheitsaktionär und Betreiber des Nordamerika-Geschäfts anheuerte. Der traditionsreiche Gigant des Direktvertriebs wartet noch auf sein Comeback.
Nicht mehr im Cerberus-Portfolio ist Remington Outdoor, der größte Fabrikant von Handfeuerwaffen in den USA. Cerberus-Investoren wie der kalifornische Lehrer-Pensionsfonds hatten protestiert. Doch statt eines Verkaufs übernahmen Cerberus-Gründer Feinberg und Partner die Waffenschmiede einfach selbst, als überzeugte Unterstützer der Rechten in den USA. Im Februar 2018 führten sie Remington jedoch in die Insolvenz.
Stunk bei der Commerzbank: Großaktionär Cerberus, seit Juli 2017 mit mehr als 5 Prozent der Anteile an Bord, geht auf offene Konfrontation zu Vorstand und Aufsichtsrat. CEO Zielke und Aufsichtsratschef Schmittmann knickten unter dem Druck ein und reichten Anfang Juli ihren Rücktritt ein. Auch der Bund, immer noch mit gut 15 Prozent Hauptaktionär der einst mit staatlichem Kapital geretteten Bank, stellte sich an die Seite des US-Investors. Den Staatsanteil wollte Cerberus auch schon übernehmen, war mit seinem Kaufangebot aber abgeblitzt.
Foto: Andreas Arnold/ picture alliance / Andreas Arnold/dpaDie Commerzbank ist nur eine Stelle, an der Cerberus den deutschen Finanzsektor umkrempelt. Im November 2017 erreichten die Amerikaner die Meldeschwelle von 3 Prozent der Aktien der Deutschen Bank. Dort sind sie zwar nur einer von vielen Großaktionären, aber besonders umtriebig, mit einer pikanten Mehrfachrolle: als Berater der Bank und zugleich Kunden mit Großkrediten, um Pakete aus Problemassets aufzukaufen. Eine solche Rolle hätte Cerberus auch bei der Commerzbank gerne.
Foto: Arne Dedert/ dpaLangsam zurückgezogen hat sich Cerberus aus der 2014 an die Börse gebrachten Ally Financial, der ehemaligen Finanztochter des Autokonzerns General Motors, die in der Krise nur dank Multi-Milliarden-Staatshilfe überlebte. Weniger glücklich lief das Investment bei Chrysler, wo Cerberus den Daimler-Konzern freikaufte und nach wenigen Monaten in die Insolvenz steuerte.
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