Ist Blockchain mehr als nur Hype? Die Zukunft des Geldes - So reden Sie mit

Von Arvid Kaiser
Blockchain: "Paradigmenwechsel im Finanzsystem"

Blockchain: "Paradigmenwechsel im Finanzsystem"

Foto: Jens Wolf/ picture alliance / dpa

Für die Deutsche Bank ist Blockchain "eine der ersten wirklich disruptiven Ideen aus dem Fintech-Bereich". Die spanische Großbank Santander rechnet mit einem Sparpotenzial von bis zu 20 Milliarden Dollar pro Jahr und hat in ihrem Innovationslabor angeblich schon 20 bis 25 Anwendungsfälle gesammelt, wie sie die neue Technik nutzen könnte.

Etliche Startups schmücken sich mit dem Begriff "Blockchain". Sogar die Ur-Finanzmagierin Blythe Masters macht jetzt wieder Furore - mit einem Blockchain-Startup. Die Firma R3 hat inzwischen 42 internationale Großbanken als Geldgeber versammelt, also fast alle von Rang und Namen. Unter Chain.com haben sich die Technologiebörse Nasdaq , die Kreditkartenfirma Visa  und die Citigroup  zusammengeschlossen.

Blockchain, Blockchain, Blockchain. Aber worin genau die Idee besteht, die laut Deutscher Bank einen "Paradigmenwechsel im vorherrschenden Finanzsystem" bringen und "einzelne Geschäftsbereiche traditioneller Banken künftig überflüssig" machen könnte, ist schon schwieriger zu beschreiben.

Ein zentrales Register wird überflüssig

Er habe etliche Experten befragt und "keine zwei gleichen Antworten bekommen", schreibt Tony Arcieri in seinem Blog . Arcieri arbeitet immerhin im Sicherheitsteam von Square, einem der führenden Anbieter für mobiles Bezahlen, sitzt also an einer Schlüsselstelle für die Technik der Geldwelt von morgen. Man könnte ihn selbst als Blockchain-Experten heranziehen.

Grob gesagt, beschreibt Blockchain die Struktur der Datenbank hinter der digitalen Alternativwährung Bitcoin: Alle Bitcoin-Transaktionen werden auf allen beteiligten Rechnern gespeichert, in Blocks zusammengefasst, die jeweils mit sämtlichen vorangegangenen Transaktionen verkettet sind (Kette = chain).

Ein zentrales Register wie in einer Bank oder einer Börse (oder einer staatlichen Behörde) entfällt damit. Das Netz der Teilnehmer übernimmt die Kontrolle darüber, dass eine Zahlung echt ist, Geld den Besitzer wechselt und der Zahler tatsächlich über dieses Geld verfügte. Alle wissen alles (nur die Namen der Teilnehmer werden anonymisiert). Das dezentrale Wissen macht Fälschungen zwar nicht unmöglich, aber hinreichend kompliziert.

Eine Transaktion verbraucht so viel Strom wie eine US-Familie pro Tag

Diese Eigenschaften könne man sich auch jenseits der etwas obskuren Bitcoin-Welt zu nutze machen, frohlocken jetzt die Blockchain-Enthusiasten. Manche wollen smarte Verträge einführen, die automatisch und unbestreitbar das Einhalten der Vertragsbedingungen überwachen, fälschungssichere Wahlen organisieren oder wie das Projekt Ethereum gleich die ganze Struktur des Internets neu aufsetzen.

Tony Arcieri allerdings hält die Bitcoin-Blockchain für ungeeignet, all dies zu leisten. Er listet eine Reihe technischer Probleme auf. Kleine Kostprobe: "Die Datenbank verbraucht für eine Transaktion die gleiche Menge Elektrizität, die einen amerikanischen Durchschnittshaushalt für einen Tag versorgen könnte." Und "sie unterstützt nur drei Transaktionen pro Sekunde und braucht mehr als zehn Minuten, um sie zu bestätigen".

Bereits jetzt habe Bitcoin, das erst ein Zehntel-Promille des Zahlungsvolumens von Visa abwickelt, Kapazitätsprobleme, weil mit der wachsenden Blockchain ein immer größerer Rechenaufwand mitgeschleppt wird. Die Wunderwelt der digitalen Finanzen stößt - wie auch im Fall der Hochfrequenzbörsen - an physische Grenzen.

Deutsche Bank: "Angriff ist wahrscheinlich die beste Verteidigung"

Auch die Deutsche Bank, die sich noch mit Problemen einer jahrzehntealten IT-Infrastruktur herumplagt, hat das erkannt. Interne Experimente - bekannt wurde etwa die Entwicklung einer automatisierten Anleihe - laufen zwar unter dem Label "Blockchain". Einige der Vorteile des Systems will man übernehmen, "Angriff ist wahrscheinlich die beste Verteidigung" heißt die Parole.

Letztlich setzt der Konzern aber auf die althergebrachten eigenen Stärken. Die Forschungsabteilung der Bank empfiehlt ein "neues, modernes Clearing-System", an dem nur Banken teilnehmen, die sich untereinander mehr vertrauen als ein anonymes Massennetzwerk. Das wäre "wahrscheinlich sogar noch kostengünstiger und effizienter als die Blockchain, weil der energiehungrige 'Proof of Work'-Prozess wegfallen würde".

Aber solange das Mode-Schlagwort "Blockchain" fällt, genießen Bank-IT-Projekte die Aufmerksamkeit von Vorständen und Investoren. Diesen Vorteil räumt auch Blockchain-Nörgler Arcieri ein.


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