Aussage des Co-CEO im Deutsche-Bank-Prozess Warum Fitschens Widerspruch der Deutschen Bank nicht schadet

Deutsche Bank-Chef Jürgen Fitschen muss sich in München zusammen mit vier ehemaligen Bankmanagern wegen versuchten Betrugs im Kirch-Prozess verantworten.
Foto: Sven Hoppe/ dpaMit Aussagen der Angeklagten zur Sache geht die Beweisaufnahme im Verfahren gegen die ehemaligen und aktuellen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bank weiter. Die Staatsanwaltschaft München wirft den Top-Managern vor, in einem Schadensersatzprozess gegen die Erben des Medienunternehmers Leo Kirch die Unwahrheit gesagt zu haben, um deren mutmaßliche Ansprüche gegen das Kreditinstitut abzuwehren.
Wie üblich in langen Prozessen, lassen die Eröffnungsturbulenzen der ersten Verhandlungstage nach. Immer häufiger lässt zudem das Gericht durchblicken, welchen Vortrag es für überzeugend hält und welchen nicht. Der sechste Verhandlungstag war insofern besonders spannend. Denn mit Fitschen sagte am Dienstag derjenige aus, der sich mit seiner Einlassung in dem der Anklage zu Grunde liegenden Zivilverfahren in Widerspruch zu den anderen Angeklagten gesetzt hatte. Für die Anklagestrategie handelte es sich somit um einen Aspekt mit wesentlicher Bedeutung.
Um den erhobenen Vorwurf eines versuchten Prozessbetrugs zu erhärten, will die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor allem folgende Punkte nachweisen, die von der Verteidigung hingegen bestritten werden:

Oliver Sahan ist Partner der Sozietät Roxin und Leiter des Hamburger Büros, das er 2009 eröffnete. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen insbesondere die Strafverteidigung von Einzelpersonen sowie die Vertretung von Unternehmen in allen Bereichen des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts. Zudem leitet Oliver Sahan kanzleiweit umfassende unternehmensinterne Sonderuntersuchungen und Compliance- Projekte. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist Oliver Sahan Lehrbeauftragter für Steuerstrafrecht an der Universität Gießen, an der er zudem die Praxisgruppe des CCC - Center for Criminal Compliance leitet. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.
1. Die Vorstände befürchteten in dem Zivilverfahren einen Schadensersatzanspruch von Kirch gegen die Deutsche Bank.
2. Laut Ansicht der Staatsanwaltschaft gründete diese Sorge auf dem mittlerweile berühmten Interview des damaligen Vorstandsvorsitzenden Rolf Breuer, in dem dieser die finanzielle Schieflage vermeintlich publik machte.
3. Ein Schadensersatzanspruch verlangt aber eine absichtliche Schädigung. Hierin liegt ein ganz wesentlicher Punkt der Beweisaufnahme. Denn laut Staatsanwaltschaft hatte der Vorstand vor dem Interview beschlossen, auf Kirch zuzugehen, um das lukrative Restrukturierungsmandat zu erhalten. Aus Sicht der Anklage liegt hier das Motiv des Interviews, da Kirch so weiter unter Druck gesetzt werden sollte.
Gerade der letzte Punkt machte den Verhandlungstag besonders spannend. Denn während alle anderen Angeklagten übereinstimmend schon bestritten, dass vor dem Interview überhaupt ein Zugehen auf Kirch beschlossen wurde, vertrat Fitschen in dem vorangegangenen Zivilverfahren eine andere Auffassung.
Die Aussage Fitschens
Während die Argumentationslinie der Staatsanwaltschaft damit klar ist, trat Fitschen alledem mit seiner Aussage wie folgt entgegen:
Trotz sich widersprechender Einlassungen der angeklagten Vorstände seien die Unterschiede in der Erinnerung Fitschens allenfalls marginal gewesen. Nach Fitschens Auffassung hätten immerhin alle Vorstände übereinstimmend erklärt, dass sie kein Mandat von Leo Kirch angestrebt hatten. Damit versuchte Fitschen zugleich zu erläutern, aus welchem Grund er die Angaben seiner Kollegen im Zivilprozess nicht korrigiert hatte. Der Bewertung, in den Aussagen seien letztendlich keine Unterschiede zu sehen, wollte das Gericht jedoch so nicht folgen. Es wies den Angeklagten in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es Aufgabe von Zeugen sei, Tatsachen zu berichten, während das Gericht die Bewertung dieser Tatsachen als marginal oder bedeutsam einstufen müsse.

Auch wenn Fitschen damit den Beschluss zum Zugehen auf Kirch grundsätzlich zugestanden hat, sagte er damit nicht zugleich, es habe auch ein Akquisitionsauftrag bestanden. Stattdessen sollte lediglich gefragt werden, was Kirch möglicherweise von der Bank wolle. Völlig zu Recht hat sich daher am gestrigen Tag der Vorsitzende Richter Noll, der die Angaben Fitschens scheinbar für überzeugend hält, zugleich dahingehend geäußert, dass hierdurch allenfalls ein Teil der Indizienkette der Staatsanwaltschaft (Beschluss Akquise Kirch - absichtliche Schädigung Kirch - Schadensersatzanspruch Kirch) näherliegend geworden ist.
Um das Fehlen eines konkreten Akquisitionsauftrags weiter zu unterstreichen, versuchte Fitschen entsprechend der Einlassungen seiner Kollegen außerdem deutlich zu machen, dass die Frage des Umgangs mit Kirch jedenfalls im Vorstand der Deutschen Bank keine bedeutsame gewesen war.
Warum sollte Kirch von Breuer angesprochen werden?
Wie seine Mitangeklagten wies auch Fitschen zudem darauf hin, dass die finanzielle Schieflage Kirchs zum Zeitpunkt des Interviews ohnehin allgemein bekannt gewesen sei. Das Interview hätte damit überhaupt keinen Schaden mehr anrichten können. Fitschen selbst habe das Ganze damals daher auch keine schlaflosen Nächte bereitet. Wie schon bei den Unterschieden im Aussageverhalten, deutete das Gericht aber auch hier Bedenken an. Es sei schon ein gewichtiger Unterschied, ob ein Wirtschaftsjournalist über die finanzielle Situation eines Unternehmens berichte, oder aber der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank.
Die Unterschiede zwischen den Angaben der Angeklagten müssen als Ausdruck davon gewertet werden, dass sie sich im Hinblick auf dieses Strafverfahren offensichtlich nicht abgesprochen haben. Verfahrenspsychologisch ist anerkannt, dass gerade in Einzelheiten divergierende Angaben ein Wahrheitszeichen sind, wohingegen gänzlich identische Angaben verschiedener Angeklagten für eine falsche Aussage sprechen.
Fitschen will Angaben seiner Kollegen nicht gekannt haben
Folglich hätte sich der Angeklagte Fitschen unglaubwürdig gemacht, wenn er am gestrigen Tag Angaben gemacht hätte, die im Gegensatz zu dem stünden, was er bisher vorgebracht hat. Zugleich hat Fitschen am gestrigen Tag schließlich auch betont, dass er sich nicht anmaßen könne, zu behaupten, was er erinnere, sei zwingend richtig. Das Gericht steht daher nun vor der Schwierigkeit, dass es gegebenenfalls durchaus mehrere der Aussagen als glaubwürdig einstufen muss, obwohl diese sich widersprechen. Tut es das, folgt aus dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" jedoch, dass es die für die Angeklagten günstigste Version zu Grunde liegen muss.
Der Angeklagte Fitschen hat weiter betont, er habe die Angaben seiner Kollegen vor dem OLG nicht gekannt. Diese Aussage ist zum einen geeignet, den Vorwurf zu widerlegen, man habe sich abgesprochen (laut Staatsanwaltschaft ein Indiz für die Falschaussagen) und zum anderen geeignet, den Angeklagten Fitschen ganz persönlich zu entlasten. Ihm wird - anders als seinen Kollegen - nämlich vorgeworfen, deren Falschangaben nicht korrigiert zu haben, was er nicht hätte tun können, wenn er sie gar nicht kannte.
Das Gericht hat unmissverständlich angedeutet, es tendiere zu den Angaben Fitschens, wonach man vor dem Interview beschlossen habe, mit Kirch zu sprechen. Es hat weiterhin den Vortrag Fitschens zurückgewiesen, die Divergenzen zwischen seiner und den Angaben seiner Kollegen seien marginal gewesen. Zuletzt hat es angedeutet, dem Interview Breuers durchaus eine schädigende Wirkung beimessen zu können. Zugleich bleiben damit aber auch nach Angaben des Gerichts die Fragen offen, weshalb Kirch von Breuer angesprochen werden sollte und ob Breuer die Kirch-Gruppe tatsächlich mittels Interview absichtlich habe schädigen wollen.
Ausblick
Am folgenden Prozesstag soll nunmehr die ermittelnde Oberstaatsanwältin Serini darüber berichten, was der Angeklagte Ackermann vor ihr ausgesagt hat. Eine für die Verteidigung nur auf den ersten Blick unangenehme Situation. Zwar dürfte die Aussage Serinis den Angeklagten nicht unmittelbar in die Karten spielen, doch kann die Verteidigung hier die Rollen tauschen und der Staatsanwältin etwaige punktuelle Ungenauigkeiten und Unklarheiten in ihrer Wiedergabe vorhalten, um sie als unglaubwürdig darzustellen.
Weiter soll auch der Vorsitzende Richter des Zivilsenats des OLG München, Kotschy, befragt werden. Dem kommt eine besondere Bedeutung zu, einerseits, weil er der durch die Angeklagten Getäuschte sein soll und andererseits, weil er derjenige war, der die zumindest umstrittene These vertreten haben soll, Leo Kirch stünde ein Anspruch gegen die Deutsche Bank zu.
Nicht zuletzt schweben über dem Verfahren noch immer sechs Gigabyte nicht ausgewertete Daten, die das Verfahren, laut Richter Noll, platzen lassen könnten, wenn sich hierin wichtige Beweismittel finden würden.
Oliver Sahan ist Partner der Sozietät Roxin und auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert. Für manager-magazin.de analysiert er den Prozess in München.
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