Kursrally Commerzbank feiert Erfolg im Abbau

Commerzbank: Die Kernbank ist nicht das Kernthema
Foto: APHamburg - Die neuen Geschäftszahlen könnten eine Zeitenwende markieren. Die risikogewichteten Aktiva unter 200 Milliarden Euro, die Bilanzsumme insgesamt unter 600 Milliarden, der Aktienkurs über zehn Euro: Mit der Vorlage des Zwischenberichts für September hat die Commerzbank mehrere Wegmarken erreicht, die vor kurzem noch weit entfernt schienen.
Um das Bestehen der anstehenden Stresstests muss sich die Commerzbank angesichts ihrer Kapitaldecke kaum noch sorgen. In der Telefonkonferenz zum Quartalsergebnis fragen Analysten anderer Institute immer wieder, ob die Bank nun ihre Ziele anhebe. Finanzvorstand Stephan Engels vertröstet auf die Pressekonferenz zum Jahresabschluss im Februar. 2013 sei immer noch ein "Übergangsjahr", von dem man nicht zu viel erwarten darf.
Engels betont aber durchaus, dass die Bank in mehrerer Hinsicht ihre bisherigen Ziele übertreffe. Allerdings geht es dabei fast durchweg um die Abbaubank. Deren Portfolio ist mit 124 Milliarden Euro bereits jetzt kleiner, als es zu Jahresende sein sollte. Und die Restesparte stärkt bereits jetzt statt erst 2014 das Kapital des Konzerns - nicht, weil das auf Staatsanleihen, Gewerbeimmobilien und Schiffe konzentrierte Geschäft irgendeinen Gewinn abliefern würde. Vielmehr bindet das schrumpfende, aber weiterhin verlustreiche Portfolio weniger Kapital als zuvor.
Noch immer definiert sich Erfolg oder Misserfolg der Commerzbank darüber, wie sie mit ihren Altlasten fertig wird. 'Nicht schlecht' ist das neue 'gut'. "Wir konnten in einer ersten Durchsicht keine neuen 'Aufregerthemen' entdecken", erklärt LBBW-Analyst Ingo Frommen. "Die insgesamt schwierige Situation der Commerzbank sehen wir bestätigt." Aus Sicht der Anleger liefert das Grund genug für einen 12-prozentigen Kurssprung.
Immerhin scheint sich die Commerzbank in der Lage zu sehen, auf zwei eigene Vorstände für die Abbaubank verzichten zu können. Deren Aufgaben übernehmen die Spartenchefs Michael Reuther (Investmentbanking, nun auch zuständig für Staatsanleihen) und Markus Beumer (Mittelstand plus Gewerbeimmobilien und Schiffskredite) nebenbei mit. Das könnte man als Zeichen der Rückkehr zur Normalität deuten. Die Altlasten versperren nicht mehr so sehr den Blick auf das Kerngeschäft. Dort jedoch ist auch nicht allzu viel zu sehen.
"Unsere Wachstumsinitiativen beginnen zu greifen", teilt Konzernchef Martin Blessing mit. "Daher konnten wir in einem typischerweise saisonal schwächeren dritten Quartal unsere Erträge vor allem im Privatkundengeschäft und der Mittelstandsbank stabil halten."
Den Kunden im Mittelstand geht es zu gut
Die Kernbank läuft nicht schlecht, aber auch nicht besonders berauschend. Angesichts der aktuellen Flaute am Finanzmarkt, was Umsätze im Anleihen-, Devisen- und Rohstoffhandel angeht, kann sich die Commerzbank noch glücklich schätzen, dass sie das Investmentbanking ohnehin längst auf eine Nebenrolle eingedampft hat.
Das Privatkundengeschäft wächst zwar spürbar, ist aber ausgesprochen margenschwach. Umso mehr betont Finanzvorstand Engels den "German Mittelstand", für den "wir der wahre langfristige strategische Partner" seien. Dieses Attribut beanspruchen zwar mit mindestens gleichem Recht auch Genossenschaftsbanken, Sparkassen oder die Deutsche Bank für sich, die Commerzbank hat aber kein stärkeres Verkaufsargument.
In der Mittelstandsbank hat das Institut ein besonders delikates Problem: Den Kunden geht es zu gut. "Manche deutsche Firmen haben mit ihren stabilen Cash-Flows einen Anreiz, Darlehen vorzeitig abzulösen", berichtet Engels. Im Quartalsergebnis bemerkbar machte sich ein einzelner Unternehmenskredit, der die Erträge zwar einmalig steigerte, aber damit als künftiger Zinsposten ausfällt, was nach Engels' Aussage Vorbote für einen weiteren Trend sein könnte.
Den Namen des Unternehmens nennt die Bank wie üblich nicht. Es könnte sich um den Autozulieferer Schaeffler handeln, der im Juli Darlehen von vier Milliarden Euro umschuldete. Die Commerzbank mit der übernommenen Dresdner Bank als traditioneller Hausbank der Franken hatte dort lange Jahre ein enormes Klumpenrisiko - das sich aber bis dato mit hohen Zinserträgen auszahlte. "Das Unternehmen bleibt unser Kunde", beeilt sich Engels zu versichern.
In der Abbaubank, die vor allem um fünf Milliarden Euro an britischen Gewerbeimmobilienhypotheken erleichtert wurde, gelten die Schiffskredite weiterhin als größtes Risiko. Die schrumpften zwar um eine beachtliche Milliarde auf 15,7 Milliarden Euro, davon gelten aber noch 4,4 Milliarden Euro als faul. Engels verwies explizit auf den bevorstehenden Stresstest der EZB, von dem viele erwarten, dass die Schiffskredite als Klumpenrisiko der deutschen Banken besonders unter die Lupe genommen werden.
Seitenhieb auf die Hamburger Reeder
"Manche Wettbewerber in der Branche sehen schon erste Zeichen der Erholung in einigen Segmenten, aber wir bleiben vorsichtig", betont Engels deshalb. Für das kommende Jahr müssten die Anleger weiterhin mit dem aktuellen hohen Niveau an Risikovorsorge in der Schiffsbank rechnen.
Auch die konzerneigene Schiffsmanagementgesellschaft, die Schiffe mit Sanierungsperspektive aus faulen Krediten herauskauft, bringe kaum Entlastung. Ganze drei Schiffe mit einem Portfolio unter 100 Millionen Euro habe die Gesellschaft bislang übernommen, berichtet Engels. Positiv daran sei "die ernüchternde Wirkung auf Schiffseigner", denen so ein einfacher Ausweg aus ihren Zahlungspflichten fehle - ein Seitenhieb auf die Hamburger Reeder, die mit der HSH Nordbank auf ein ähnliches Modell setzen und Commerzbanker Jochen Klösges angeheuert haben.
Dennoch stellt Engels klar, "die Abbaubank ist kein Haufen von Giftmüll". Nur für die Commerzbank seien die Assets strategisch nicht mehr interessant, für andere Investoren aber durchaus.
Einzelne Positionen der Abbaubank dürften immer noch einfacher zu verkaufen als die Bank als Ganzes. Für den Verkauf des Bundesanteils von noch 17 Prozent der Aktien ist der Kurssprung zwiespältig. Würde der Bund sein Commerzbank-Paket zu 10 Euro verkaufen, könnte er fast zwei Milliarden Euro einnehmen und so zusammen mit der bereits zurückgeführten Stillen Einlage die 18,2 Milliarden Euro, die der Staat in die Rettung der Bank investiert hat, annähernd wieder hereinholen - auch, wenn der Steuerzahler kaum je eine Dividende aus Frankfurt gesehen hat.
Mögliche Käufer allerdings müssten dafür fast doppelt so viel zahlen wie noch vor vier Monaten. Alle als Interessenten gehandelten europäischen Wettbewerber wie BNP Paribas, Santander, UBS oder Unicredit haben inzwischen mit klaren Worten abgesagt.