JP-Morgan-Chef Dimon "Wir wissen, dass wir dumm waren"

JP-Morgan-Chef Dimon: "Wir waren schlampig"
Foto: Michael Reynolds/ dpaNew York/London - JP Morgan-Chef Jamie Dimon hat Fehler beim Umgang mit dem spektakulären Handelsskandal der größten US-Bank eingeräumt. Das Unternehmen habe schlecht auf erste Warnsignale reagiert, dass es große Verluste im Derivatehandel gegeben habe. So habe das Management "vollkommen falsche" Erklärungen zu entsprechenden Medienberichten abgegeben, sagte Dimon in einem Interview des Fernsehsenders NBC.
Die Affäre rief inzwischen die Aufsichtsbehörden auf den Plan und ließ den Ruf nach härterer Regulierung von Kreditinstituten wieder laut werden. "Wir gerieten in die Defensive", sagte Dimon über die Reaktion der Bank auf den Milliardenverlust. Die Manager von JP Morgan Chase hätten ihre Handlungen verteidigt. Er selbst hatte die Berichte über den Milliardenverlust im April als "Sturm im Wasserglas" abgetan. Es sei aber unklar, ob die Bank gegen Gesetze oder Regeln verstoßen habe. "Wir waren schlampig. Wir wissen, dass wir dumm waren. Wir wissen, dass es eine Fehleinschätzung gab", sagte er in der am Sonntag ausgestrahlten Sendung "Meet the Press".
Dimon muss Anlegern auf der Hauptversammlung der Bank am Dienstag Rede und Antwort stehen. Das bislang als Musterknabe unter den amerikanischen Geldhäusern geltende Institut hatte in einer eilends anberaumten Telefonkonferenz am Donnerstag mitgeteilt, dass die Bank durch Einbußen bei Absicherungsgeschäften mindestens zwei Milliarden Dollar in den Sand gesetzt hat.
Gleichzeitig schockte Dimon Investoren mit der Ankündigung, die Verluste könnten um eine weitere Milliarde steigen. Die US-Börsenaufsicht SEC habe erste Ermittlungen bezüglich der Buchhaltung sowie der Offenlegung des zwei Milliarden schweren Verlusts eingeleitet, berichtete die "New York Times.
Bankchef Dimon in der Kritik
Die SEC-Vorsitzende Mary Schapiro sagte am Freitag vor der Presse: "Man kann durchaus sagen, dass die gesamten Aufseher darauf blicken." Eine mit dem Vorgang vertraute Person sagte, die New Yorker Fed überprüfe zur Zeit die Situation. Allerdings sei die Aufgabe der Fed, eine ausreichende Kapitalisierung der Bank sicherzustellen, um Fehlschläge bei Handelsgeschäften zu überstehen, aber nicht sie zu verhindern.
JPMorgan-Papiere verloren an der New Yorker Börse mehr als 9 Prozent und rissen auch andere Finanztitel in die Tiefe. Die größte US-Bank verlor damit schlagartig 15 Milliarden Dollar an Marktwert.
Nach Börsenschluss senkte die Ratingagentur Fitch zudem die Bonitätsnote der Bank um eine Stufe auf A-plus von zuvor AA-minus. Das Ausmaß der Verluste durch hochriskante Wetten sei zwar kontrollierbar. Allerdings deute die Größe des Fehlbetrags auf einen Mangel an Liquidität hin. Zudem werfe der Fall Fragen zum Risikomanagement des Finanzhauses auf. Standard&Poor's bestätigte die Bonitätsnote von A/A-1, senkte aber den Ausblick von stabil auf negativ.
"Die Möglichkeit weiterer Probleme bei JP Morgans Hedging-Strategie ist nicht vereinbar mit dem von uns gesehenen gründlichen Risiko-Management", teilte S&P am Freitag mit. Allerdings würden die Verluste voraussichtlich nicht die Kundenbeziehungen oder das Kerngeschäft der Bank schwächen. Der Präsident der Dallas-Fed, Richard Fisher, der die Zerschlagung der fünf größten US-Banken in kleinere Einheiten gefordert hatte, sah sich in seiner Sorge bestätigt: Er sei beunruhigt, dass die größten Banken kein angemessenes Risikomanagement hätten. Wenn die Führung nicht mehr mitbekomme, was unter ihr vor sich gehe, dann sei der Punkt gekommen, wo das Institut zu groß geworden sei.
Eine Gewerkschaft machte sich für einen unabhängigen Aufsichtsratschef bei JP Morgan stark. Dimon ist gegenwärtig sowohl Bankchef als auch Aufsichtsratsvorsitzender. "Die Einsätze sind zu hoch um Jamie Dimon unbeaufsichtigt zu lassen", sagte Gerald McEntee, Vorsitzender des US-Verbands von Staatsangestellten.
Die Verluste hatten sich ausgerechnet in Absicherungsgeschäften angehäuft, die eigentlich dazu dienen sollen, Einbußen im Handel zu begrenzen. Wenn auch anders gelagert, weckt der Fall Erinnerungen an spektakuläre Handelsskandale der vergangenen Jahre, etwa bei der Schweizer UBS oder der französischen Société Générale. Viele Geldhäuser, wie etwa die Deutsche Bank, haben bereits vor Jahren kurz nach der Finanzkrise den Eigenhandel drastisch heruntergefahren, nachdem sich dort Milliardenverluste angehäuft hatten.