Deutsche Bank Ackermann fürchtet um seine Schlussbilanz

Bankchef Ackermann: Zuversichtlich, das Gewinnziel "in Sichtweite" zu halten
Foto: KAI PFAFFENBACH/ REUTERSHamburg - Nun steht es fest. Josef Ackermann gibt auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai 2012 die Führung der Deutschen Bank ab und strebt an die Spitze des Aufsichtsrats, wo er kontrollieren kann, was seine Nachfolger Anshu Jain und Jürgen Fitschen aus seinem Vermächtnis machen. Sein Vermächtnis? Was bleibt von einem Jahrzehnt mit Ackermann an der Spitze des Hauses, so lange wie einst Bankerlegende Hermann Josef Abs regierte?
Der Schweizer hat die Bank so stark wie nie zuvor auf eine Person ausgerichtet, sich selbst vom Vorstandssprecher zum -vorsitzenden befördert. Doch dieses Erbe verfällt mit der Rückkehr zu einer Doppelspitze im alten kollegialen Stil. Zu internationalem Wachstum hat er die Bank getrieben, spektakuläre Zukäufe wie die von Postbank und Sal. Oppenheim auch im Inland gestemmt. Doch schon vor Ackermann war die Deutsche Bank global im Investmentbanking stark, profitierte zugleich aber von der Marktführerschaft in Deutschland.
So wird Josef Ackermann wohl an Zahlen gemessen werden müssen. Die Bilanz für 2011 wird die Krönung seiner Karriere als Bankchef und zugleich seine Bewerbung für die allerdings ziemlich sichere Wahl in den Aufsichtsrat.
Mit dem Vorstandsvertrag wurde auch die Agenda verlängert
Mit einem Rekordgewinn dürfte Ackermann seinen Abschied schon beschließen, doch es geht um mehr. Nicht weniger als zehn Milliarden Euro Gewinn vor Steuern hat er selbst als Ziel für dieses Jahr vorgegeben. So sieht es die "Phase 4 der Management-Agenda" der Bank vor.
Und noch mehr: 25 Prozent Eigenkapitalrendite "über den Zyklus" (und nicht nur als Ausreißer im Boom wie 2006 und 2007); jährliches Ertragswachstum um 8 Prozent; eine Kostenquote von 65 Prozent; eine Kernkapitalquote (Tier 1) von mindestens 10 Prozent und einen maximal 25-fachen Fremdkapitalhebel hat Ackermann als Ziele ausgegeben.
Zu seinem Amtsantritt 2002 hatte Ackermann dem Geldhaus eine in drei Phasen eingeteilte Strategie verordnet, angefangen mit der Konzentration auf das Kerngeschäft über das Erreichen einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent hin zu beschleunigtem Wachstum. Als das erreicht war, wurde Ackermanns Vertrag als Vorstandschef verlängert - und damit auch seine Management-Agenda. "Phase 4" musste her.
Besonders die zehn Milliarden sind nun in der Öffentlichkeit zur Chiffre für den Ehrgeiz (oder die Gier) der Bank geworden, wie einst in den unschuldigen Anfangsjahren die 25-prozentige Rendite. Doch ausgerechnet die Zehn-Milliarden-Marke erscheint derzeit als das unrealistischste dieser Ziele.
Ausgerechnet das Investmentbanking schwächelt
Nach einem halben Jahr hat die Deutsche Bank 4,8 Milliarden Euro verdient, drei Milliarden davon allein im ersten Quartal. Im Vergleich dazu fällt das zweite Vierteljahr, dessen Zwischenbilanz die Bank an diesem Dienstag vorlegte, deutlich zurück: Der Überschuss schrumpfte auf 1,8 Milliarden. Traditionell sind die Gewinne zu Jahresbeginn besonders groß. Würde sich der Trend fortsetzen und die Deutsche Bank auch in der zweiten Jahreshälfte rund 10 Prozent mehr verdienen als 2010, stünde im Jahresabschluss ein Vorsteuergewinn von immer noch rekordverdächtigen sieben Milliarden Euro - aber das Zehn-Milliarden-Ziel wäre klar verfehlt.
Hatte es bisher noch geheißen, die Bank sei "auf Kurs" zu diesem Ziel, erklärt Finanzvorstand Stefan Krause nun im Gespräch mit Aktienanalysten, es sei "immer noch erreichbar". Immerhin hatte Ackermann die "Phase 4" von vornherein als "ehrgeizig" ausgegeben. Nun räumt er in seinem Brief an die Aktionäre zum Quartalsbericht ein, der Anspruch könne vor allem im Investmentbanking "nur schwer zu erreichen" sein. Man sei "zuversichtlich", das Planziel "in Sichtweite" halten zu können - vorausgesetzt, die Aufregung um die Staatsschuldenkrise verschwinde aus dem Markt.
Ausgerechnet das Investmentbanking, für dessen übermächtige Rolle als Gewinnbringer die Bank bisher gerühmt und gescholten wurde, schwächelt. Besonders im Juni seien die Erträge angesichts der Schuldenkrise und der damit verbundenen Risikoscheu der Anleger zurückgegangen, berichtet die Bank. Das wiegt für das Ergebnis viel schwerer als die Abschreibungen auf eigene Investments in griechische Anleihen, die mit 135 Millionen Euro für das zweite Quartal kaum eine Last darstellen. Laut Plan soll die Sparte noch zwei Drittel zum Gesamtgewinn beitragen.
Mehr Balance in der Bilanz
Ackermann versteht es jedoch, die schlechte Nachricht positiv zu wenden. "Unser klassisches Bankgeschäft lieferte im Berichtsquartal einen Beitrag von 50 Prozent zum Vorsteuerergebnis", schreibt der Bankchef seinen Aktionären. Das unterstreiche "eindrucksvoll den Erfolg unserer Strategie zur Neuausrichtung des Geschäftsmodells". Gemeint ist die so genannte Zwei-Säulen-Strategie, nach der die Schwankungen am Kapitalmarkt mit einer Stärkung des stabilen, aber ertragsschwachen Geschäfts mit Privat- und Firmenkunden ausgeglichen werden sollen.
Auch die Analysten sehen die Stärke der Bank zunehmend im soliden Geschäft. Die Synergien aus der Integration der Postbank würden schneller erzielt als bislang in Aussicht gestellt, betont Georg Kanders von der WestLB. Sebastien Lemaire und Sabrina Blanc von der Société Générale verweisen auf "die starke makroökonomische Entwicklung in Deutschland". So sehr wurde die Deutsche Bank lange nicht mit der deutschen Wirtschaft identifiziert.
Das bleibt von der Ära Ackermann: Mehr Balance in der Bilanz - auch wenn die Zwei-Säulen-Strategie erst spät als Reaktion auf die Finanzkrise zum Leben erweckt wurde. Und die künftige Doppelspitze aus Investmentbanker Jain und Deutschlandchef Fitschen kann dieses neue Geschäftsmodell nach außen symbolisieren.